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Nachrichten von der Herbstsynode des Kirchenkreises Köln-Nord

84 Synodale begrüßte Superintendent Markus Zimmermann bei der Herbstsynode des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Nord. Die fand im Rittersaal des Bedburger Schlosses statt und stand aufgrund des Datums ganz im Zeichen des Gedenkens an den 75. Jahrestag der Reichspogromnacht.

Gedenken und Erinnern
Offizieller Auftakt war ein bewusst schlicht gehaltener Abendmahlsgottesdienst in der evangelischen Friedenskirche in Bedburg. Pfarrerin Almut Giesen von der Evangelischen Kirchengemeinde Bergheim-Zieverich-Elsdorf wählte das Gleichnis von der bittenden Witwe aus Kapitel 18 des Lukas-Evangeliums als Ausgangspunkt für ihre Predigt. „Gedenken, sich erinnern, das kann ein Geschenk sein, das kann aber auch ein Fluch sein“, schlug sie den Bogen zu dem Ausbruch von Antisemitismus und Rassismus vom 9. November 1938, aber auch zu ähnlichen Vorfällen bis hinein in die Gegenwart. „Das Gedenken an diesen Tag kann angesichts immer neuer Vorfälle zum Fluch werden: „Es tritt Resignation ein und das Gefühl, dass man sowieso nichts machen kann.“ Erinnern sei aber auch ein Geschenk, weil dadurch etwas hervorgeholt werde aus den tiefen Schichten der eigenen Seele und der Seele eines ganzen Volkes. „Erinnern ist nicht sachlich, sondern immer auch emotional. Wir selbst sind ein Teil davon.“ Gewalt, so betonte Giesen, sei kein Mittel, um seinen Vorstellungen eine Form zu geben. Für Christen sollte Gedenken und Erinnerung auch immer eine Ermutigung bedeuten – eine Ermutigung zu beten und „dran zu bleiben“, nicht zu resignieren. Musikalisch begleitet wurde der Gottesdienst von Kreiskantor Thomas Pehlken an der Orgel.

„Wir sind auf einem guten Weg“: Bericht des Superintendenten Markus Zimmermann
Auch Superintendent Markus Zimmermann leitete seinen Bericht mit einer Erinnerung an den 9. November 1938 und vor allem an die damalige (Nicht-)Reaktion der Kirche ein. Und er mahnte zugleich, dass die Reichspogromnacht heute eine Verpflichtung für Christen sei, „wachsam zu sein und klar Partei zu ergreifen für die Schwachen und Benachteiligten“. Damit appellierte er auch an die Gemeinden, klar Stellung zu beziehen gegen jedwede Form von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie sich stark zu machen für Hilfe und Unterbringung von Flüchtlingen.
Vieles sei in Bewegung und es gebe zahlreiche Herausforderungen für die evangelische Kirche, fuhr der Superintendent in seinem Bericht fort. „Aber wir sind auf einem guten Weg“, betonte Zimmermann. Die Gemeinden beispielsweise stellen sich diesen Herausforderungen auf kreative und gestalterische Art und Weise. „Sonntags sind die Kirchen nicht leer!“, sah Zimmermann und führte aus, dass die Kirche immer noch eine Anziehungskraft auf zahlreiche Menschen habe. Bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben werde es aber zukünftig „keine pauschalen, sondern nur individuelle Lösungen geben“. Auch der Kirchenkreis habe einiges bewegt, so der Superintendent. Als Beispiele benannte er den Ehrenamtstag, das Engagement beim Evangelischen Kirchentag in Hamburg, den Erfolg der neu gegründeten Gesellschaft „Ev-ANGEL-isch“ gGmbH als Träger für die Übermittagsbetreuung an mehreren Schulen, die vielfältigen musikalischen Aktivitäten auf Kirchenkreisebene oder weitere Fortschritte bei der Umsetzung der vor drei Jahren beschlossenen Kirchenkreiskonzeption. Und er verwies auf das Jubiläum, das im kommenden Jahr ansteht: 50 Jahre alt werden die vier Kölner Kirchenkreise. Auch der Evangelische Kirchenkreis Köln-Nord werde dieses halbe Jahrhundert feiern.

Evangelische Standortfindung angesichts gesamtgesellschaftlicher Veränderungen
Auf einem guten Wege seien ebenfalls die Verwaltungsstrukturreform, das Neue Kirchliche Finanzwesen und die Personalplanung. Wichtige Änderungen und Neuerungen, die die Zukunft der evangelischen Kirche sichern sollen, seien dadurch eingeleitet worden. Intensive, auch kritische, aber dennoch konstruktive Begleitung und Mitarbeit seien jedoch weiterhin erforderlich. Die Landeskirche befindet sich laut Zimmermann ebenfalls auf einem guten Weg – vor allem mit ihrer klaren Absicht, bis 2018 zu einem ausgeglichenen landeskirchlichen Haushalt zu gelangen sowie für die Jahre danach weitere strukturelle Einsparungen in Höhe von insgesamt 35 Prozent anzustreben. Aber, so warnte Zimmermann, „das ist mit der Aufgabe bisheriger landeskirchlicher Tätigkeitsfelder verbunden“. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland sieht der Superintendent in der Vorwärtsbewegung – nicht zuletzt aufgrund des Aufsehen erregenden Orientierungspapiers mit dem Titel „Familie als verlässliche Gemeinschaft“. Zimmermann hält den Grundansatz, zur Kenntnis zu nehmen, dass es in der Gesellschaft und in der Kirche mittlerweile eine weitaus größere Vielfalt und Buntheit an Beziehungen und Familienstrukturen als früher gibt, für richtig. „Ich halte das Diskussionspapier trotz einiger kritikwürdiger Schwächen für einen wichtigen und notwendigen Impuls im Hinblick auf eine evangelische Standortfindung angesichts dieser gesamtgesellschaftlichen Veränderung“, betonte Zimmermann.

Schwerpunktthema: Gedenken an den 75. Jahrestag der Reichspogromnacht
Am 9. November 1938 fanden in ganz Deutschland Ausschreitungen gegen Juden statt. Geschäfte wurden geplündert und demoliert, Synagogen in Brand gesteckt. „Dieses Pogrom war spontan, auch wenn die antijüdische Stimmung im Land zuvor aufgeheizt worden war“, resümierte Professor Dr. Siegfried Hermle vom Institut für Evangelische Theologie an der Universität zu Köln. Vorangegangen war ein Anschlag auf einen deutschen Gesandten in Paris zwei Tage zuvor. Als das Opfer am 9. November seinen Verletzungen erlag, entlud sich der, allerdings geschickt angestachelte Volkszorn gegen die vermeintlichen „Übeltäter“. Die Bilanz: Rund 8000 zerstörte Geschäfte, etwa 400 beschädigte und zerstörte Synagogen und rund 30.000 jüdische Männer, die in dieser Nacht verhaftet wurden. „Es war der Beginn einer neuen Form der antisemitischen Politik des NS-Regimes“, so Hermle, der sich im Folgenden vor allem mit der Reaktion der evangelischen Kirche in Deutschland auf diese gewalttätigen und vor allem in aller Öffentlichkeit begangenen Ausschreitungen beschäftigte.

Die Kirche war wie gelähmt
Da gab es zum einen die „Deutschen Christen“, die mit dem System sympathisierten und Zustimmung zu den Vorgängen äußerten. Die „Bekennende Kirche“ blieb zunächst stumm. „Sie war wie gelähmt, was wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass sie selbst im Herbst 1938 unter großem Druck stand“, erläuterte Hermle. Nur einzelne Pfarrer wagten es einige Tage später, klar Stellung zu beziehen gegen das Pogrom. Und die evangelische Landeskirche als dritte Säule protestantischen Glaubens zu jener Zeit hielt sich bedeckt. Theophil Heinrich Wurm, Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, sprach in den 1950er Jahren von einem „Bann“, der die evangelische Kirche dadurch getroffen habe. Ein Bann, der zu jahrelangem Schweigen geführt habe. Ein Schweigen, das teilweise sogar bis in die Gegenwart hineinreiche, berichtete Hermle.

Verharmlosen bringt nichts
Ebenfalls mit der Gegenwart beschäftigte sich anschließend Patrick Fels von der Informations- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus (IBR) im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln. Er berichtete über neue Formen des Rechtspopulismus und den Gefahren, die dadurch für die Jugendarbeit im Allgemeinen und für evangelische Jugendarbeit im Besonderen entstehen. „Rechtsextremismus heute, das sind nicht mehr die Skinheads in Springerstiefeln“, stellte er klar. Der Rechtspopulismus habe eine Stilvielfalt angenommen und sich in Richtung anderer Jugendkulturen geöffnet, um attraktiver auf Jugendliche zu wirken und so neue Anhänger zu rekrutieren. Die Gefahr bestehe darin, dass solcherart „getarnte“ Neonazis nicht mehr eindeutig zu identifizieren seien. Dazu komme die Tendenz, vermehrt in Vereinen und Organisationen und auch in der Jugendarbeit Fuß zu fassen, um unter dem Deckmantel des vermeintlichen Einsatzes für das Allgemeinwohl rassistisches und nationalistisches Gedankengut zu verbreiten. Auch evangelische Jugendarbeit sei davor nicht gefeit, warnte Fels, auch wenn die Weltanschauungen zunächst unvereinbar scheinen. Neben der Gewinnung neuer Anhänger sei ein weiteres Ziel des neuen Rechtspopulismus die Besetzung des öffentlichen Raums. Aufmärsche, die nicht verhindert werden können, oder Nazi-Parolen, die auf Mauern gesprüht werden, seien aus Sicht der Szene kleine, aber regelmäßige Erfolge. Fels legte ein sofortiges und konsequentes Einschreiten gegen diese Formen der öffentlichen Äußerungen nahe. „Verharmlosen bringt hier gar nichts, weil Erfolge die Szene zu weiteren Taten ermutigt.

Haushaltsplan verabschiedet
Gut gewirtschaftet hat der Kirchenkreis auch im vergangenen Jahr wieder. Die Jahresrechnung für 2012 ergab bei Einnahmen in Höhe von 1.189.034,23 Euro und Ausgaben in Höhe von 1.169.607,94 Euro einen Überschuss von 19.426,29 Euro, wie die Synodalälteste Gabriele Orbach den Synodalen vortrug. Von diesem Überschuss vergab die Kreissynode jeweils 2.000 Euro an den Verein „Der Sack“, der bedürftige Familien mit Lebensmitteln unterstützt, und an die Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich auf verschiedenen Ebenen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus einsetzt. Der restliche Überschuss in Höhe von mehr als 15.000 Euro wird an die Gemeinden im Kirchenkreis ausgeschüttet, da der Rücklagenbestand des Kirchenkreises bereits sehr hoch sei, so Orbach.
Der Haushaltsplan für 2014 sieht Einnahmen in Höhe von 1.295.324 Euro und Ausgaben in Höhe von 1.235.401 Euro vor. Der somit erwartete Überschuss in Höhe von 59.923 Euro soll nach dem Entwurf den Rücklagen zugeführt werden. Der Haushaltsplan für 2014 wurde von der Kreissynode einstimmig festgestellt.

Modell für zukünftige Personalplanung
355 Mitarbeitende, verteilt auf 238,8 Vollzeitstellen, sind in den Gemeinden des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Nord, im Kirchenkreis selbst sowie im Gemeindeverband Köln-Nord und im Kitaverband Köln-Nord beschäftigt. Den entsprechenden Personalbericht nahm die Kreissynode zur Kenntnis. Gleichzeitig entschied sie sich für die zukünftige Personalplanung für ein so genanntes „Mischmodell“, bei dem einige Arbeitsfelder der Stellenbesetzung, beispielsweise die Jugendarbeit, auf den Kirchenkreis übertragen, andere, wie etwa Kirchenmusik, in regionale Kooperationen der Gemeinden gelegt werden. Damit folgt der Kirchenkreis einer landeskirchlichen Vorgabe zur Kirchlichen Personalplanung.

Fortschritte bei Verwaltungsstrukturreform
Die Weichen für einen neuen Gemeinde- und Kirchenkreisverband Köln-Nord sind gestellt: Die Kreissynode entschied sich dafür, gemeinsam mit den drei anderen Kölner Kirchenkreisen bei der Kirchenleitung einen Ausnahmeantrag zum Verwaltungsstrukturgesetz zu stellen, der bei der beabsichtigen Neustrukturierung der kirchlichen Verwaltung mehr Handlungsspielraum als das von der Landeskirche vorgegebene Grundmodell bietet. Zu dem neuen Verband Köln-Nord würden demnach der Kirchenkreis Köln-Nord, alle Kirchengemeinden des Kirchenkreises, der Evangelische Kindertagesstättenverband Köln-Nord sowie die Evangelische Gemeinde Köln und die Evangelischen Kirchengemeinden Köln-Deutz/Poll, Köln-Nippes und Köln-Riehl aus dem Evangelischen Kirchenkreis Köln-Mitte gehören. Der neue Verband soll die Verwaltungsarbeit effizienter gestalten, „die Kirchenkreisgrenzen selbst bleiben unverändert“, betonte Superintendent Markus Zimmermann.

Neue Freizeitrichtlinien
Um Planungssicherheit sowohl beim Haushalt des Kirchenkreises als auch bei den Veranstaltenden von Ferienfreizeiten zu schaffen, wurde eine Neufassung der Freizeitrichtlinien des Kirchenkreises Köln-Nord erstellt. Berechtigungen, Voraussetzungen und die Förderung dieser freiwilligen Leistung des Kirchenkreises wurden genau definiert. Hintergrund war eine deutliche Überschreitung des Haushaltsansatzes im vergangenen Jahr. Die zunächst vorgeschlagene Förderung in Höhe von vier Euro pro Teilnehmenden und Übernachtung wurde nach einigen Diskussionen auf fünf Euro erhöht, was bereits im kommenden Jahr zu Mehrausgaben in Höhe von 17.500 Euro führen wird. Nach dieser Anpassung wurden die neuen Freizeitrichtlinien einstimmig beschlossen.

Mehr Ausbildungsplätze für den Prädikantendienst
Bis zu zwei Jahren müssen engagierte Gemeindeglieder auf einen Platz in dem Ausbildungskurs warten. Die Ausbildung ist aber Voraussetzung dafür, die verantwortungsvolle ehrenamtliche Aufgabe eines Prädikanten oder einer Prädikantin zu übernehmen. Die lange Wartezeit auf einen Ausbildungsplatz wurde von der Kreissynode heftig kritisiert, zumal an vielen Stellen immer wieder von der Bedeutung des Ehrenamtes für die Zukunft der evangelischen Kirche gesprochen werde. Einstimmig unterstützten die Synodalen daher einen Antrag der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Neue Stadt, der eine Erweiterung des Kontingents landeskirchlicher Ausbildungsplätze für den Prädikantendienst vorsieht. Und erweitert wurde dieser Antrag noch um den Aspekt der Inklusion, der bei der Ausbildung der angehenden Prädikanten ebenfalls berücksichtigt werden soll.

Termine
Die Kreissynode Köln-Nord tagt auf jeden Fall wieder am Samstag, 8. November 2014. Eine Frühjahrssynode sei aber bei aktuellen Entwicklungen nicht ausgeschlossen, so Superintendent Markus Zimmermann. Der Termin dafür werde rechtzeitig bekannt gegeben.

Stichwort: Kirchenkreis Köln-Nord
Dem Kirchenkreis Köln-Nord gehören 15 Gemeinden mit rund 75.000 Gemeindegliedern an. Sie liegen einerseits im Kölner Norden – in Worringen, Niehl und Chorweiler, von Ehrenfeld und Braunsfeld bis zum Rhein im Osten. Andererseits gehören auch die Kirchengemeinden im nördlichen Rhein-Erft Kreis außerhalb von Köln in Bedburg, Bergheim, Elsdorf und Pulheim zum Kirchenkreis. Die Interessen dieser Gemeinden werde im „Parlament“ des Kirchenkreises, der Kreissynode, von derzeit 103 Synodalen vertreten.

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Jörg Fleischer