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Wollen Sie ’n Bier? Kabarettist Jürgen Becker verteilte Freibier – zugunsten der Nostra Verbund-Werkstatt

„Dann wollen wir uns mal einen schönen Abend machen“, begrüßte Jürgen Becker die rund 480 Zuschauer im gut besetzten Saal des Porzer Rathauses, in dem die Kölsch-Rock-Band „Us d’r Fazung“ vorher klar gemacht hatte, dass nicht nur Weihnachten vor der Türe steht, sondern auch die Karnevals-Session in vollem Gange ist.

7.000 Euro für Nostra
Ein schöner Abend wurde es dann auch. Für das begeisterte Publikum, vor allem aber für die Nostra Verbund-Werkstatt GmbH. Rund 7.000 Euro konnte das wohl größte Integrationsunternehmen in Nordrhein-Westfalen für neue Projekte verbuchen. „Wir werden die Gelder unter anderem für unser neues Projekt in Bogota einsetzen“, kommentierte Nostra-Geschäftsführer Harald Lindlar den Erfolg. In der kolumbianischen Metropole fertigen ausgestiegene Prostituierte Arbeits- und Schutzkleidung für angemessene Löhne. Den Vertrieb der Kleidung übernimmt die Nostra. Die Nostra – Hauptgesellschafter ist der Diakonieverein – beschäftigt über 120 Menschen. Menschen mit und ohne Behinderungen oder sozial benachteiligte Menschen aus 18 Nationen arbeiten hier zusammen. Zu tariflichen Löhnen, also angelehnt an die Wettbewerbsbedingungen auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Benachteiligte Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren
Ziel ist es, benachteiligten Menschen eine Chance zu geben, in den regulären Arbeitsmarkt integriert zu werden. Die Tätigkeitsfelder der Nostra sind neben Vertrieb auch Montage-, Schlosser- und Verpackungsarbeiten. Unterstützung kommt vom Evangelischen Stadtkirchenverband Köln, von einigen Kirchengemeinden und dem Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch. Als weiterer Gesellschafter fungiert der Caritasverein. Aber auch viele Privatpersonen unterstützen die Nostra. Wie Jürgen Becker.

Seit sieben Jahren fühlt sich Becker der „Nostra“ eng verbunden. „Ich sehe meinen Beitrag als eine Art selektive Kirchensteuer“, so der Kabarettist, der keiner Konfession angehört. Er wolle „dieses Projekt vorbehaltlos unterstützen“, denn „das Schlimmste“ sei, „in der Gesellschaft keinen Platz zu finden.“ Und hier arbeitet die Nostra erfolgreich: „Rund 30 Prozent unserer Mitarbeiter haben einen Arbeitsplatz gefunden“, beschreibt Karl Schick, Pfarrer und Stadtsuperintendent im Ruhestand, die Erfolgsbilanz. „Darauf sind wir stolz“, so Schick, der sich ehrenamtlich für Nostra einsetzt.

Integration, Aachener Printen, Luther und Freibier
Das Thema Integration fügte Becker dann auch in sein aktuelles Programm über den „rheinischen Kapitalismus“ ein. Nein, nicht die Nostra, die GEW sei wohl das größte Integrationsunternehmen in NRW und spielte auf die 60.000-Euro-Affäre des CDU-Mannes Hans-Josef Arentz an: „Der muss doch auch integriert werden.“ Auch die Supermacht USA bekam in dem rund 2½-stündigen kurzweiligen Programm ihr Fett weg: „Im Irak führt der Ami die Demokratie ein. Wenn es klappt, dann macht er es zu Hause auch.“ Nachdem er definitorisch das Rheinland bis nach Skandinavien erweiterte („der Rhein fließt ja in der Nordsee weiter – nur halt ohne Ufer“), stellte er mit dem Gassenhauer „Drink doch ene mit“ die Philosophie des rheinischen Kapitalismus der Maxime „Leistung muss sich wieder lohnen“ gegenüber. Singfreudig und textsicher stimmten die Porzer ein. Nach Exkursen in die Sozialpolitik („Der Ulla Schmidt hängen die Aachener Printen doch noch im Hals“) und einem erneuten Hieb auf George W. Bush („Der ist im Suff zum christlichen Fundamentalismus konvertiert.“) ging es um die Verbindung von kapitalistischen Systemen und deren religiösen Grundlagen: Von der Vertreibung aus dem Paradies kam er über Franz von Assisi zu Martin Luther, den die Kölner wohl nicht verstanden hätten: Nicht 95 Tresen habe er gemeint, 95 Thesen habe er angeschlagen. Nach einem Ausflug zum Konstanzer Konzil (414 – 418) kam dann auch noch der Papst dran: „Der kann ja gar nicht zurücktreten, der kommt ja noch nicht mal voran.“ Mit den Worten „Wollen Sie ’n Bier?“ beendete ein gut gelaunter Becker die Show und betätigte sich kurzerhand als Köbes für frisch gezapftes Freibier.

    

Text: Klaus Pehle
Foto(s): Hajo Peters/bildkorn