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Neue Pfarrerin in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Deutz/Poll

Von einer solchen Begrüßung träumt man wohl. „Ich bin mit offenen Armen empfangen worden“, berichtet Susanne Marie Koschmider. Seit Anfang Juni bekleidet sie die 1. Pfarrstelle der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Deutz/Poll. Am 25. Juni ist die 35-Jährige in der St.-Johannes-Kirche in Köln-Deutz innerhalb eines „Gottesdienstes in besonderer Gestalt“ eingeführt worden. „Es herrschte Wiedersehensfreude auf beiden Seiten“, so Koschmider. Denn von April 2008 bis September 2009 versah sie, abgesehen von einer dreimonatigen Unterbrechung, bereits Dienst in ihrer heutigen Gemeinde. Zunächst vertrat sie in Poll Pfarrer Roger Schwind in dessen Sabbatjahr. Dann versorgte sie für die in Elternzeit befindliche Pfarrerin Vera Rudolph einen Teil von Deutz. Jetzt trat sie in Deutz ihre halbe Pfarrstelle an. „Damit endet in diesem Bezirk eine längere Zeit mit Vakanzenvertretungen“, so Koschmider. „Endlich kehrt Ruhe ein, kann hier mit einer langfristigen Perspektive gearbeitet werden.“ Darauf freuten sich die Gemeindeglieder wie Mitarbeitenden.


Die Pfarrestellen in Deutz und Poll
Nach zuvor drei Pfarrstellen verfügt die Evangelische Kirchengemeinde Köln-Deutz/Poll jetzt nur noch über eineinhalb – das hängt mit dem MItgliederschwund evangelischer Christinnen und Christen im Stadttteil zusammen, denn nach deren Zehl berechnen sich die Pfarrstellen. Im November 2009 war Pfarrer Georg Heilinger in seine Altersteilzeit verabschiedet und damit die 2. Pfarrstelle in der Gemeinde aufgehoben worden. Koschmiders Vorgängerin Rudolph war nach ihrer Elternzeit in den Kirchenkreis Koblenz gewechselt. Und Schwind hat unverändert die 3. Pfarrstelle für Köln-Poll inne. Neben Koschmider wurde mit einer weiteren halbe Stelle eine Diakonin angestellt.



Theologin und Diakoniewissenschaftlerin
Bereits früh habe sie entschieden, den Lebensraum Kirche mitgestalten zu wollen. Das war nach Berufspraktika in der 12. Klasse am Ville-Gymnasium in Erftstadt. Dort, in Erftstadt-Liblar, ist die gebürtige Bergisch-Gladbacherin auch aufgewachsen. „Im Praktikum hat mir die Frage nach der Motivation für die Berufe gefehlt, insbesondere der Aspekt des Glaubens, den ich in der kirchlichen Jugendarbeit kennen- und schätzen gelernt habe.“ So folgte auf das Abitur ein Studium der Theologie in Bonn und Heidelberg. Obwohl von Beginn an feststand, dass sie künftig im kirchlichen Bereich arbeiten wollte, war sie lange unentschlossen, ob es der Pfarrerinnenberuf werden sollte. Daher widmete sie sich parallel drei Jahre einem Diakoniewissenschaftlichen Schwerpunktstudium. Nach ihrem Vikariat in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers trat sie 2006 den Probedienst in der Evangelischen Matthäi-Kirchengemeinde Düsseldorf an. Dort wurde sie im Oktober 2007 ordiniert. Von Oktober 2009 bis Mai dieses Jahres bekleidete sie eine landeskirchliche Stelle mit besonderem Auftrag: Je zur Hälfte übernahm sie dabei einen Entlastungs-Dienst im Evangelischen Kirchenkreis Krefeld-Viersen und war sie tätig innerhalb des Integrierten Bildungssystems evangelischer Kindertageseinrichtungen (IBEK), schwerpunktmäßig in der Fortbildung von Erziehenden, Fachberatenden und Trägern. Das IBEK, das „Projektmanagement, Religionspädagogik, Bildungsarbeit, Qualitätsentwicklung durch Organisations- und Personalentwicklung im Elementarbereich“ beinhaltet, wurde 2008 von der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. und dem Rheinischen Verband evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder e.V. ins Leben gerufen. Mit dem IBEK wird Koschmider auch künftig zu tun haben. In Ergänzung zu ihrer halben Pfarrstelle in Deutz wird sie nämlich ab September eine regelmäßige Honorartätigkeit als freie Mitarbeiterin an der Evangelischen Landjugendakademie Altenkirchen im Leitungsfunktionskurs IBEK wahrnehmen.

„Mischung aus Erinnerung und Neuanfang“
Koschmider „ist wichtig, dass wir uns in der Gemeinde noch mal neu kennen lernen“, spricht sie von einer „Mischung aus Erinnerung und Neuanfang“. 2008/09 hatte sie gemeinsam mit der Kindertagesstätten-Leitung und Gemeindemitarbeitenden das Konzept für das Evangelische Familien- und Gemeindezentrum „mittendrin“ am Standort Deutz entwickelt. Sie war schwerpunktmäßig für die Gottesdienstgestaltung zuständig. Darunter für den mit unterschiedlichen Gemeindegruppen erarbeiteten „Gottesdienst in besonderer Gestalt“, der an jedem letzten Samstag im Monat in der St.-Johannes-Kirche stattfindet. Seit dem 1. Juni 2011 gehört bis auf weiteres zu Koschmiders zentralen Aufgaben erneut das Familien- und Gemeindezentrum „mittendrin“. Ebenso die Begleitung der Kitaarbeit an der St.-Johannes-Kirche, die Ökumene und „selbstverständlich die kreative Gottesdienstgestaltung: Sie ist ein besonderer Schwerpunkt von mir, diese liegt mir sehr am Herzen.“ Dabei hat für sie biblische Theologie im christlich-jüdischen Dialog eine prägende Bedeutung.

Mehrgenerationenarbeit und vielfältig kulturelle Angebote
Koschmiders Erfahrungen im „Lebensraum Kirche“ haben sie zur Wahl ihres Berufes geführt – dabei lag für die damalige Abiturientin eine besonders hohe Motivation in der Möglichkeit, sich in ihrer Arbeit nicht auf eine Generation, einen Ausschnitt der Gesellschaft beschränken zu müssen, sondern Menschen aus allen Altersgruppen und mit allen Lebensthemen einbeziehen zu können. Konsequenterweise ist ihr heute die Mehrgenerationenarbeit wichtig. Dabei möchte sie gerne auch alles das als Kommunikationsmittel einsetzen, was sie in Weiterbildungen erfahren hat (zum Beispiel zur systemischen Beraterin und Pädagogin), sowie an Interessen und Fähigkeiten vor allem auf kulturellem Gebiet mitbringt. Die sind breit gestreut. Koschmider ist ausgebildete Harfen- und Blockflötenspielerin, hat eine Stimmbildung absolviert und Chor-Erfahrung. Hinzu kommen weitergehende Kenntnisse in Kunst und Design, Literatur, Theater und Lyrik, Fotografie und Film. „Ich finde es spannend, diese Dinge auch im Kirchenraum anzubieten, dort mit vielfältigen kulturellen Ausdrucksformen umzugehen.“ Da passt es gut, dass die Gemeinde vom 6. September bis 18. Dezember mit verschiedenen Veranstaltungen, dreißig an der Zahl, das 150-jährige Bestehen der Evangelischen St.-Johannes-Kirche in Köln-Deutz feiert. Zum Programm gehören auch kulturelle Angebote. Koschmider war an deren Konzeption zwar nicht beteiligt. Doch fallen sie nach dem Weggang von Pastorin Franziska Boury, die zuletzt einen Teil der Vakanzvertretung in Deutz übernommen hatte, in ihren Aufgabenbereich. „Ich bin sehr froh, dass ich den kulturellen Part übernehmen darf“, freut sich Koschmider auf Kunstausstellungen, Lesungen und Konzerte.

Soziale Arbeit und heimatliches Empfinden
Koschmider vermittelt den Eindruck, „angekommen“ zu sein. Angekommen in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Deutz/Poll mit momentan circa 4.500 Mitgliedern, denen zwei Gemeindezentren in Deutz und Poll zur Verfügung stehen. „Ich war bisher in sechs Gemeinden, war zusätzlich an einem größeren Projekt beteiligt. Ich spüre einfach, dass hier ist mein Ort. Das hat etwas Irrationales, klar. Aber ich fühle mich wohl mit den Menschen hier, empfinde Köln als meine Heimat.“ Deutz sei „mittendrin “ und doch ganz anders. Der Stadtteil wandle, verjünge sich. Dies sei nachzuvollziehen auch in der fortschreitenden baulichen Entwicklung des Stadtquartiers. Dabei bedeutet Stadtentwicklung für Koschmider insbesondere „Lebensraum für Menschen zu gestalten“: „Soziale Arbeit war und ist eines meiner Themen. Soziale Arbeit auch im Lebensraum Kirche, bewusst als evangelische Christin.“




Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich