Himmlische Gerichte aus Teufelsküche: „Ich bin kein begnadeter Koch“, sagt Tim Lahr, Pfarrer an der Thomas- bzw. Christuskirche in Köln. „Und ich habe das perfekte Dinner vorher nie geguckt.“ Trotzdem hat er gerne bei der VOX-Spezial-Ausgabe vom „Perfekten Dinner“ zum Pride Month mitgekocht: Von Montag bis Freitag wird das Format jeden Abend von 19 bis 20 Uhr ausgestrahlt – mit Tim Lahr und weiteren Vertreter*innen und Aktivist*innen der LGBTQI+ Community.
Was gab es denn Leckeres bei Ihnen?
Tim Lahr: Ich habe das Dinner in der Kirche unter dem Titel „Das beste Abendmahl“ ausgerichtet. Die Vorspeise hieß „Unser täglich Brot gib uns heute“ mit Brot von unserem Brotfairteiler, der gerettete Lebensmittel verteilt. Dann gab es ganz kölsch „Himmel und Ähd“, also Apfelkompott und Erdapfelkompott mit veganen „Gottesbescheißerlen“, also Maultaschen. Die Nachspeise hieß „Das letzte Gericht – Eine süße Sünde“, das waren Brownies mit Passionsfruchtsorbet und einer Oblate statt einer Waffel.
Wie läuft der Dreh ab?
Tim Lahr: Das Kamerateam steht einfach morgens vor der Tür und dreht mich, wie ich koche. Ich habe in meiner Wohnung gekocht und habe dann meine Gäste auch in meiner Wohnung empfangen. Sie haben sich schon gewundert, weil meine Wohnung sehr klein ist. Aber ich habe gesagt: „Wir gehen jetzt in mein zweites Wohnzimmer – in die Christuskirche.“ Da war ein Tisch aufgebaut, am Altar hatte ich eine Regenbogenflagge aufgehangen und Gott* mit Gendersternchen hingeschrieben. Es gab noch andere Vertreter*innen aus der queeren Community, die von ihren Erfahrungen mit Kirche und queeren Themen berichtet haben.
Von welchen Erfahrungen wurde berichtet?
Tim Lahr: Sie haben teilweise sich in den Kirchengemeinden sehr wohlgefühlt, aber auch berichtet, dass es oft keinen Raum für queere Themen gab.
Kirche und queere Themen und das alles beim „Perfekten Dinner“ – wie haben Sie die Kombination wahrgenommen?
Tim Lahr: Ich finde das Format sehr gut, denn ich finde Sichtbarkeit sehr wichtig. Schön ist, dass dadurch eine Gruppe erreicht, die sich sonst nicht vielleicht nicht mit queeren Themen auseinander setzen würde. Die anderen Teilnehmenden sind in anderen Bereichen der queeren Community sehr engagiert. Was ich besonders finde – ich wurde ja von VOX angefragt, als jemand, der sich aus dem religiösen Bereich für die queere Community einsetzt. Denn Kirche und queer sein ist leider oft eine „Schuld“-Geschichte. Vielen denken, dass Kirche feindlich gegenüber queeren Menschen ist. Doch die evangelische Kirche hat Strukturen geschaffen, um queere Menschen zu schützen. Zum Beispiel ist wichtig, dass gleichgeschlechtliche Personen oder Transpersonen in der Kirche natürlich ganz selbstverständlich heiraten dürfen. Wir haben diesen Weg geschafft, obwohl es ein langer Weg war. In der katholischen Kirche hat sich gar nichts getan, außer dass die Menschen an der Basis dafür kämpfen, dass sich etwas tut. Aber in höheren Strukturen hat sich noch nichts geändert. Es war eine schöne Möglichkeit, über das Kochen und an einem Tisch sitzen auf das Thema LGBTQI+ zu kommen. Es war ein lockerer Rahmen und wir sind auf andere Art und Weise ins Gespräch gekommen, als wenn es eine Talkshow oder ähnliches gewesen wäre.
Also eine positive Erfahrung?
Tim Lahr: Es war für mich sehr aufregend, ich habe so etwas ja noch nie gemacht. Ich kann sagen, dass ich als Gewinner aus dieser Woche heraus gehe – weil ich tolle Menschen kennengelernt habe, die sich für die queere Community einsetzen, und weil es mir eine Ehre war, für diese Menschen kochen zu dürfen und sie in meiner Kirche empfangen zu dürfen.
Tim Lahr
Tim Lahr wurde am 15. September 1989 in Bonn geboren. Nach dem Abitur machte er einen „Freiwilligen Friedensdienst“ in Matagalpa (Nicaragua). Dort arbeitete er an einer Förder-Grundschule. Im Anschluss studierte er evangelische Theologie in Bonn und in Rom bei den Waldensern. Nach seinem Vikariat an der Kartäuserkirche Köln von Oktober 2017 – April 2020, währenddessen er den Kartäusergarten als Gemeinschaftsgarten gründete, ging Pfarrer Tim Lahr 2020 als ausgebildeter Pfarrer an die Thomas- bzw. Christuskirche in Köln. Tim Lahr ist ein echter Netzwerker. Er sagt: „Nur wenn verschiedene Initiativen in der Stadt-Gesellschaft zusammenkommen und gemeinsam an wichtigen Themen arbeiten, kommt am Ende eine größere Summe als die einzelnen Teile dabei heraus.“ Auf seinem Instagram-Account berichtet er unter dem Namen amen_aber_sexy über den Alltag eines Pfarrers. Themen, die ihn immer wieder bewegen, sind eine moderne Kirche, die nah an den Menschen ist und Teil des Stadtlebens ist. Dabei darf Humor nicht zu kurz kommen. Im Lockdown dreht er das Video „Tag 30 der Quarantäne – Der Pfarrer allein in der Kirche“. Darüber hinaus beschäftigen ihn sehr das Thema „Bewahrung der Schöpfung“ und eine „Queere Kirche“, die offen für alle Menschen ist. Tim Lahr lebt als Pfarrer offen queer.
Foto(s): Tim Lahr