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Von Köln nach Berlin: Pfarrer Dr. Bertold Höcker wurde in der Kölner Antoniterkirche verabschiedet

Dr. Bertold Höcker war fünf Jahre lang Citykirchenpfarrer an der Antoniterkirche. Mitte des Monats Oktober verlässt er Köln und tritt eine neue Stelle als Superintendent in Berlin an. Stadtsuperintendent Rolf Domning verabschiedete Höcker während eines Gottesdienstes zum Erntedankfest in der Antoniterkirche. Er habe die gemeinsame Zeit als „große Bereicherung“ empfunden, sagte der Stadtsuperintendent: „Pfarrer Höcker hat sich mit ganzem Herzen und viel Kreativität für diese Kirche und ihre Menschen eingesetzt“. Am 19. Oktober fährt der Umzugswagen vor, am 1. November tritt Höcker die neue Stelle in Berlin-Mitte an. Anlässlich seiner Verabschiedung hat Stefan Rahmann mit dem scheidenden Pfarrer ein Interview geführt.

Herr Dr. Höcker, es warten große Aufgaben auf Sie.
Höcker:
Ich werde Superintendent im Evangelischen Kirchenkreis Berlin Stadtmitte. Ich stehe dort einem Kirchenkreis mit 200.000 Protestanten vor. Dort gibt es 42 Gemeinden, 70 Kirchgebäude, 90 Pfarrer und 4000 Mitarbeitende. Zum Kirchenkreis gehören die französische Friedrichstadtkirche auf dem Gendarmenmarkt und der Berliner Dom, die Kirche der Bundesregierung, in der ich auch Gottesdienste feiern werde. Der Dom ist ja protestantisch, im Unterschied zu hier. Überhaupt ist der Anteil der Katholischen in Berlin eher marginal. Meine Kirche ist die St.-Marien-Kirche am Alexanderplatz im Schatten des Fernsehturms, direkt vor dem Roten Rathaus. In der Kirche hängen übrigens 500 Bilder.

Warum heißt eine protestantische Kirche St. Marien?
Höcker:
Fast alle evangelischen Kirchen außerhalb von Köln heißen Sankt. Nur in Köln nicht. Hier definiert sich die protestantische Identität ja sowieso häufig dadurch, dass man vor allem anders ist als die Katholiken.

Werden Sie Köln vermissen?
Höcker:
Vermissen werde ich mein Team. Ansonsten war meine Arbeit hier nicht immer leicht. Man hat mir oft Knüppel zwischen die Beine geworfen, etwa bei meinen Versuchen, über Fundraising Geld für die Citykirchenarbeit zu generieren. Wir müssen im Umgang mit den uns anvertrauten Geldern wirtschaftlicher zu denken lernen. Bestimmte Bereiche der kirchlichen Arbeit müssen wie wirtschaftliche Einheiten, zum Beispiel als GmbHs geführt werden. Viele denken immer noch, das Geld müsse doch da sein. Das stimmt nicht mehr. Nehmen Sie als Beispiel die Stadtführungen unserer AntoniterCityTours. Die werfen mittlerweile Gewinn ab und schärfen das protestantische Profil in der Stadt auf hohem Niveau. Kaufbare Angebote an Sinnartikeln sind wichtig. Darüber hinaus bieten wir ein buchbares Angebot mit evangeliumsorientierten Inhalten für Berufstätige. Wir schulen zum Beispiel Rechtsanwälte im Umgang mit schwierigen Menschen. Ein großer Erfolg waren unsere Kurse zur Persönlichkeitsentwicklung. Auch die hatten ein ausgeprägt evangelisches Profil. Eines unserer Leitbilder ist die Gottesebenbildlichkeit des Menschen, der frei ist und mit der Angst vor der Freiheit kreativ umgehen soll. Niemand ist gerne frei. Leichter ist es, die Verantwortung abzugeben. Bei den Katholiken regelt das im Zweifel alles die Mutter Kirche. Protestantisch sein heißt auch, Probleme zu kommunizieren und so Wege zu finden, sie zu lösen. Wir fragen nicht: „Warum hat man uns mit diesem oder jenem noch nicht vertraut gemacht?“ Wir sagen: Ich will was wissen! Das ist Religionsvermittlung mit einem ganz konkreten Lebensbezug. Das Selbstwertgefühl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist die zentrale Kategorie. Selbstbewusstsein haben alle. Authentisch sollen sie sein. Und dabei geht es nicht um die schrankenlose Umsetzung eigener Emotionen, wie sie in den 70er Jahren propagiert wurde nach dem Motto „Ich bin jetzt so, und ihr müsst das aushalten“. Ziel war, die Person mit den Rollenerwartungen, die an sie gestellt werden, in Deckung zu bringen. Wobei in der katholischen Kirche der Rollendruck viel größer ist als bei uns. Im Protestantismus spielt die Individualität eine viel größere Rolle.

Werden diese Kurse weitergeführt?
Höcker:
Ich habe Leute für diese Aufgaben ausgebildet. Das war mir sehr wichtig. Sowohl für die Persönlichkeitsentwicklungs-Kurse wie in den liturgischen Laien-Ämtern und der Leitung der Choralschola stehen Menschen bereit. Und auch die Stellenausschreibung der Gemeinde für meine Nachfolge setzt auf Kontinuität.

Was bleibt noch nach fünf Jahren Arbeit in Köln?
Höcker:
Wir haben hier ein vielfältiges Gottesdienst-Angebot geschaffen. Übrigens an allen Sonntagen und allen evangelischen Feiertagen. Das ist kölnweit einmalig. Dann sind da noch die Glaubenskurse. Gemäß dem Schleiermacher-Wort „Religion gründet nicht auf die Vernunft, verlangt aber auch nichts Unvernünftiges“ haben wir anspruchsvolle Inhalte vermittelt. Das war sehr spannend. Niedrigschwellig ist in der AntoniterCityKirche die Zehn-Minuten-Andacht. „Kirche(n) am Neumarkt“ ist ein sehr wichtiges Projekt. Unter diesem Begriff haben sich in ökumenischer Verbundenheit die katholischen und evangelischen Gemeinden am Neumarkt in Köln (Antoniterkirche, St. Aposteln, St. Peter) zu gemeinsamer Arbeit verabredet. Unser Leitwort ist: Wir tun nichts, was die Kirchenleitungen verbieten. Ansonsten tun wir alles. Die Zusamenarbeit klappt gut. Wir haben mit dem Stanton das Café, mit dem wir in der Gemeindearbeit kooperieren, das wir beispielsweise für Zusammenkünfte mit Bewirtung nutzen. Daneben können wir uns im Rahmen der „Kirche(n) am Neumarkt“ mit der Kunst in St. Peter schmücken. Und was die Ökumene allgemein angeht: Die Frage „Sind Sie Protestant oder Katholik?“ ist nur noch wichtig für Menschen über 50. Darüber hinaus haben wir den Dialog mit den Muslimen intensiviert. Im kommenden Jahr wird es wieder eine Veranstaltung mit der Ditib in St. Aposteln geben. Unsere Gottesdienste für Unbedachte, also Menschen, die vom Ordnungsamt der Stadt Köln ohne Trauerfeier bestattet werden, in Kooperation mit der Stadt Köln und dem Bestatterverand werden bundesweit kopiert. Ich bin auch froh, dass wir die Gottesdienste für Schwulen und Lesben – auch katholische – aus dem Status der Besonderheit in den Status des Normalen überführt haben. Ich bin dankbar mit meinem Team, eine starke und attraktive Kirche im Zentrum Kölns aufgebaut zu haben und eine lebendige, protestantische Gemeinde zu hinterlassen.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Rahmann