Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU) hat die Richtlinie des Kölner Kardinals Joachim Meisner zu multireligiösen Gottesdiensten kritisiert. „Mich hat die Türkeireise des Papstes sehr beeindruckt. Ich stehe im interreligiösen Miteinander dem Papst näher als Kardinal Meisner“, sagte Laschet der in Berlin erscheinenden Tageszeitung „Die Welt“ (Freitagausgabe). „Ich glaube, unsere Zeit braucht nicht weniger, sondern mehr Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen.“
Der Kölner Erzbischof hatte den katholischen Schulen und allen katholischen Religionslehrern im Erzbistum Köln die Teilnahme an multireligiösen Gottesdiensten untersagt. Das Kölner Erzbistum hatte die heftig kritisierte Richtlinie von Kardinal Joachim Meisner zu multireligiösen Feiern an Schulen unlängst verteidigt. „Die Richtlinie des Erzbischofs betrifft ausdrücklich multireligiöse Gottesdienste an Schulen“, heißt es in einer am Mittwochabend in Köln veröffentlichten Erklärung. Die Richtlinie beziehe sich nicht grundsätzlich auf alle multireligiösen Feiern.
In den evangelischen Landeskirchen in NRW werden gemeinsame religiöse Feiern an Schulen grundsätzlich befürwortet. Ein gemeinsames, interreligiöses Gebet lehnt jedoch auch die evangelische Kirche aus theologischen Gründen ab. Die Richtlinie Meisners für katholische Religionslehrer im Erzbistum sei keine Absage an den „notwendigen interreligiösen Dialog“ und widerspreche nicht den vielfältigen Integrationsbemühungen, erklärte die erzbischöfliche Pressestelle in Köln.
Ökumenische Gottesdienste verschiedener christlicher Konfessionen oder andere Veranstaltungen ohne gottesdienstlichen Charakter blieben von der Richtlinie unberührt. Das Erzbistum wies darauf hin, dass es keine gemeinsamen Gottesdienste etwa von Christen und Muslimen gibt. Bei Kindern sei das Glaubenswissen noch „nicht vollständig entfaltet“. Sie könnten nur schwer nachvollziehen, dass bei einem Gebet jede Religionsgemeinschaft nur allein zu ihrem Gott bete. In der Richtlinie betont der Erzbischof, dass das Gottesbild der nichtchristlichen Religionen nicht identisch sei mit dem Gott, der „Vater unseres Herrn Jesus Christus ist“. Daher seien gemeinsame Gottesdienste nicht möglich, erklärte Meisner.
In der evangelischen Kirche werden multireligiöse Feiern gelassener gesehen. Gemeinsame Feiern in Kindergärten und Schulen seien möglich, sagte der Sprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland, Jens-Peter Iven, dem epd in Düsseldorf. „Gemeinsames Beten ist eher schwierig, wir glauben aber, dass es möglich ist, nebeneinander zu beten.“ Wenn Kinder unterschiedlicher Religionen gerade in der Adventszeit zusammen feierten, sei das auch eine Gelegenheit, etwas voneinander zu lernen, sagte Iven.
Die Evangelische Kirche von Westfalen befürwortet eine Teilnahme am Gebet der jeweils anderen Religion, spricht sich aber gegen ein gemeinsames Gebet aus. „Ein Jude kann nur als Jude, eine Christin nur als Christin, ein Moslem nur als Moslem beten“, stellt die westfälische Kirche in einer Handreichung zu multireligiösen Feiern zum Schulanfang fest. Bei religiösen Schulfeiern „sollten nur Gebete aus der jeweils eigenen Glaubenstradition gesprochen werden, wobei die anderen zum achtungsvollen Hören eingeladen sind“.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) unterscheidet in ihrer kürzlich veröffentlichten Denkschrift „Klarheit und gute Nachbarschaft“ zulässige „multireligiöse Gebete“ und nicht mögliches „interreligiöses Beten“. Bei multireligiösen Gebeten wird nebeneinander gebetet. Beim interreligiösen Gebet sprechen Menschen unterschiedlichen Glaubens dasselbe Gebet. Das interreligiöse Gebet komme aus theologischen Gründen nicht in Betracht. Auch sei „jedes Missverständnis, es finde ein gemeinsames Gebet statt, zuverlässig zu vermeiden“.
Ähnlich äußert sich die Deutsche Bischofskonferenz in einer Handreichung aus dem Jahr 2003. Multireligiöse Feiern könnten ein Zeichen von Rassismus und Gewalt für Versöhnung und Frieden setzen, heißt es da. Bei der Durchführung solcher Feiern, möglichst an einem neutralen Ort, sollte darauf geachtet werden, dass die Unterschiede zwischen den christlichen Konfessionen und anderen Religionen von den Mitfeiernden wahrgenommen werden
Position der EKiR zur Frage nach „multireligiösen Feiern“ in Schulen
Durch die Richtlinie Joachim Kardinal Meisners „zu multireligiösen Feiern in Schulen“ vom 17.11.2006 (Text und Stellungnahme des Erzbistums vom 6.12.06 hier) ist es zu Nachfragen bezüglich der Position der Evangelischen Kirche im Rheinland zu Schulfeiern mit religiösen Elementen gekommen.
Diese Frage behandeln bereits das Materialheft „Multireligiöse Feiern zum Schulanfang. Hinweise und Vorschläge zur Gestaltung„, das 2004 von der Evangelischen Kirche von Westfalen herausgegeben wurde, sowie die Orientierungshilfe „Christen und Muslime nebeneinander vor dem einen Gott. Zur Frage gemeinsamen Betens„, die 1998 von der Evangelischen Kirche im Rheinland veröffentlicht wurde.
Aus evangelischer Sicht ist in dieser Tradition zunächst der verbindende Charakter konfessions- und religionsübergreifender Feiern zu betonen. Dabei ist sodann zwischen Schulgottesdiensten und sonstigen religiösen Feiern zu unterscheiden:
Auch wenn sich religionsübergreifende Gottesdienste, aufgrund der Unterschiede zwischen den verschiedenen Gottesbildern, aus protestantischer Sicht verbieten, so beinhalten nicht-gottesdienstliche Feiern ein erhebliches Potential. Sie enthalten verschiedene Möglichkeiten zur Förderung der Schul- und Klassengemeinschaft, die genutzt werden sollten. In der konkreten Situation wird es – ganz in der Tradition der EKD-Studie „Identität und Verständigung“ – darauf ankommen, das Trennende nicht zu verschleiern sondern als Chance zur Selbst- und Fremdwahrnehmung zu nutzen. Dies setzt eine unterrichtliche Vor- und Nachbereitung voraus, wie sie in der Vergangenheit immer wieder praktiziert wurde. Dabei sorgt eine paritätische Besetzung eines Vorbereitungskreises mit Vertretern aller beteiligten Religionsgemeinschaften für eine Ausgewogenheit, die die Verschiedenheit der Beteiligten gleichberechtigt würdigt.
Diese Rahmenbedingungen lassen verschieden bleiben, was nicht gleich ist und ermöglichen damit, sich und den anderen in seiner unterschiedlichen Identität zu erkennen. Religionsübergreifende Feiern beinhalten von daher eine integrative Chance zur Festigung einer interreligiösen Schulgemeinschaft, in der jeder angesichts der Andersartigkeit des Anderen er selber sein kann.
Auch die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) hat eine Arbeitshilfe herausgegeben: In der Schriftenreihe „Texte aus der Ökumenischen Centrale“ erschien mit der Nr. 9: das Heft „Multireligiöses Feiern und Beten – Was Kirchen dazu sagen“. Zum Preis von 3 Euro hier zu beziehen.
Foto(s): Glaser