You are currently viewing „Wandrers Nachtlied“

„Wandrers Nachtlied“

Pfarrer Holger Evang-Lorenz hat sich zusammen mit Gunnar Evang, Hakan Ulus und dem Sänger David Graham mit den Aussagen von Thilo Sarrazin in besonderer Weise auseinandergesetzt. Er stellt fest: „In den unterschiedlichen Krankenhäusern (besonders in der Universitätsklinik Köln) arbeiten zahlreiche Menschen verschiedener nationaler Herkunft und verschiedener Glaubensüberzeugungen konstruktiv und in hohem gegenseitigen Respekt seit Jahrzehnten zusammen! Eine gemeinsame existenzielle Aufgabe ist offenbar der Schlüssel aller Integration – und nicht die Entwertung von Migrantinnen und Migranten.“ Deswegen soll jetzt das (neue) „Wandrers Nachtlied“ beim 5. Bonner Unternehmertag am Dienstag, 28. September, im Alten Wasserwerk in türkischer und deutscher Sprache aufgeführt werden. Thilo Sarrazin ist dort ebenfall anwesend.

Das multikulturelle Goethe-Projekt – die künstlerisch-kreative Antwort auf Sarazzin
Evang-Lorenz und das Projekt: „Es gibt weise Gedanken, die sind hilfreich für ein gutes Miteinander von Menschen verschiedener Herkunft in unserem Land. Und es gibt grobschlächtige Gedanken, die schüren Fremdenangst und Aggression, weil sie entwerten. Weil sie ganze Bevölkerungsgruppen als genetisch potenziell minderbegabt diffamieren oder missachtend als ‚Kopftuchträgerinnen‘ und deren ‚Produzenten‘ titulieren. Dazu gehören die sprachlichen Entgleisungen Thilo Sarrazins in den Diskussionen um sein Buch ‚Deutschland schafft sich ab‘. Solche Entwertungen von Menschen polarisieren und dividieren Immigranten und Einheimische gnadenlos auseinander. Sie behindern die Suche nach unseren Gemeinsamkeiten: nach Gedanken, Gefühlen und ethischen Werten, die uns einen. Eines von Thilo Sarrazins Schreckens-Szenarien lautet: In 120 Jahren kenne niemand mehr ‚Wandrers Nachtlied‘ von Johann Wolfgang von Goethe, weil dann über 70 Prozent der Menschen in Deutschland fremdländischer Herkunft und muslimischen Glaubens seien. Abgesehen davon, dass „Wandrers Nachtlied“ (wie viele andere wunderschöne Dichtungen auch) schon längst nicht mehr flächendeckend im lyrischen Gedächtnis von Bundesbürgerinnen und -bürgern beheimatet ist, gehören Thilo Sarrazins Prognosen hinsichtlich einer Bevölkerungszusammensetzung für ein Zeitfenster von 120 Jahren in das Reich der unwissenschaftlichen Fabeltheorien. Was hindert uns also daran, aus der Schreckensvision kultureller Vergesslichkeit eine wunderbare Zukunftsvision zu entwickeln? So entstand der Wunsch, „Wandrers Nachtlied“ neu zu vertonen, um es in deutscher und zunächst in türkischer Sprache zu singen und zu musizieren. Übersetzungen in andere Sprachen sind ausdrücklich erwünscht!“

Die Entstehung des Projekts:
Das Entstehungsteam: Pfarrer im Ruhestand, Holger Evang-Lorenz, und sein Lebenspartner Gunnar Evang (Köln): Die beiden evangelischen Theologen und Kirchenmusiker hatten die Idee zu dieser multikulturellen Vertonung und ersannen Melodie sowie Begleitfragmente für „Wandrers Nachtlied“. David Paul Graham, Komponist (Bonn): Dem in Stratford-upon-Avon geborenen britischen Komponisten, Kompositionslehrer und Musikpädagogen verdankt das Projekt das künstlerisch-kompositorische Gesamtkonzept, den Chorsatz sowie das okzidental-orientale Arrangement. Hakan Ulus (Salzburg): Der in Buxtehude geborene Kompositionsstudent übersetzte den Goethe-Text in die türkische Sprache und verlieh den Liedzeilen metrisch ihren glanzvollen Platz in diesem musikalischen Projekt. Die Aufführungsmöglichkeiten und -varianten:

1. Die erste Strophe in deutscher Sprache singen, die zweite in türkischer oder umgekehrt;
2. Eine mögliche dritte Strophe: Eine Zeile in deutscher, eine in türkischer Sprache singen, danach parallel den Gesamttext in beiden Sprachen;
3. Man kann nur die Melodie singen (z.B. nur Sopran für einen Kinderchor) oder beide Oberstimmen (Frauenchor) oder alle. Dabei singen zu Anfang entweder Tenor und Bass zusammen oder Bass wartet bis zu seinem Einsatz;
4. Man kann zusätzlich zum Klavier eine große türkische Rahmentrommel (Bendir) einbauen, dann stets mit einem durchgehend gleichbleibenden Rhythmus (der einfachen Ausführbarkeit halber z.B. Achtel [Düm], Viertel [Tek], Achtel [Tek], Viertel [Düm], Viertel [Tek]);
5. Mit dem Klavier oder auch statt des Klaviers könnte eine türkische Gitarre zum Einsatz kommen, die einfach die Melodie der Sänger oder etwa den Klavierpart mitspielt (dabei mit leichten, instrument-typischen Verzierungen).

Da das Notenschreibprogramm nicht die Möglichkeit bietet, das türkische i ohne Punkt zu setzen, hier der Text im Original:

Zirvelerin ötesinde
huzur var.
Dallar kımıldamaz
hele bir bak,
yok bir esinti.
Tüm kuÕlar susmuÕ, ormanda.
Bekle, pek yakında varacaksın
sende huzura.

Die Noten können als kostenlose pdf-Datei unter folgender Mailadresse bestellt werden: evanglorenz@netcologne.de

Text: EvangLorenz
Foto(s): Jörg Fleischer