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Wenn das soziale Klima wieder wärmer wird – Zehn Jahre „Kölsch Hätz“

Ein Modell feiert Geburtstag. Zehn Jahre gibt es jetzt die Nachbarschaftshilfe „Kölsch Hätz“, die zurzeit in fünf Stadtteilen aktiv ist. Menschliche Nähe, Zuwendung und Unterstützung – „Kölsch Hätz“ ist für viele Menschen eine Bereicherung, sowohl auf der Seite derer, die sich ehrenamtlich engagieren als auch auf der Seite derer, die die Hilfe in Anspruch nehmen. Zum runden Geburtstag diskutierten Sozialdezernentin Marlis Bredehorst, Gerhard Bachmann, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Köln, Caritas-Direktor Franz Decker, Mitgründerin Gabriele Vollrodt und Professor Dr. Bruno Nikles von der Universität Duisburg/Essen im Domforum über die Notwendigkeit, die Chancen und die weiteren Möglichkeiten einer engagierten Nachbarschaftshilfe.


Gegengewicht gegen Isolation und Vereinsamung
Die Isolation in der Gesellschaft nimmt immer weiter zu. „Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer, viele Menschen leben alleine“, diagnostizierte Marlis Bredehorst. Ein Trend, der schon seit vielen Jahren zu beobachten ist, und der 1995 engagierte Menschen in Niehl, Mauenheim und Weidenpesch dazu bewegte, ein Gegengewicht zu schaffen. „Damals ging es uns vor allem um die älteren Menschen. Viele hatten kaum Kontakte zu ihrer Umwelt“, erzählte Gabriele Vollrodt. Also setzten sich Bewohner aus den Stadtteilen mit Vertretern der evangelischen und katholischen Gemeinden, des Familien- und Krankenpflegevereins Köln-Niehl-Weidenpesch sowie des Caritasverbandes zusammen und berieten über Alternativen. Das Ergebnis war die Nachbarschaftshilfe „Kölsch Hätz“, die im Juni 1997 an den Start ging. Ehrenamtler aus dem Veedel, denen das soziale Klima ein Anliegen ist, wurden mit älteren Menschen zusammengebracht, die Unterstützung und Zuwendung brauchen. Hilfe im Haushalt, Begleitung bei Spaziergängen oder einfach nur ein entspanntes Gespräch – das waren und sind die Haupttätigkeiten.

Nachbarschaftshilfe ist in fünf Stadtteilen aktiv
Schnell hat sich „Kölsch Hätz“ zu einem erfolgreichen Modell entwickelt. Nach den positiven Erfahrungen in Niehl, Mauenheim und Weidenpesch folgten weitere Gruppen. Seit 2005 gibt es „Kölsch Hätz“ auch in Mülheim, 2006 kam Poll hinzu. Und in diesem Jahr folgten Gruppen in Sülz und Klettenberg sowie in Buchheim und Buchforst. Immer waren es Menschen vor Ort, die das Heft in die Hand nahmen und sich für ein stärkeres Miteinander der Menschen engagierten. Eine Entwicklung, die für Professor Bruno Nikles zwingend notwendig ist. „Wir müssen die Sozialplanung wieder herunterbrechen auf die Veedel, um unsere Städte zu revitalisieren. Ein Stadtteil wird erst wieder zum Sozialraum, wenn die Menschen dort selbst ihr Umfeld gestalten, und nicht, weil sich dort große Wohlfahrtsverbände tummeln.“

Ehrenamt kostet auch Geld
Das ehrenamtliche Engagement der Menschen vor Ort kann natürlich kein Ersatz für die professionelle Hilfe und Betreuung sein. „Die Arbeit von ,Kölsch Hätz‘ ist eine Bereicherung, aber es ist nicht die Arbeit, die von Profis geleistet werden muss“, verneinte auch Marlis Bredehorst die Gleichung „Mehr ehrenamtliches Engagement gleich weniger staatlicher Einsatz“. Und klar ist auch: „Ehrenamtliches Engagement ist auch eine Frage des Geldes“, so Franz Decker. „Ehrenamt ist nicht zum Nulltarif zu haben“, ergänzte Gabriele Vollrodt. Die freiwilligen Helfer vor Ort brauchen eine professionelle Unterstützung. „Sie müssen Hilfe bei der Logistik haben. Wenn sie sich selbst mit zu viel Logistik beschäftigen müssen, verlieren sie schnell die Lust“, sagte Professor Bruno Nikles.

Bürgerschaftliches Engagement keine Frage der Religionszugehörigkeit
Die logistische Hilfe leisten der Caritasverband und das Diakonische Werk sowie die Gemeinden vor Ort. Das sind allerdings in der Hauptsache die katholischen Gemeinden. „Obwohl wir von der Diakonie die Nachbarschaftshilfe voll und ganz unterstützen, ist es uns nicht immer gelungen, in allen Gemeinden gleich stark an die Seite der katholischen Gemeinden zu stellen“, bedauerte Gerhard Bachmann. Die Frage des bürgerschaftlichen Engagements sei aber keine Frage der Religionszugehörigkeit. „Das Engagement an der Basis bedeutet auch viel für die Strukturen, in denen sich jede Kirche künftig bewegen wird.“ Und dieses Engagement bietet darüber hinaus auch die Möglichkeit, Menschen wieder an die Gemeinden heranzuführen, die bislang nicht so viel mit ihnen zu tun hatten. „Bei ,Kölsch Hätz‘ kommen immer wieder Leute zusammen, die so in den Gemeinden noch nicht aufgefallen sind. Das ist eine tolle Entwicklung“, freute sich Franz Decker.

Weiter entwickeln, aber nicht anpassen
Zehn Jahre erfolgreiche Arbeit machen natürlich Lust auf mehr. „Jetzt sind es fünf Stadtteile, ich stelle mir vor, dass wir 2009 vielleicht bei zehn Stadtteilen angekommen sind“, wagte Franz Decker einen optimistischen Ausblick. Dafür genügt es aber nicht, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. „Wir leben in einer Zeit, die sich ständig verändert. Auch ,Kölsch Hätz‘ muss sich verändern“, sagte Gabriele Vollrodt. Waren es in den Anfangstagen vor allem die älteren Menschen, die bei der Nachbarschaftshilfe im Mittelpunkt standen, so sind mit den Jahren auch Behinderte, Alleinerziehende oder Arbeitslose hinzugekommen. „Wir müssen den Blick offen halten. Das heißt aber nicht, dass wir uns anpassen müssen!“

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Jörg Fleischer