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An Pfingsten ermöglicht der Heilige Geist, dass Menschen sich gegenseitig verstehen

Gleich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen feiern Christinnen und Christen Ende dieses Monats (24./25. Mai) das Pfingstfest. „Was genau feiern wir eigentlich an Pfingsten?" wollte Online-Redakteurin Angelika Knapic in einem Interview von der Kerpener Pfarrerin Dr. Yvonne Brink wissen.

Glaubt man Umfragen zu Pfingsten, haben mehr als die Hälfte der Bevölkerung keine Ahnung, was das Pfingstfest bedeutet. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Dr. Yvonne Brunk: Die Umfragen lügen sicherlich nicht, Menschen genießen die Feiertage und fragen selten nach dem Hintergrund dieses christlichen Festes. Ich mache die Beobachtung, dass an vielen Orten, etwa bei Schützenfesten oder bei der Pfingstkirmes, etwas mit dem Wort „Pfingsten“ verbunden wird. Insbesondere die Kinder freuen sich über die freie Zeit.

Dabei steht das Pfingstfest nicht isoliert, sondern in einem großen Zusammenhang mit dem Osterfest. 50 Tage nach Ostern bildet es den Abschluss des Osterfestkreises. An Ostern haben die Jünger erfahren, dass der gekreuzigte Jesus nicht im Tod geblieben ist. Gott hat ihn auferweckt; das ist die einzigartige Botschaft, die neue Hoffnung bringt. An Pfingsten ermöglicht der Heilige Geist, dass diese frohe Botschaft in alle Welt ergehen kann und Menschen einander verstehen. Das ist das Wunder, dass an Pfingsten Kommunikation gelingt. Menschen verstehen plötzlich was die Jünger zu sagen haben in allen Sprachen – ein großes hoffnungsvolles Geschehen. Im Grunde eröffnet Pfingsten einen Neuanfang, bis heute. Das ist vielen Menschen vielleicht nicht bewusst, aber sie merken im Frühjahr: Es gibt ein Wachstum, ein Sich-Entwickeln. Es gibt viele Neuanfänge in der Natur, rings um mich herum. Und vielleicht denkt so mancher auch darüber nach, ob es nicht einen Neuanfang im eigenen Leben geben kann.

Das Neue Testament berichtet von den Pfingstereignissen in Jerusalem mit der Ausgießung des Heiligen Geistes, der grandiosen Predigt des Petrus und dass sich daraufhin viele Menschen haben taufen lassen. So ist die Gemeinde gewachsen. Deshalb feiern wir an Pfingsten nicht nur die Gabe des Heiligen Geistes, sondern zugleich auch den Geburtstag der Kirche. Seitdem wird das Evangelium mutig in alle Welt hinausgetragen, durch Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch. Darin dürfen wir das Wirken des Heiligen Geistes bis in unsere heutigen Tage hinein spüren.

Das Pfingstfest wird ja 50 Tage nach Ostern gefeiert. Was hat es mit dieser Zahl auf sich?

Dr. Yvonne Brunk: Ostern und Pfingsten haben eine Verbindung zur Datierung der jüdischen Feste „Passa“ und „Schawuoth“. Das deutsche Wort „Pfingsten“ kommt vom griechischen „pentekoste“ und bedeutet „50“, was darauf hinweist, dass das Fest am 50.Tag nach Ostern gefeiert wurde. Das Pfingstfest beginnt sieben Wochen nach dem Ostersonntag. Seine Wurzeln hat es im jüdischen Wochenfest, dem „Schawuot“, das ursprünglich ein Fest der Frühjahrsernte war. Nach der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 nach Christus erlebte es aber einen Bedeutungswandel und wird bis heute als Fest der „Gabe der Tora“ gefeiert.

Es ist interessant, dass hier das Motiv des lodernden Feuers mit der Gabe der Tora und auch mit einer verständlichen Auslegung des Gesetzes verbunden wird. Zwei Motive, die an zwei wichtige Aussagen der Pfingstgeschichte in der Apostelgeschichte denken lassen: Erstens an die Flammen, die wie Feuerzungen über den Köpfen der Jünger stehen, und zweitens, dass Verständigung und Verstehen möglich wird. Das alles ist das Wirken des Heiligen Geistes.

Seit wann wird das Pfingstfest überhaupt gefeiert?

Dr. Yvonne Brunk: Gefeiert wird in den christlichen Gemeinden seit dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert. Bis ins vierte Jahrhundert hinein wurden Himmelfahrt und Pfingsten zusammen gefeiert. Erst danach wurde Pfingsten zum eigenständigen Fest. Gemäß der Überlieferung des Evangelisten Lukas in der Apostelgeschichte verlegte man den Himmelfahrtstermin zehn Tage vor und beging ihn damit 40 Tage nach Ostern.

Übrigens wurde erst auf dem ersten Konzil von Konstantinopel im Jahr 381 nach Christus der Heilige Geist, dessen Wirken die Pfingstgeschichte trägt, als eine Person der Trinität dogmatisiert. Heute geht uns das „Vater, Sohn und Heiliger Geist“ zwar locker über die Lippen, dennoch kommen wir Menschen unweigerlich an die Grenzen unserer Vorstellungskraft.

Welche Brauchtümer gibt es an Pfingsten und welche Bedeutung haben sie?

Dr. Yvonne Brunk: Wir alle merken: Der Mai ist der Monat des Wachstums, man könnte sogar sagen, dass man förmlich „vom Grün erschlagen wird“, so lebendig und wachstumsorientiert geht es in der Natur zu. „Da steckt viel Grünkraft drin“, hätte Hildegard von Bingen vielleicht gesagt. Und diese Kraft findet sich auch in einigen Bräuchen. Aus dem bayerischen ländlichen Gebieten kennen wir die Pfingstochsen, die mit allerlei Blumen und Kräutern geschmückt eine Festprozession entlang getrieben werden. Es gibt Pfingstumzüge und -paraden, Schützenfeste und ganz viele Gottesdienste im Grünen.

Wir feiern in Kerpen am Pfingstsonntag Festgottesdienste mit Abendmahl in beiden Kirchen, am Pfingstmontag einen Gottesdienst im Altenheim der Arbeiterwohlfahrt und parallel dazu mit der Gemeinde Brüggen einen Familiengottesdienst im Wald, bei dem im Anschluss gegrillt wird. Als Kerpener Gemeindepfarrerin werden meine Kinder, mein Mann und ich uns am Montag auf die Fahrräder schwingen und nach Brüggen fahren. Darauf freuen sich schon alle.

Was bedeutet das Fest für Sie ganz persönlich?

Dr. Yvonne Brunk: Mich bringen das Pfingstfest und seine Botschaft immer wieder zum Staunen. Je älter ich werde, desto mehr merke ich, wie kostbar es ist, zu verstehen und verstanden zu werden. Dass Kommunikation zwischen den Menschen gelingt, ist längst nicht selbstverständlich. Jeder von uns könnte lange Stunden über Missverständnisse berichten und wie schmerzhaft sie sein können. Das Alte Testament berichtet ganz eindrücklich von der großen Sprachverwirrung anlässlich des Turmbaus zu Babel (Gen. 11, d. Red.) und manchmal ist mir diese alte Geschichte so weise und von einer tiefen Wahrheit durchdrungen. An Pfingsten nun geschieht etwas Wunderbares. Die Sprachverwirrung wird aufgelöst und Menschen können einander verstehen. Kommunikation glückt! Menschen sind begeistert und ermutigt – bis heute.

Es gibt immer wieder Augenblicke im Leben, in denen ich merke: Da hat mich einer verstanden. Diese Erfahrung kann sehr glücklich machen und Frieden ins Herz bringen. Ich staune darüber, dass das, was damals in Jerusalem im kleinen Kreis begonnen hat, sich über Jahrtausende bewahrt hat. Die Kirche ist immer noch – trotz aller Verfehlungen und Irrwege, die Menschen eingeschlagen haben – da und lebendig durch den Heiligen Geist, der weiterhin weht, wo er will.

Das macht mir Mut, ganz persönlich und im Blick auf die Zukunft unserer Kinder und unserer Kirche. Möge der Heilige Geist uns begeistern und verständige und friedliebende Menschen aus uns manchen.

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Dazu lesenswert und sehr informativ:
Jens Herzer: Die Ursprünge der kirchlichen Feste: Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten, Weihnachten und ihre biblischen Grundlagen, Deutsche Bibelgesellschaft, 168 Seiten

Hier geht es zu den Pfingstgottesdiensten in den Gemeinden des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region.

Text: APK
Foto(s): Engelbert Broich