You are currently viewing 111 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Köln-Lindenthal: Unter anderem erinnerte eine Fahrrad-Sternfahrt an die Geschichte der „Töchter und Mütter“ dieser Gemeinde

111 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Köln-Lindenthal: Unter anderem erinnerte eine Fahrrad-Sternfahrt an die Geschichte der „Töchter und Mütter“ dieser Gemeinde

Gemeinde-Jubiläen gibt es viele. Doch selten wird das 111-jährige Bestehen einer Gemeinde gefeiert. Eine nette Idee. In und um Köln herum kommt es zwar häufig vor, dass Firmen, Vereine und andere Einrichtungen ihren 11. oder 111. „Geburtstag“, respektive andere „Schnapszahlen“ besonders begehen. Indes, soweit bekannt, ist eine Kirchengemeinde noch nicht unter denjenigen zu finden, die dieser speziellen Zahlenkombination größere Aufmerksamkeit geschenkt hat. Das hat die Evangelische Kirchengemeinde Köln-Lindenthal nun getan. Die Geschichte vieler evangelischer Gemeinden handelt von Teilungen und Zusammenschlüssen. Doch nur selten sind Töchter- und Muttergemeinden räumlich so weit verstreut wie im Fall von Lindenthal, wo sich der Bogen aus dem recht zentral gelegenen „Veedel“ im Kölner Süden über den westlichen Stadttteil Braunsfeld bis nach Hürth spannt.
All das inspirierte die Gemeinde Lindenthal zu einer Vielzahl an originellen Ideen und Aktionen, um ihr „Schnapszahl-Jubiläum“ zu feiern. Die Idee zum Fahrrad-Gottesdienst stammt von Armin Beuscher, Pfarrer an der Lindenthaler Matthäuskirche: „Die ursprüngliche Gemeinde Lindenthal hat – uns eingeschlossen – vier Töchter. Auf diesen Ursprung und die Entwicklung wollten wir symbolisch aufmerksam machen“, begründet Beuscher die Idee zu einer Sternfahrt per Fahrrad. Bei seinen Kolleginnen und Kollegen war er damit auf große Resonanz gestoßen. „Sie fanden das ganz schön, haben versucht, die jeweiligen Gottesdienstermine anzupassen.“ So gelang das Unternehmen: An einem schönen Spätsommertag trafen sich Söhne und Töchter aus den „versprengten“ Gemeindeteilen nach einer Fahrradfahrt zum gemeinsamen Gottesdienst.

Über drei Kirchenkreise „verstreute Töchter“
Bemerkenswert findet Beuscher auch, dass die vier Töchter heute drei verschiedenen Kirchenkreisen angehörten: Den Evangelischen Kirchenkreisen Köln-Mitte, -Süd und -Nord. „Das bedingt leider, dass man wenig voneinander mitbekommt.“ Mit der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche hatte Beuscher die jüngste der Lindenthaler Kirchen als Ziel- und Gottesdienst-Ort der Sternfahrt gewählt. Aus zwei Gründen: „Sie liegt nah am Grüngürtel, ist von allen Seiten mit dem Fahrrad schöner und sicherer zu erreichen als Paul-Gerhardt- oder Matthäuskirche. Zweitens wollten wir den Eindruck vermeiden, als wollten die Lindenthaler die anderen Gemeinden vereinnahmen. Statt dessen verdeutlichen wir, dass wir alle Töchter sind.“

Zur Geschichte
Durch Auspfarrung verlor die Evangelische Kirchengemeinde Köln-Lindenthal 1950 den Bezirk Braunsfeld an die Evangelische Clarenbach-Kirchengemeinde Köln-Braunsfeld, wobei der nördlich der Dürener Straße gelegene Teil 1967 zurück an die Mutter-Gemeinde fiel. 1957 wurde der Lindenthaler Bezirk Efferen/Stotzheim an die Evangelische Kirchengemeinde Hürth abgegeben. Heute gehören beide Orte zur Evangelischen Matthäus-Kirchengemeinde Hürth. Schließlich ging 1968 durch Teilung der Lindenthaler Gemeinde die Evangelische Kirchengemeinde Köln-Klettenberg hervor. An diese Geschichte der Gemeinde Lindenthals erinnerten nun die beteiligten Kirchengemeinden mit einer Fahrrad-Sternfahrt. Der erste von zwei Startorten war das Tersteegenhaus in Klettenberg. Von dort fuhren die rund zwanzig Teilnehmenden zur Friedenskirche nach Hürth-Efferen. Nach einer kleinen Andacht setzte die Gruppe, um einige Mitradler ergänzt, ihre Tour durch den Grüngürtel Richtung Dietrich-Bonhoeffer-Kirche fort. Die Lindenthaler Predigtstätte war auch das Ziel von fast vierzig radelnden Braunsfeldern. Sie gelangten nach einem Impuls in der Clarenbachkirche durch den Stadtwald zur Dietrich-Bonhoeffer-Kirche, wo man gemeinsam Gottesdienst hielt und ein Mittagessen einnahm.

Variationen der Zahl 111
Anlass, wie erwähnt, war das 111-jährige Bestehen der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Lindenthal. Und das hat weit mehr als nur „spielerische“ Gründe: Am 1. April 1898 durch Teilung aus der Evangelischen Gemeinde Köln und der Evangelischen Kirchengemeinde Ehrenfeld hervorgegangen, besteht sie jetzt 111 Jahre. Zur Vorbereitung des „Jubiläums“ waren Ende 2008 die einzelnen Gemeindegruppen eingeladen, in einem Workshop unter Leitung von Pfarrer i.R. Hansjochen Steinbrecher ein Programm mit zu entwickeln und zu organisieren. „Nach einem von zahlreichen Menschen mitgetragenen Prozess sind wir das Jahr mit vielen freien Ideen angegangen“, so Beuscher. Vorschläge gab es also reichlich. Die meisten waren aus unterschiedlichen Gründen (noch) nicht zu realisieren. Darunter sehr interessant klingende Projekte, wie „111 Patenschaften für Einsame und Alte“, „111 Sünden beichten“, „111 Fettnäpfchen in der Kirche“ oder der Gesang von „111 Tenören“.

Stattgefunden haben jedoch ein Konzert des Posaunenchores, der „Musik aus 111 Jahren“ bot. Beim Orgelfest erklangen nicht nur mehr als 111 Pfeifen. Es sangen zudem „111 Musifanten“, wobei der von Pfarrer i.R. Helmut Spengler geleitete Kinderchor der Gemeinde um Schülerinnen und Schüler der Grundschulen Bachemer Straße und Lindenburger Allee ergänzt wurde. Ob an diesem Tag auch exakt 111 Spenden für die vom Presbyterium beschlossene neue Orgel eingingen, ist unbekannt. Noch 2009 soll sie in Auftrag gegeben, 2012/13 aufgebaut werden.

Beim Decksteiner Straßenfest stellte die Gemeinde eine kleine, von Pfarrer Steinbrecher konzipierte Publikation vor, die 111 Sehenswürdigkeiten in Lindenthal in Bild und Kurztext auflistet. Zugleich ließen Kinder 111 Luftballons steigen. Die bestätigten weitesten Flüge gingen bis ins Bergische Land. „Genau elf Karten mit den Absendernamen, das stimmt wirklich, sind an uns zurück geschickt worden“, erzählt Beuscher.

Eigens zum Jubiläum hat die Gemeinde einen Orden aufgelegt. Als Motiv trägt er das ursprünglich von Ruth Werner für den Familientreff kreierte Logo, das von ihr und anderen Frauen für den Anlass umgestaltet wurde. „Jeder der Orden ist handgefertigt und ein Unikat“, betont Beuscher. Erstmals verliehen wurde das runde Ehrenzeichen während des Karnevalsgottesdienstes in der Matthäuskirche. Gedacht ist es als ein „Dankeschön“. „Wir möchten damit den Gruppen unserer Gemeinde für ihr Engagement danken, stellvertretend den Gruppenleitenden oder anderen in den jeweiligen Gruppen in besonderer Weise aktiven Menschen“, erläutert Beuscher.

Mit seinem Pfarrer-Kollegen Friedhelm Quade organisierte Beuscher auch eine gut angenommene Rad-Führung durch Lindenthal, mit Blick auf die evangelische Geschichte und Einrichtungen im Stadtteil.

Was noch kommt
Zwei Programmpunkte stehen noch an: Am 4. Oktober findet um 10 Uhr zum ersten Mal ein Begrüßungsabend und -gottesdienst für alle neuen Gemeindemitglieder statt – wer noch keine Einladung hat, kann sich gern mit dem Gemeindeamt in Verbindung setzen: gb-lindenthal@kirche-koeln.de
Am 1. 11., 10 Uhr, wird das Jubiläumsprogramm mit einem Gottesdienst in der Paul-Gerhardt-Kirche beschlossen. Darin wollen unter anderem möglichst viele der am Jahresprogramm beteiligten Gemeindegruppen mit den Besuchenden ins Gespräch kommen. Neben Armnin Beuscher werden Edzard Hüneke von den Wise Guys und Peter Paul an der Gestaltung dieses Gottesdienstes mitwirken.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich