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Orgelwanderung mit Kirchenmusiker Christian Collum: Ausflug mit verschiedenen Klangerlebnissen

Wer sich für Gitarren oder Blockflöten interessiert, kann an einem Ort verschiedene Instrumente begutachten und hören. Da kommt der Berg zum Propheten. Bei Orgeln fällt das, wie man sich denken kann, schon schwerer. Hier muss der Prophet zum Berg kommen, und genau da setzen die Orgelausflüge an, die Kirchenmusiker und Kreiskantor Christian Collum seit Anfang der 90er Jahre in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Bayenthal regelmäßig anbietet. Mit dem Bus geht es zu verschiedenen historischen Orgeln im Kölner Umland, deren Eigenarten und charakteristisches Klangbild der Musiker dann erläutert und mit kleinen Konzerten vorführt.

Historische Orgel in Eckenhagen
Rund 50 interessierte Frauen und Männer versammelten sich erwartungsvoll vor dem Martin-Luther-Haus an der Mehlemer Straße. Der Großteil war „Wiederholungstäter“, wie Hans-Werner Korth: „Ich spiele selbst Orgel und bin schon zum dritten Mal dabei.“ Das erste Ziel der musikinteressierten Reisegruppe war das kleine Fleckchen Eckenhagen im Oberbergischen Land. In dem nur gut 2.000 Einwohner zählenden Örtchen befindet sich eine historische Orgel, die der Orgelbauer Johann Christian Kleine aus dem benachbarten Freckhausen 1794 in der evangelischen Kirche errichtet hat. „Heute ist es die größte noch spielbare Barockorgel des nördlichen Rheinlandes“, schwärmte Christian Collum. Dass das Instrument noch genutzt wird, ist so selbstverständlich nicht, denn unsachgemäße Nutzung und Restaurierung hatten nach dem Zweiten Weltkrieg der Orgel ganz schön zugesetzt. 2005 erteilte die Gemeinde den Auftrag zur stilgerechten Rekonstruktion und Restauration nach historischem Vorbild. Vor fünf Monaten, am 20. April, wurde die restaurierte Kleine-Orgel geweiht.

Barocke Klänge von Buxtehude, Bach und Collum
Ganz still saßen die Zuhörer in den Bankreihen und lauschten den Klängen, die Christian Collum dem Instrument entlockte. Werke von Dietrich Buxtehude, Johann Sebastian Bach und von seinem Vater, Herbert Collum, standen auf dem Programm. Damit nutzte Collum die klanglichen Möglichkeiten des Instruments voll aus, und die Teilnehmer an dem Orgelausflug gewannen einen deutlichen Eindruck von den Möglichkeiten und Charakteristika dieser Orgel.

Die „Queen am Rhein“ in Bonn
Von Eckenhagen ging es dann zur zweiten Station dieser Orgelfahrt nach Bonn-Limperich zur katholischen Pfarrkirche Heilig Kreuz. Dort begrüßte Pfarrer Thomas Schäfer die Gäste aus Köln und schilderte ihnen zunächst in kurzen Worten die Geschichte des 1968 eingeweihten Gotteshauses. „Mit seinem kreuzförmigen Grundriss, in dessen Mitte der Altar steht, war die Heilig-Kreuz-Kirche damals sehr modern und spiegelte die liturgischen Reformen des damals laufenden Vatikanischen Konzils wieder“, erzählte Schäfer. Für die einführenden Worte zur dortigen Binns-Schulte-Orgel hatte Christian Collum den Orgelbauer Oliver Schulte eingeladen. Der berichtete von der sehr spannenden Odyssee, die das Instrument zurückgelegt hatte, bevor es nach Bonn kam. Es ist die größte englisch-romantische Kirchenorgel auf dem europäischen Kontinent und auch als „Queen am Rhein“ bekannt. „1907 wurde die Orgel von dem bekannten englischen Orgelbauer James Jepson Binns für die anglikanische Kirche im Londoner Stadtteil Putney gebaut. Es ist eine typisch englisch-romantische, vollpneumatische Orgel“, berichtete der Fachmann. Sinkende Einnahmen für die Kirchen sind aber auch in Großbritannien ein Thema, denn aus Geldmangel wurde die Kirche profanisiert, die Orgel wurde 1997 abgebaut und zunächst im Kirchenraum gelagert. Dort fand sie einige Jahre später der Musikalienhändler Andreas Ladach, der sie nach Wuppertal holte und dort in der früheren Trinitatiskirche abstellte. Die Kirche gehört Ladach, der sie für die Lagerung und den Wiederverkauf gebrauchter Instrumente nutzt.

Gelungene Symbiose aus Alt und Neu
Bei der Suche nach einem geeigneten Instrument für die Heilig-Kreuz-Kirche stießen die Bonner schließlich auf die Binns-Orgel. „Sie hatte ursprünglich 30 Register, von denen 85 Prozent noch vorhanden waren. Auch Teile des Gehäuses fehlten“, berichtete Oliver Schulte von der Bestandsaufnahme. Der schwierige Teil der Restaurierung bestand nun darin, die fehlenden Teile zu ersetzen, ohne dass der historische Charakter der Orgel zerstört wird. Dabei wurde von einer historisch exakten Restaurierung abgesehen. Neue Teile ergänzen die vorhandenen alten Stücke, das Ergebnis ist eine gelungene Symbiose aus historischem Klangcharakter und technisch modernen Elementen. Schulte entschied sich, die Registerzahl auf 35 zu erweitern. Zwei alte Original-Register von James Jepson Binns fand er während einer Studienreise durch England. Der Spieltisch wurde komplett neu gestaltet, dabei wurde aber eine historische Tastatur verwendet. „Sie hat ein sehr schönes Griffgefühl, und damit geht die Musik los“, betonte Collum. „Jetzt wollen wir aber mal was hören“, kam es nach den umfangreichen Erläuterungen aus dem Publikum. Christian Collum ließ sich nicht lange bitten. Auf der Binns-Schulte-Orgel spielte er Werke von Franz Liszt, Robert Schumann, Wilfried Maria Danner und Max Reger.

Gemeinsames Abendessen zum Abschluss
War’s das? Zumindest unter dem „Firmenschild“ Evangelische Kirchengemeinde Köln-Bayenthal war es für Christian Collum der letzte Orgelausflug. Er geht Ende September in den Ruhestand. Völlig ausschließen wollte er die Möglichkeit aber nicht, in anderem Zusammenhang wieder auf die Reise zu gehen und Musikliebhabern vor Ort unterschiedliche Orgeln vorzustellen. Neben den unterschiedlichen Klangeindrücken war das auch ein Thema beim abschließenden gemeinsamen Essen, mit dem dieser Orgelausflug endete.

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Jörg Fleischer