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Vortrag im Martin-Luther-Haus in Köln-Bayenthal: „Wer hilft uns dabei, als Familie zu leben?“

Pfarrer Dr. Bernhard Seiger, Superintendent des Kirchenkreises Köln-Süd, lud zusammen mit Pastoralreferentin Angelika Bongartz, zuständig für die katholischen Pfarrgemeinden Köln am Südkreuz, in das Martin-Luther-Haus Köln-Bayenthal zum Austausch darüber ein, wie die evangelische und die katholische Kirche Familien in der heutigen Zeit wirksam unterstützen kann.

Als Referenten waren mit ihrer Expertise in Marienburg zu Gast: Ursula Dannhäuser von der Katholischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen und Wolfgang Wirtz, Leiter der Evangelischen Familienbildungsstätte Köln im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region.

Gewandelte Familienstrukturen schaffen räumliche Distanzen
In seinem Auftakt-Impuls führte Dr. Bernhard Seiger zum Thema der Veranstaltung hin, indem er die Veränderungen in der Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten in den Blick nahm. Familienstrukturen hätten sich in Deutschland gewandelt, die klassische Großfamilie sei weniger häufig zu finden. Manche junge Familie ziehe es, beruflich bedingt, in andere Städte, und so entstünden räumliche Distanzen zu den Herkunftsfamilien, zu Eltern, Schwiegereltern, Großeltern. Mit der Folge, dass die einst übliche Unterstützung und der Austausch, wie früher in den Großfamilien, heute nicht mehr selbstverständlich gegeben sei.

Interreligiöse Ehen regen Nachdenken über gemeinsame Werte an
Zur anschließenden Diskussion im Gesprächskreis hatte Seiger in Zusammenarbeit mit der Pastoralreferentin zwei Beispiele vorbereitet, die lebendig illustrierten, welchen Herausforderungen sich junge Familien heutzutage konkret stellen müssen.

1. Beispiel: Eine multikulturelle Familie mit deutscher Mutter und einem persisch-stämmigen Vater, die ein kleines Kind haben, lebt zusammen in Köln. Die Familie ist nach der Geburt des Kindes verstärkt auf der Suche nach einem neuen Rollenverständnis von Mann und Frau. Die Traditionen, welche die Mutter aus Deutschland und der Vater aus dem Iran kennen, werden jetzt für beide wichtiger, da sie ihrem Kind (ihre) Werte vermitteln möchten. Hier fallen die unterschiedlichen Glaubensrichtungen des Christentums und Islams jeweils ins Gewicht und gewinnen Bedeutung bei der gemeinsamen Suche nach einer religiösen Orientierung für die Familie. Welche Hilfestellung kann dieser Familie von Seiten der Kirchen in dem Fall gegeben werden?

2. Beispiel: Ein beruflich sehr engagiertes und erfolgreiches Paar lebte bis vor kurzem noch in getrennten Wohnungen in Bonn und Düsseldorf. Nun wird eine gemeinsame Wohnung in Köln bezogen, die geografische Mitte zwischen beiden Städten erscheint ihnen als gerechte und plausible Lösung. Nach kurzer Zeit aber stellt das Paar fest, dass beide – Mann und Frau – nur schwer einen persönlichen Bezug zur neuen Stadt aufbauen können, da sie ihren neuen urbanen Lebensmittelpunkt nicht mehr mit Familienangehörigen und Freunden teilen: Sie fühlen sich einfach nicht heimisch. Welche Hilfestellung kann diesem Paar gegeben werden?

Anregung zu gemeinsamen Lösungsideen – und ein Tipp vom Profi
Solchermaßen angeregt, fand die Runde gleich zu spontanen Ideen für pragmatische Lösungen: Freunde und Verwandte zu städteübergreifendem Austausch und Besuch motivieren, den guten Rat von Fachleuten in den Familienzentren einholen, Kontakt und Vernetzung durch neue Kontakte in Vereinen und Initiativen suchen und nicht zuletzt die unbedingte Priorität beruflichen Engagements hinterfragen und durch „Wertschätzung des Persönlichen“ aktiv der eigenen Vereinsamung entgegenwirken. Als Profi unter den Teilnehmenden hatte Wolfgang Wirtz einen originellen, aber durchaus ernst gemeinten Vorschlag aufzubieten: Die beiden Paare der von Seiger eingangs skizzierten Beispiele könnten sich ja einmal treffen, um sich auszutauschen. Eine Unterhaltung über die Probleme des Anderen könne stets spannend sein, den eigenen Blickwinkel erweitern und ermutigend wirken.

Katholische Beratungsstelle und Evangelische Familienbildungsstätte und ihre Profile
Im Anschluss erläuterten Wolfgang Wirtz und Ursula Dannhäuser die Arbeit der von ihnen geleiteten Einrichtungen in ihrem intensiven Kontakt zu Rat suchenden Familien. Dannhäuser ist Diplom-Psychologin und Systemische Familientherapeutin. Sie schildert, dass die Katholische Beratungsstelle bemüht sei, für alle Klienten zeitnah einen Beratungstermin zu vereinbaren, um ein erstes Gespräch führen und weitere Hilfemaßnahmen einleiten zu können. Nicht selten würden Familien durch tiefe Krisen infolge schwerer Schicksalsschläge begleitet, beispielsweise bei einer Scheidung oder beim Tod eines Kindes.

„Familien lernen mehr von anderen Familien
Diplom-Pädagoge Wirtz stellte die Evangelische Familienbildungsstätte als einen Ort der Begegnung vor: Neben Beratungsterminen und Fortbildungskursen finden hier auch offene Angebote statt. „Familien lernen mehr von anderen Familien und nicht so sehr von uns Fachleuten“, betont Wirtz. Aufgabe sei es vor allem, diese offenen Angebote zu moderieren, der Austausch der Familien untereinander helfe dann, die eigene Perspektive zu wechseln. Und den allzu selbstkritischen Gedanken: „Alle sind glücklich, nur wir schaffen es nicht!“ an der Realität anderer zu prüfen – dieser Satz werde dadurch entkräftet, und positive Gedanken könnten wieder Raum gewinnen. Schließlich könnten neue Familienstrukturen wie Patchwork-Familien oder auch Familien mit schwulen oder lesbischen Elternpaaren in ihrer Vielfältigkeit die Gesellschaft bereichern, zeigt sich Wirtz überzeugt.

„Die Informations- und Beratungsmöglichkeiten in Köln sind umfangreich“
Die Informations- und Beratungsmöglichkeiten in Köln sind umfangreich, das bestätigten auch die beiden eingeladenen konfessionellen Fachleute: Neben der Katholischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen und der Evangelischen Familienbildungsstätte Köln gibt es den Kinderschutzbund, das Amt für Kinder, Jugend und Familie und die städtische Familienberatung. Alle diese Einrichtungen bieten Informationsbroschüren an, auf ihren Internetseiten gibt es zudem eine Übersicht über die umfangreichen Kurse und Fortbildungen. Eine weitere Möglichkeit ist eine telefonische Beratung.

Weitere Veranstaltungen zum Thema „Familie“:

Leben als Single in unserer Zeit
Donnerstag, 22. Oktober, 20 Uhr
Pfarrer Klaus Eberhard (Evangelische Philippus-Kirchengemeinde Köln-Radethal)
Diakon Dr. Zenon Szelest (Pfarrgemeinden Köln am Südkreuz)
Ort: Gemeindehaus der Philippus-Kirche, Albert-Schweitzer-Straße 7, 50968 Köln

Passt das Familienbild der Kirche in das Familienbild der Zusammenlebenden?
Donnerstag, 5. November, 20 Uhr
Pfarrer Gerhard Johenneken (Evangelische Kirchengemeinde Köln-Zollstock)
Subsidiar Rainer Fischer (Pfarrgemeinden Köln am Südkreuz)
Ort: Melanchthonkirche, Breniger Straße 1, 50969 Köln

„Du sollst Vater und Mutter ehren!“ Generationenvertrag – Pflege – Betreuung
Donnerstag, 26. November, 20 Uhr
Parrer i. R. Reinhold Brahm (Evangelische Philippus-Kirchengemeinde Köln-Raderthal)
Pastoralreferentin Angelika Bongartz (Pfarrgemeinden Köln am Südkreuz)
Marita Scheres (Seniorennetzwerk Köln)
Ort: Pfarrzentrum St. Mariä Empfängnis, Raderberger Straße 199

Text: Alexandra Seiter
Foto(s): Alexandra Seiter