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Am Menschen orientiert, engagiert und erfolgreich: Irene Diehl, Leiterin der Evangelischen Familienbildungsstätte Köln, geht nach 16 Jahren in Ruhestand

Es waren 16 spannende, intensive und auch befriedigende Jahre, die Irene Diehl bei der Evangelischen Familienbildungsstätte (FBS) verbrachte. Am 16. Mai wurde die Leiterin der Einrichtung 60 Jahre alt, zwei Wochen später, am 30. Mai, wird sie mit einem Gottesdienst um 11 Uhr in der Kartäuserkirche, Kartäusergasse 7, offiziell in den Ruhestand verabschiedet.

FBS stand auf der Kippe
Damit schließt sich der Kreis. „Mit einem Gottesdienst fing es vor 16 Jahren an“, erinnerte sich Irene Diehl schmunzelnd. Es war fast so etwas wie eine „Mission Impossible“, die die Diplom-Sozialpädagogin damals übernahm, denn Anfang der 90er Jahre stand die FBS auf der Kippe. Die Teilnehmerzahlen waren rückläufig und das Angebot nicht mehr zeitgemäß. „Die Hälfte der Unterrichtsstunden bestand aus Nähkursen, Töpfern und anderen Angeboten im Kreativbereich“, blickt Diehl auf die schwere Anfangszeit zurück. Der Trägerverein, die „Familienbildung im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region“, überlegte ernsthaft, die heute 52 Jahre alte Einrichtung zu schließen.

Angebot wurde gründlich überarbeitet
Mit ihrer zupackenden und direkten Art gelang es Irene Diehl aber, das Ruder herumzureißen. „Familienbildung hieß ja früher ,Mütterschule‘. Aber daran hatten zu der Zeit nicht nur immer weniger Kölner ein Interesse. Das Angebot musste also gründlich überarbeitet werden“, erzählte die im südhessischen Bensheim geborene FBS-Leiterin. Nach einer intensiven Bestands- und Bedarfsanalyse wurden die Nähkurse drastisch zurückgefahren und neue Angebote mit pädagogischen Inhalten installiert, die die Kompetenz von Eltern stärken sollen. Das war aber keine Kulturrevolution, sondern ein behutsamer Anpassungsprozess. „Natürlich gibt es auch heute noch einige Nähkurse, aber eben zeitgemäß. Und das Thema Ernährung handeln wir nicht nur einfach mit Kochkursen ab, vielmehr stehen Fortbildungskurse für angehende Hauswirtschafterinnen und gesunde Ernährung, vor allem für Kinder, im Mittelpunkt.“ Die Zahlen geben Irene Diehl Recht: Die hauptamtlichen Mitarbeitenden und die 150 Honorarkräfte bieten zurzeit rund 670 Kurse mit mehr als 12.000 Unterrichtsstunden pro Jahr an. Jede Woche gehen über 1.000 Menschen in der FBS an der Kartäusergasse ein und aus. Das Publikum ist bunt gemischt und spiegelt die Vielfalt der Kulturen und Familienformen in Köln wider, so die FBS-Leiterin. Dauerbrenner im Angebot sind die Kurse für Alleinerziehende und die Müttercafés.

Projektarbeit zu speziellen Themen
Neben den inhaltlichen Aspekten musste sich Irene Diehl aber auch immer wieder mit dem Thema Geld beschäftigen. „Gleich zu Beginn, als ich anfing, kürzten Stadt und Land ihre Zuschüsse. Ende der 90er Jahre fuhr die Kirche ihre Unterstützung zurück“, erzählte die Mutter zweier Töchter. Für die FBS eine ungemütliche Situation. Mit gut einem Drittel ist der Eigenanteil, den sie zum Etat beiträgt, zwar sehr hoch für eine Bildungseinrichtung, aber ohne die zuverlässige Förderung durch kirchliche und öffentliche Mittel geht es nicht. Zusätzlich wurde die Projektarbeit ins Leben gerufen, die von wechselnden Geldgebern finanziell unterstützt wird. „Das erste Projekt, kurz nachdem ich die Leitung übernommen hatte, war ein voller Erfolg“, erinnerte sich Irene Diehl. In Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei wurde ein Anti-Gewalt-Projekt für Seniorinnen und Senioren angeboten. „Viele ältere Menschen hatten damals Angst, abends alleine auf die Straße zu gehen. In dem Projekt wurde nicht nur Wissen vermittelt und Vorurteile abgebaut, sondern auch praktisch eingeübt, wie man sich verhalten kann um gefährliche Situationen zu vermeiden.“ Die Leute „rannten uns die Bude ein“, schmunzelte Irene Diehl. Die Nachfrage war so groß, dass ein Zelt im Garten der FBS aufgestellt werden musste.

Kooperation mit CSH
Trotz dieses Erfolges sind die Angebote für Senioren heute eher überschaubar. Auch die Kultur wurde stark zurückgefahren, nachdem das Land 2000 das Weiterbildungsgesetz novelliert hat. „Was braucht Kirche? Was braucht die Kommune? Was will das Land?“, zählte Irene Diehl die unterschiedlichen Fragestellungen bei der Konzeption auf. Daraus ergeben sich dann verschiedene Folien, die, übereinander gelegt, zu den Angeboten der FBS führen. Oberstes Ziel dabei ist, sich an den Bedürfnissen und den gesellschaftlichen Herausforderungen der Menschen zu orientieren. Als Grundlage für viele niederschwellige Angebote dienen dabei die Statistiken der Stadt Köln. Daraus resultierte beispielsweise das Müttercafé mit der Gruppe „Das erste Lebensjahr“, das die Familienbildungsstätte im vergangenen Jahr für die Außenstelle der Christlichen Sozialhilfe (CSH) in Mülheim entwickelt und eingeführt hat. „Da gibt es viele muslimische Mütter, für die wir einen Ort anbieten wollten als Anlaufstelle für die vielen Fragen und Unsicherheiten, die sich nach der Geburt eines Kindes ergeben. “ Ein wichtiger Aspekt: Defizite oder Probleme bei den Kindern können schon früh festgestellt und entsprechende Hilfsangebote vermittelt werden. Die Nachfrage ist riesig, das Projekt ein voller Erfolg. Es diente auch als Erfahrungsfeld für das neue, stadtweite Projekt „Kinder Willkommen“ (KiWi), das ab Sommer von sieben verschiedenen Trägern durchgeführt wird. „Wir freuen uns sehr, dass wir den Innenstadtbereich bekommen haben“, sagte Irene Diehl, „17 ehrenamtliche Helfer haben wir bereits gewonnen.“

Aufbau von Familienzentren
In die ähnliche Richtung zielen die neuen Familienzentren, die derzeit stadtweit ins Leben gerufen werden. Auch hier ist die FBS aktiv. Viele Kindertagesstätten haben bereits das Gütesiegel erhalten, oder sind auf dem Weg dahin. Die FBS ist mit Elternkompetenzkursen in 15 Einrichtungen aktiv und führt seit einigen Jahren auch die Qualifizierung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Kooperation mit der Diakonie in Köln durch. „Das ist ein wirklich großes Ding“, sagte Irene Diehl nicht ohne Stolz.

Angebote in allen vier Kirchenkreisen
Mit ihren Angeboten ist die FBS aber nicht auf das Stammhaus am Kartäuserwall beschränkt. Seit mehr als fünf Jahren ist sie mit einem Regelangebot an 30 bis 40 verschiedenen Orten in allen Kirchenkreisen vertreten. „Oft bilden wir auch vor Ort interessierte Menschen aus, die dann selbstständig Gruppen leiten können.“ Dazu hat jede Gemeinde die Möglichkeit, für sie interessante Veranstaltungen zu buchen, die dann vor Ort durchgeführt werden. „Wie im Otto-Katalog“, so Diehl lachend, können die Themen ausgesucht werden. Damit erfüllt die FBS den selbst gestellten Anspruch, für alle interessierten Menschen im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region erreichbar zu sein.

Freude an der Arbeit vermitteln
Dass es sich um eine evangelische Familienbildungsstätte handelt, ist für Irene Diehl selbstverständlich. „Das ist das Fundament, auf dem wir stehen.“ Taufgespräche, religionspädagogische Angebote und theologische Arbeitstage stützen den evangelischen Aspekt, der ansonsten aber nicht ständig thematisiert werden muss. Wie gesagt, eine Selbstverständlichkeit. Für die Zukunft der Familienbildungsstätte wünscht sich Irene Diehl, dass die Freude an der Arbeit, die alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, erhalten bleibt. „Das ist das Pfund, mit dem wir wuchern können.“ Ihr Nachfolger wird ihr bisheriger Stellvertreter Wolfgang Wirtz. Auch unter seiner Leitung soll der Geist der Arbeit erhalten bleiben, den Irene Diehl so charakterisiert: „Wir arbeiten uns schlapp, aber wir lachen uns auch schlapp!“

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Jörg Fleischer