„Theologische Grundannahmen und ihre Folgen für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche“: Diesen Workshop können Teilnehmende am Donnerstag, 27. Oktober, von 19 bis 21.30 in der Melanchthon-Akademie des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region besuchen. Es wird darum gehen, dass die Evangelische Kirche von bestimmten Grundannahmen und Glaubensätzen lebt, die sich in ihren Ritualen, Strukturen, sowie in den Verhalten von Akteuren und Akteurinnen wiederspiegeln. Eine dieser theologischen Grundannahmen ist die Rechtfertigungslehre.
Herausfordernde Fragen von Schuld und Vergebung
Die Rechtfertigungslehre gilt als eine, wenn nicht sogar die reformatorische Entdeckung der Gnade Gottes, die durch den Glauben zur Rechtfertigung vor Gott führt. Doch gerade in der Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt wird diese reformatorische Erkenntnis zu einem Hindernis und verstellt den Blick auf die Betroffenen, so die These von Dr. Thomas Zippert. Als Theologe und in seiner Beauftragung als landeskirchlicher Koordinator der evangelischen Kirche von Kurshessen-Waldeck beschreibt er Spannungsfelder, die sich auf Basis der Rechtfertigungslehre im Umgang mit sexualisierter Gewalt ergeben. „Die Rechtfertigungslehre als theologische Grundannahme beschreibt Gott als einen gnädigen Gott, der auf Basis des Glaubens Vergebung stiftet. Diese Erkenntnis erleben Menschen zumeist großen Befreiungsmoment – im Kontext von sexualisierter Gewalt in der Kirche fordert stößt diese Vorstellung jedoch schnell an ihre Grenzen und an tiefgehende, teils sehr herausfordernde Fragen von Schuld und Vergebung“, sagt Daniela Krause-Wack, Studienleiterin an der Melanchthon Akademie.
Neben dieser theologischen Analyse wird Claudia Paul, Ansprechpartnerin für Betroffene, Prävention und Intervention, aus der Praxis in der evangelischen Kirche im Rheinland berichten und Rückschlüsse und Widerstände aufzeigen. Im Anschluss wird in der Gruppe über Handlungsperspektiven und Lernaufgaben gesprochen. „Zeitgleich gibt es auch schon Ansatzpunkte, mit denen sich ganz konkret denken lässt. Ein Beispiel ist der Blick auf die Schutzkonzepte der Kirchengemeinden, hier stellt sich neben der Präventionsmaßnahmen auch die Frage nach Versöhnung und Wiedergutmachung. Aber auch im gottesdienstlichen Handeln braucht es neue Impulse, um der Perspektive von Betroffenen Raum zu geben“, erklärt Daniela Krause-Wack.
Hinterfragung der unterschiedlichen Handlungsperspektiven
„Bis heute ist die kirchliche Praxis von Grundannahmen geprägt, die Täter und Täterinnen und Opfer unterschiedliche Handlungsperspektiven zu weisen. Die Rechtfertigungslehre sichert Täter und Täterinnen die Möglichkeit der Gnade zu, es werden Wege aus der Schuld aufgezeigt. Den Opfern bleibt ein solcher Weg in dieser Grundannahme verwehrt – ja vielleicht werden sie sogar auf den Gedanken gebracht, selbst verantwortlich für das Geschehen zu sein“, erläutert Daniela Krause-Wack. „Die Bibel kennt auch ganz andere Perspektiven und Grundannahmen, die eines Gottes, der auf der Seite der Betroffenen steht, mitfühlt und Wege der Befreiung sucht. In der Veranstaltung werden diese unterschiedlichen Handlungsperspektiven, die weiterhin parallel existieren, hinterfragt und wir wollen gemeinsam überlegen, welche Veränderungen es beispielsweise im gottesdienstlichen und seelsorgerlichen Handeln, aber auch in der Gemeindeleitung braucht.“ Die Veranstaltung richte sich an alle, die Interesse daran haben, kritisch zu reflektieren und Handlungsmuster in der Evangelischen Kirche zu hinterfragen, insbesondere an Menschen, die sich mit sexualisierter Gewalt ernsthaft auseinandersetzen wollen und die sich gerne in der Kirche engagieren.
Anmeldung und Kontakt
Die Online-Veranstaltung kostet fünf Euro. Anmeldung unter:
Melanchthon-Akademie
Kartäuserwall 24b | 50678 Köln
Telefon: 0221 93 18 03-0 | Fax: -20
anmeldung@melanchthon-akademie.de
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