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„Sie haben nicht auf Sand gebaut“ – 750 Jahre nach der Grundsteinlegung zum heutigen Altenberger Dom informiert eine Ausstellung über mittelalterliches Bauen

Nicht der legendäre Esel, sondern ein unbekannter Baumeister bestimmte um 1145 den „einwandfrei gegründeten“ Standort für das neue Kloster der Altenberger Zisterziensermönche. Wenige Jahre zuvor, 1133, hatte eine kleine Mönchsgemeinschaft zunächst die hoch gelegene Stammburg der Grafen von Berg bezogen. Nun sollte im Talgrund der Dhünn eine großzügigere Anlage entstehen. Darin errichtete man auch eine erste Klosterkirche im romanischen Stil. 1259 wurde der Grundstein für eine deutlich größere gotische Nachfolgerin gelegt – den Altenberger Dom.

Zur Geschichte des Altenberger Doms
Nach der Aufhebung des Klosters 1803 fiel das Gotteshaus an das Herzogtum Berg, drei Jahre darauf in private Hände. 1815 bei einem Brand schwer zerstört, kam das Grundstück mitsamt der verfallenen Bauten Anfang der 1830er Jahre über Franz-Egon von Fürstenberg-Stammheim an Preußen. Der protestantische König Friedrich Wilhelm III. veranlasste die 1834 begonnene Restaurierung des Gotteshauses. Er stiftete 8200 Goldmark, verbunden mit der Auflage, dass die Kirche zukünftig beiden Konfessionen zur Verfügung stehen solle, als sogenannte Simultan-Kirche“. Doch auch nach der Wiederherstellung 1847 herrschte Uneinigkeit über diese gleichzeitge Nutzung beider Konfessionen. Diese Verzögerungen in der Umsetzung der Bau-Bestimmung riefen Friedrich Wilhelm IV. auf den Plan, der 1840 seinem verstorbenen Vater nachgefolgt war. Im September 1856 äußerte er in einem Brief an den zuständigen Kultusminister seinem Unmut über die Dissonanzen. Er sei nicht willens, den Katholiken zum Nachteil der Protestanten ein Nutzungsvorrecht einzuräumen, formulierte er, und bestand auf einem völligen Simultangebrauch. Am 3. Juli 1857 wurde den Protestanten und Katholiken ihre jeweiligen, exakt festgelegte Nutzungszeit verkündet. Im August desselben Jahres fand der erste evangelische Gottesdienst im Altenberger Dom statt.
Heute befindet sich der auch Bergische Dom genannte Bau im Besitz des Landes Nordrhein-Westfalen. Er dient gleichermaßen der Evangelischen Kirchengemeinde Altenberg/Schildgen wie der Katholischen Pfarrgemeinde Altenberg als Gottesdienst- und Veranstaltungsort.

Struktur und Logistik, Planung, Ablauf und Methoden mittelalterlichen Bauens
750 Jahre nach der Grundsteinlegung wird das Ereignis dieses Jahr nun mit einem fast ganzjährigen Festprogramm gewürdigt. Unter den vielfältigen Veranstaltungen befindet sich die Ausstellung „Sie haben nicht auf Sand gebaut“. Präsentiert wird sie im Pilgersaal und der Remise des Küchenhofes in Altenberg. Ausrichtende sind der Altenberger Dom-Verein e.V. und der Aktionskreis Altenberg e.V., Forum zur Pflege zisterziensischer Tradition. Konzipiert hat die ebenso übersichtlich gegliederte wie liebevoll eingerichtete Schau Dr. Susanne Heydasch-Lehmann.
Die Ausstellung versammelt manches Original, insbesondere aber wird anhand von Modellen und Mustern, Fotografien und Filmen, Reproduktionen mittelalterlicher Buchmalereien und durch prägnante Texte das Funktionieren einer mittelalterlichen (Kirchen-)Baustelle geschildert. In den Blick genommen werden deren Struktur und Logistik, Planung, Ablauf und Methoden. Es wird etwa erläutert, wie ein Baugrund eingemessen, ein Kirchengrundriss mittels Messchnüren, Pflöcken, Seilen, Lote, Setz- und Lotwaage sowie mit Hilfe eines Rasters aus gleichseitigen Dreiecken umgesetzt wurde. Mauertechniken werden beleuchtet, und wie insgesamt der Aufbau mit welchen Gerüstarten von statten ging, wie Fenster eingesetzt und welche Materialien wie beschafft und verwendet wurden. Ein imposantes, eigens angefertigtes hölzernes Lehrgerüst führt sogar die bei der Einwölbung eingesetzte Hilfsmethode vor Augen.

Der berühmte „Altenberger Fuß“
Grundlegend wie beispielhaft informiert die promovierte Kunsthistorikerin Heydasch-Lehmann über das Bauen einer großen Kirche im 13./14. Jahrhundert. Dabei stellt sie immer wieder Bezüge zum Vorgehen in Altenberg selbst her. Beispielsweise verwendete man dort als Werkmaß den „Altenberger Fuß“ (33,2 cm). Es lag sämtlichen Messungen zugrunde. Schätzungen zufolge arbeiteten in der Altenberger Bauhütte regelmäßig circa fünfzig Personen, darunter bis zu zwanzig Steinmetzen; außerdem Bildhauer, Schmiede, Glasmaler, Maurer, Zimmermänner, Dachdecker… Über elf Stunden, im Winter bis zu neun, betrug ihre tägliche Arbeitszeit. Allein sonntags und an den jährlich über vierzig kirchlichen Feiertagen ruhte die Baustelle.

Trachyt und Grauwacke-Sandstein vom Drachenfels, Tuff aus der Eifel
Keine Rolle habe das Aussehen der beim Bau verwendeten Steine gespielt, so die Kuratorin. „Ausschlaggebend waren ihre bautechnischen und konstruktiven Eigenschaften.“ So finden die Besuchenden nicht nur witterungsbeständigen Drachenfelser Trachyt und Grauwacke-Sandstein aus der näheren Umgebung sowie Eifeler Tuff aus Weibern und Kruft bei Andernach sowie Feldbrand-Ziegel aufgereiht. Beigegeben sind Informationen über deren jeweilige Beschaffenheit, über Witterungsverhalten, Bearbeitbarkeit, Druckfestigkeit und Gewicht. Zur Sprache kommt deren Transport zumeist auf dem Wasserweg. Ebenso deren anschließende Bearbeitung mit Werkzeugen wie Klöpfel, Bossierhammer, Zweispitz, Schlageisen oder Krönel. Mit ihnen wurden Rohlinge zu Quadern geformt und anschließend, wo notwendig, mit Profilen versehen.

Ganz wichtiger Baustoff: Mörtel
Nach ihrer unterschiedlichen Verarbeitung mussten die Werkstücke an ihre Position gelangen. Dazu dienten Kräne, Winden und Laufräder, Haken, Zangen und Spreizwölfe. Eisendübel, -klammern und -anker sowie Blei sorgten für den sicheren Verbund und die Befestigung. Ein Kapitel ist dem „unauffälligen“, aber unentbehrlichen Mörtel gewidmet. Aus Kalk, Sand, Wasser und speziellen Zuschlagstoffen gemischt, „war er für die Standfestigkeit des Baues ein äußerst wichtiger Bestandteil“. Die Ausstellung bietet als eines der wenigen authentischen Zeugnisse aus der Entstehungszeit originalen Mörtel. In ihm eingebettet finden sich, als Besonderheit, einige erhaltene Tonfliesen des gotische Fußbodens, wohlgemerkt farbig glasiert.

Urheber der „Architektur des Lichts“ ist unbekannt
Der Architekt des Altenberger Doms sei unbekannt, bedauert Heydasch-Lehmann. Man könne jedoch davon ausgehen, dass er zeitweilig an der Kölner Dombauhütte tätig war. Dort habe er große Kenntnisse erlangt. Zudem belege seine Konzeption eine Vertrautheit mit dem Formenrepertoire französischer Kathedralen. „Aus diesem Vokabular entwarf er in souveräner Manier einen anderen, durchaus eigenständigen Bau, wobei er stellenweise über Köln hinaus ging.“ Besonders kennzeichnend für den Altenberger Kirchenraum sei seine Helligkeit, Leichtigkeit und Transparenz, spricht ihm Heydasch-Lehmann eine insgesamt sehr elegante (Raum)Wirkung zu. Die „Architektur des Lichts“ ist noch heute zu erfahren. Überhaupt sollte dem Ausstellungsbesuch ein Gang an und in das gotische Gotteshaus folgen: Mit geschärftem Blick wird manches „neu“ gesehen oder erstmals erkannt.

Weitere Infos
Geöffnet ist die Ausstellung im Küchenhof der ehemaligen Abtei in Odenthal-Altenberg bis zum 27. September 2009: Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 14 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen. Führungen können unter beim Altenberger Dom-Verein unter der Telefonnummer 02202/300 08 oder direkt bei Dr. Susanne Heydasch-Lehmann unter heydasch-lehmann@web.de vereinbart werden. Vorträge und Workshops ergänzen die Ausstellung: Themen und Termine finden Sie auf der neuen Webseite zum Jubiläumsjahr: www.fmv750.de.

Der Altenberger Dom ist Gegenstand einer weiteren, vom Altenberger Dom-Verein e.V. veranstalteten Ausstellung: „1259. Altenberg und die Baukultur im 13. Jahrhundert“. Sie läuft vom 10. Mai bis 30. August 2009 (Eröffnung: 10. Mai, 15 Uhr) im Kulturhaus Zanders, Hauptstraße, Bergisch Gladbach. Zentrales Thema ist die gotische Baukonstruktion am Altenberger Dom. Konzipiert wird sie von Dr. Sabine Lepsky und Prof. Dr. Norbert Nußbaum. Vom 13. bis 15. Mai findet in Altenberg, im Martin-Luther-Haus der Evangelischen Kirchengemeinde Altenberg/Schildgen, ein wissenschaftliches Kolloquium zur Ausstellung statt. Namhafte Architekturhistoriker referieren zu den Entstehungs- und Entwicklungsprozessen von Sakralbauten im 13. Jahrhundert. Gedacht ist die Vortrags- und Gesprächsrunde nicht nur für ein Fachpublikum, sondern für alle am Thema Interessierten. Die Teilnahmegebühr beträgt 20 Euro. Information/Anmeldung bei Altenberger Dom-Verein: info@altenbergerdom.de oder www.altenbergerdom.de

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich