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„Wir haben noch kein Angebot der Gemeinde aus finanziellen Gründen aufgeben müssen“ – In Raderthal wurde frühzeitig mit Gründung eines Fördervereins vorgesorgt

„Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not.“ Diese alte Weisheit ist in den Jahren des Überflusses etwas in Vergessenheit geraten. Die Evangelische Philippus-Kirchengemeinde Köln-Raderthal hat sie aber schon vor 13 Jahren beherzigt – und fährt damit sehr gut. Die Gründung des Fördervereins 1995 und die Einrichtung einer Stiftung 2005 haben dazu geführt, dass sinkende Einnahmen aus Kirchensteuern die Gemeinde nicht in Schieflage gebracht haben. „Wir haben noch kein Angebot der Gemeinde aus finanziellen Gründen aufgeben müssen“, betonte Hans-Gert Bieler, Vorsitzender des Fördervereins.

Vorausschauende Maßnahme
1995 handelten die Raderthaler Protestanten vorausschauend, als sie den Förderverein ins Leben riefen. „Es war damals schon absehbar, dass die Kirchensteuereinnahmen zurückgehen würden. Wir wollten mit dem Verein ein Instrument zur Finanzierung haben und schon mal damit üben“, beschrieb Bieler die Gedanken von damals. Und um interessierten Spenderinnen und Spendern auch bei größeren Summen ein auch steuerlich interessantes Angebot machen zu können, kam die Idee einer Stiftung auf. 2005 haben wir mit den Überlegungen dazu begonnen“, erzählte Frank Koppitz, Vorsitzender des Stiftungsrates. Der Hintergrund war damals, dass die Zuwendungen für eine Stiftungen in höherem Maße steuerlich absetzbar waren als bei einem Förderverein. So wurde eine so genannte „unselbstständige Stiftung“ unter dem Dach der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) gegründet. „Das hatte den Vorteil, dass wir einen geringeren Grundstock aufbringen mussten“, erklärte Bieler, der auch Mitglied im Stiftungsrat ist. 10 000 Euro waren es, die aus Gemeindereserven stammten und als Grundstock für die Stiftung genutzt wurden. Die Aufsicht liegt bei der EKiR – „was das Vertrauen in so eine Stiftung stärkt“, sagte Bieler – die Entscheidung, wie die Gelder verwendet werden, treffe aber der Stiftungsrat. Und in dem sitzen, wie auch beim Förderverein, Mitglieder des Presbyteriums.

Stiftung mit kleinem Grundstock
Bis die Stiftung allerdings so richtig ins Laufen kam, änderte die Bundesregierung die Steuergesetze dahingehend, dass Spenden allgemein im größeren Stil steuerlich absetzbar sind. „Die Stiftung wurde daraufhin weniger interessant“, zuckt Koppitz mit den Schultern. Der Grundstock ist seitdem nicht mehr gewachsen, die Zinserträge, mit denen der Stiftungsrat arbeiten kann, sind daher nur gering. „Aber wir haben sie, und vielleicht möchte ja doch noch mal jemand ein paar Millionen Euro vor habgierigen Verwandten in Sicherheit bringen“, schmunzelt Bieler.

Keine Konkurrenz durch verschiedene Sammelformen
Überhaupt seien die beiden Instrumente Förderverein und Stiftung nicht die einzigen Möglichkeiten, die Gemeinde finanziell zu unterstützen. „Wir haben nach wie vor das allgemeine Spendenkonto der Gemeinde, es gibt die Weihnachtssammlung und die Kollekten nach den Gottesdiensten“, zählte Bieler auf. Ebenso setzen sich Eltern sehr für den Erhalt der Kinder-Tagestätte mit einem separaten Förderverein ein. Auch der Christliche Verein Junger Menschen (CVJM) Köln-Süd sei sehr engagiert und sammle Spenden für Gemeindezwecke. „Wichtig ist, dass jede und jeder eine für sie oder ihn passende Möglichkeit und einen genehmen Zweck zum Spenden hat“, sagte Koppitz. Und: „Die verschiedenen Formen machen sich nicht gegenseitig Konkurrenz“, betonte Bieler. Im Gegenteil, die Spendenbereitschaft sei so gut, dass mit den freiwilligen Abgaben über alle Spendenarten mittlerweile ein Drittel des Gemeindehaushaltes abgedeckt werde.

Spendenbereitschaft durch Identifikation mit Projekten
„Wenn die Sinnhaftigkeit gegeben ist und vernünftige Zwecke vorgegeben werden, ist es nicht schwierig, an Spenden zu kommen“, definiert Bieler die Grundlagen kirchlichen Fundraisings. Die Spendenbereitschaft in Raderthal sei sehr hoch, obwohl die Philippus-Kirchengemeinde mit rund 2.000 Gemeindegliedern eher klein sei. Aber „die Gemeinde strahlt nach außen“, so Bieler: „Viele Menschen, die unsere Angebote nutzen, sind nicht Mitglied der Gemeinde.“ Sie erfahren vor allem durch das Internet von den Aktivitäten der Raderthaler Protestanten. Die haben sich die Verkündung von Gottes Wort als Schwerpunkt auf die Fahnen geschrieben, und unter diesem Blickpunkt werden auch die Projekte gefördert. „Das reicht von einer neuen Verstärkeranlage für Veranstaltungen bis hin zu Schulungen von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, zählt Bieler auf.

Jugendpfarrer wird komplett durch Spenden finanziert
Ein großer Posten, für den die Spenden regelmäßig verwendet werden, ist die Arbeitsstelle eines Jugendpfarrers. „Der wird komplett durch freiwillige Abgaben bezahlt“, erklärt Koppitz. Bei dem Jugendpfarrer oder der Jugendpfarrerin handele es sich um keinen Volltheologen, sondern um einen Geistlichen mit kürzerer Ausbildung, der danach eine Art Referendariat in einer Gemeinde absolviert und dort zwei bis drei Jahre bleibt. Zurzeit teilt sich in Raderthal das Ehepaar Esther und Chris Trieb diese Stelle, „flippige Typen“, wie Bieler und Koppitz meinen, die die Sprache der Jugendlichen sprechen und sie mit ungewöhnlichen Mitteln für die Kirche begeistern können. „Die Entscheidung, diese Stelle durch Spenden zu finanzieren, wurde durch ein Mitgliedervotum getroffen“, erzählt Bieler. Bei kleineren Projekten entscheidet der Vorstand des Fördervereins. Aber der Zweck überzeugt viele: „Für den Jugendpfarrer haben wir Spenden von Leuten bekommen, die wir vorher noch auf keiner Liste hatten“, staunt Koppitz. Fazit für die beiden „Fundraiser“ der Gemeinde: Wenn die Menschen sich mit Projekten und Vorhaben identifizieren können, sind sie gerne bereit zu spenden.

Aktive Gemeinde
Doch auch sonst ist die Gemeinde an vielen „Fronten“ höchst aktiv – etwa bei den Tauferinnerungsgottesdiensten: „Weil Kinder, die als Säuglinge getauft wurden, sich an dieses wichtige Ereignis nicht erinnern können, bieten wir in der Gemeinde seit Jahren besondere Gottesdienste an, die diesen Kindern ihr Getauftsein nahe bringen wollen.“

Oder beim regelmäßigen gemeinsamen Kochen und Essen nach dem Gottesdienst…

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Evangelische Philippus-Kirchengemeinde Köln-Raderthal