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Rückblick Calvin-Jahr 2009: Niemand hat mit so viel Interesse gerechnet. Jüngster Termin: gemeinsames Angebot der Gemeinden Bilderstöckchen und Mauenheim-Weidenpesch

Das federführend vom Reformierten Bund organisierte Calvin-Jahr 2009 neigt sich dem Ende zu. In Erinnerung an den 500. Geburtstag des französischstämmigen Genfer Reformators wurde es international begangen. Für die Koordinierung der Aktivitäten hierzulande unterhielten die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die Union Evangelischer Kirchen (UEK) und der Reformierte Bund ein Projektbüro in Hannover. Mit diversen Veranstaltungen zu Leben, Theologie und Wirken von Johannes (Jean) Calvin warteten neben Kirchengemeinden im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region auch dessen Melanchthon-Akademie auf.

Das Calvin-Jahr 2009 wurde auch im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region mit zahlreichen Veranstaltungen gewürdigt. Zuletzt luden die Evangelische Nathanael-Kirchengemeinden von Köln-Bilderstöckchen und Mauenheim-Weidenpesch zu einem Vortrag. Wer war der „etwas andere Reformator“? Wie hat der „Reformator der zweiten Stunde“ gewirkt? Antworten darauf gab ein Vortrag von Pfarrer Dr. Martin Bock in der Erlöserkirche in Weidenpesch. Der Leiter der Melanchthon-Akademie referierte auf Einladung der beiden Gemeinden. „Unser Gesprächsabend zu Calvin ist als Nachklang auf den Martinstag zu verstehen, keinesfalls als Gegenveranstaltung zum Elften im Elften“, betonte Susanne Zimmermann, Pfarrerin in Mauenheim-Weidenpesch, am Abend der Eröffnung der Karnevalssession. „Wir wollen den für uns wichtigen zweiten Reformator, der vielen dennoch unbekannt ist, vorstellen. Ausgehend vom Leben Calvins wollen wir seine Theologie vertiefen und einen Einblick in unsere calvinistisch-reformierte Tradition bekommen.“ Mit der schon eingespielten Kooperation der beiden benachbarten Kirchengemeinden sollen laut Reinhild Widdig, Pfarrerin in Bilderstöckchen, und Zimmermann Synergieeffekte erzielt werden.

Ein „Reformator der zweiten Generation“
In seinem Vortrag stellte Bock den rund vierzig Interessierten Calvin weniger in hoch theologischer Manier vor. Vielmehr versuchte er, etwas von dessen Leben erfahrbar zu machen, Schlagworte zu vermeiden und Vorurteile aus dem Weg zu räumen. „Calvin war ein Reformator der zweiten Generation“, betonte Bock. Er sei wird immer wieder damit konfrontiert gewesen, Situationen neu „erfinden“ zu müssen. In Deutschland hätten ganz andere politische Verhältnisse geherrscht als in Frankreich – wo Calvin damals lebte -, in Deutschland habe es einen „Deal zwischen dem politischen und kirchlichem Leben“ gegeben. „In Frankreich gab es nur Flüchtlingsgemeinden, der Staat, der König blieb ein katholischer.“
Bock skizzierte Calvin als Denker, als sensiblen Wissenschaftler, der immer wieder ins Leben hinein gezwungen werden musste. Er habe als „Streber“ gegolten, der gerne seine Meinung kundtat.

„Wie sieht Gott das Leben der Menschen voraus?“
Vom begonnenen, obligatorischen Studium der Freien Künste sei er ins Fach Jura gewechselt. Fortan habe die Frage nach Recht, Gesetz und Gerechtigkeit für ihn eine große Rolle gespielt. „Wie sieht Gott das Leben der Menschen voraus?“ formulierte Bock Calvins Hauptgedanken von den „verborgenen Zügeln der Vorsehung“. Diese „Prädestinationslehre“ Calvins erkläre das Leben als geführt und gezügelt durch Gottes Vorsehung. Als sein Vater aufgrund von Erbschwierigkeiten exkommuniziert worden sei, habe sich Calvin sehr geärgert und gefragt, welche Autorität sich die Kirche anmaße. Die Frage nach der (verliehenen/geliehenen) Macht habe spätestens seitdem für Calvin eine wichtige Bedeutung erlangt.

„Gott will zwischen den Buchstaben der Bibel gesucht werden“
Luther habe sich nicht um das Urteil der Kirche geschert, so Bock. Calvin habe sich vorsichtiger verhalten, aber irgendwann erkannt, dass er sich von der römisch-katholischen Autorität trennen müsse. Wegen seiner Sympathie für die Reformation habe Calvin 1533 Paris und die dortige Uni verlassen müssen. Zentrales Streben Calvins sei gewesen, der Bibel das Gewicht zu verleihen, das ihr zustehe. „Gott ist nicht nur in Christus Mensch geworden und wohnt unter uns, er ist auch Schrift geworden. Er will sich uns in der Schrift der Bibel äußern, immer wieder neu“, nannte Bock Calvins Begründung. Danach wolle Gott nirgendwo anders als zwischen den Buchstaben der Bibel gesucht werden. „Gott hat sich klein gemacht. Man findet in der Bibel nichts anderes als Gott selbst.“ Dies erkläre, weshalb Calvin in den Augen vieler Menschen ein so „kleinlicher Bibelausleger“ gewesen sei, der weiter gehen wollte als Luther.

Rückblick: das Calvin-Jahr in Köln und Region
Vor den beiden Gemeinden Bilderstöckchen und Mauenheim-Weidenpesch führten im Calvin-Jahr 2009 etliche Gemeinden im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region Veranstaltungen mit Blick auf den schweizer Reformator durch: Vorträge und Gesprächsabende fanden etwa im evangelischen Gemeindezentrum Arche in Bergheim, in der Evangelischen Begegnungsstätte Bergisch Gladbach, sowie im Gemeindehaus der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Dellbrück/Holweide statt. In der Clarenbachkirche von Köln-Braunsfeld war der Reformator Gegenstand eines Themengottesdienstes und Gesprächsabends.
Zudem gastierte in der Clarenbachgemeinde die vom Reformierten Bund zusammengestellte Wanderausstellung mit 14 Schautafeln zu Werk und Leben Calvins. Eigens zu dieser Präsentation gab die Organistin Irmgard Stingel ein Konzert. In der Lukaskirche Porz zeigte die Evangelische Kirchengemeinde zunächst den Film „Johannes Calvin. Gott allein ist Ehre“. Wenige Tage später bot sie einen Gesprächsabend zu Calvin als „Vater der evangelischen Christenheit“ an. In der Markuskirche von Porz-Eil beleuchtete ein theologisches Seminar Leben und Werk des Reformators.
Vom Thema Calvin geprägt war auch der diesjährige „Literatur und Musik“-Abend im Bezirk Weiden/Lövenich der Evangelischen Kirchengemeinde Weiden. „Calvin war kein Kölner“ hatte man die Begegnung mit dem Reformator im Jochen-Klepper-Haus überschrieben. In diesem Rahmen trug die Kantorei der evangelischen Singschule Köln-West Psalmen aus dem „Hugenotten-Psalter“ vor.
Die AntoniterCityTours der Evangelischen Gemeinde Köln führten den Rundgang „Ich bin so froh, dass ich (nicht) evangelisch bin“ im Programm. Dabei begaben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem alten evangelischen Friedhof in Mülheim auf die Spuren Calvins (und Luthers).
Zu den „kritischen Gratulanten“ gehörte im Calvin-Jahr die Melanchthon-Akademie. Sie präsentierte ebenfalls die Wanderausstellung zu Calvins Leben und Werk. Insbesondere aber in Vorträgen und Seminaren gelang es den Referenten, das Interesse für die Person und Theologie des Reformators zu vertiefen, zumindest zu wecken, und Missverständnisse abzubauen. Dabei wurde über Calvins Werk doziert, sein Verständnis des Alten Testaments beleuchtet, seine „Vorsehungs“-Lehre und Sozialethik, sein „Gottes-Staat“, seine Psalmen-Auslegungen und sein Verhältnis zum Judentum in den Blick genommen. Schließlich wurde anhand ausgesuchter Passagen die Beschäftigung mit der Person Calvins und des Calvinismus´ in der Literatur verfolgt. „

„Wir werden überrollt!“
Die Veranstalter des Calvin-Jahres hatten bereits im März festgestellt: „Wir werden überrollt“, erinnert sich Bock. Der Akademie-Leiter kann das breite, anhaltende Interesse an Calvin nur bestätigen. In Kooperation mit Kirchengemeinden hat er auch außerhalb der Akademie über das „Geburtstagskind“ referiert. Etwa in Köln-Dellbrück und Bergisch Gladbach-Schildgen. „Die Veranstaltungsräume waren nie leer. Und die Angebote wurden auch ökumenisch wahrgenommen“, konstatiert Bock.
In der rheinischen Landeskirche sei das Erbe Calvins ebenfalls sehr präsent: Calvin Einfluss sei auch in der „theologischen Aufgeschlossenheit der Landeskirche gegenüber einer Verantwortung für Gesellschaft und Politik“ spürbar. Dazu zählt Bock auch den Dialog mit dem Judentum.
In diesem Spannungsfeld zwischen dem „verschütteten“ Wissen über Calvins Leben und Wirkung und seinem starken Erbe hat laut Bock „das Calvin-Jahr 2009 großen Sinn gemacht. Keiner hat damit gerechnet, dass die Veranstaltungen so großes Interesse finden würden.“

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich