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Lobby für Arbeitslose in Gefahr: unabhängige, unparteiische Beratung durch das KALZ könnte ersatzlos wegbrechen

Vor mehr als zwei Jahren feierte das Kölner Arbeitslosenzentrum (KALZ) sein 25-jähriges Bestehen. In vielen Grußworten wurde das Engagement der Einrichtung, die maßgeblich vom damaligen Evangelischen Stadtkirchenverband initiiert und heute vom Evangelischen Kirchenverband Köln und Region sowie der Diakonie unterstützt wird, gelobt. Heute steht eine Säule dieses Engagements, die Beratung von arbeitslosen Menschen, vor dem Aus: Die Stadt Köln hat angesichts der dramatischen Finanzsituation angekündigt, die Förderung der Arbeitslosenberatungsstellen und Arbeitslosenzentren Ende des Jahres einzustellen. 260.000 Euro sollen damit jährlich eingespart werden. Die Folge: Eine unabhängige, unparteiische Beratung der betroffenen Menschen bricht ersatzlos weg.

„KALZ wird entkernt“
„Das KALZ wird entkernt“, beschrieb Geschäftsführerin Hedel Wenner die Situation. Neben der Arbeit für Obdachlose ist die Arbeitslosenberatung zentraler Bestandteil der täglichen Arbeit. Mehr als 2.000 Beratungen führte die Einrichtung 2009 durch, „eines der Hauptthemen derzeit ist die Anrechnung von Einkommen auf die Transferleistungen und die damit verbundenen Rückerstattungsforderungen der Arge“, so Wenner. Seit 1984, kurz nach der Gründung, ist das KALZ Mitglied im Netzwerk der Kölner Arbeitslosenberatungsstellen geworden. Mit dabei sind der „Lindweiler Treff“, der „Vingster Treff“, der „Veedel e. V.“ aus Ostheim, der „Kellerladen“ aus Bilderstöckchen, das „Arbeitslosen Bürger Centrum (ABC) in Trägerschaft der Caritas in Höhenhaus sowie die Vereine „Engagiert in Chorweiler (Echo“) und „Frauen gegen Erwerbslosigkeit“. Diese acht Träger bieten in vier Beratungsstellen und vier Zentren Hilfe und Unterstützung für Menschen, die keine Beschäftigung haben und die auf staatliche Hilfe angewiesen sind. 2009 waren es knapp 8.000 Menschen, die Beratung und Unterstützung beim Netzwerk suchten. Schon in diesem Jahr wurde die Arbeit durch die pauschalen Kürzungen der Stadt in Höhe von 12,5 Prozent beeinträchtigt.

Unverständliche Anträge und Bescheide
Und obwohl die staatliche Unterstützung in dicken Gesetzbüchern geregelt ist, ist der Kontakt mit der Arge, die für die Bearbeitung der Anträge und die Erteilung der Bescheide zuständig ist, ein unangenehmes Geschäft für die Betroffenen. Sie brauchen unabhängige Unterstützung, wie sie das Netzwerk leistet. „Die Anträge und Bescheide sind für die meisten unverständlich. Viele fühlen sich unter Druck gesetzt oder gar schuldig, nur weil sie ihr Recht in Anspruch nehmen. Immer öfter entsteht auch die Situation, dass Leistungen der Arge verhandelbar sind. Wer sich nicht gut verkaufen kann, bekommt weniger“, schildert Beate Mages vom „Vingster Treff“ die tägliche Situation. Neben der Beratung in rechtlichen Fragen, der Überprüfung von Bescheiden und gegebenenfalls das Einlegen von Widersprüchen gehört aber auch eine „Politik der kleinen Schritte“, wie es Susanne Rabe-Rahmann vom ABC beschrieb, dazu: Sprachförderung, Projekte für alleinerziehende Mütter, Bewerbungstraining – all das dient der Motivation der Betroffenen, um Stück für Stück aus der Misere heraus zu gelangen.

Sicherung der Grundexistenz
Die wichtigste Aufgabe aber bleibt die Sicherung der Grundexistenz. „Wer Hartz IV bezieht und nebenbei Geld verdient, bekommt sein Einkommen auf die Unterstützung angerechnet. Obwohl die meisten ihre Erwerbstätigkeit bei der Arge anmelden, dauert es oft Monate, bis ein Bescheid kommt, der zur Rückzahlung der zu viel gezahlten Leistungen auffordert. Und wer dann in dieser Zeit nicht das Geld zur Seite gelegt hat, gerät sehr schnell in die Schuldenfalle“, beschrieb Wenner eines der Hauptthemen der derzeitigen Beratungen. „Ohne Existenzsicherung aber haben die Menschen keinen Kopf dafür, wie sie ihre Situation vielleicht verbessern können“, betonte sie. Hier greifen das KALZ und die anderen Träger ein, stehen den Betroffenen beratend und helfend zur Seite und verstehen sich als Interessenvertretung der arbeitslosen Menschen. „Es macht viel aus, wenn man Leute an seiner Seite hat, die sich auskennen und die etwas tun. Wenn das KALZ diese Arbeit einstellen muss, wäre das eine soziale Verarmung in dieser Stadt“, schildert ein Betroffener, der das Kölner Arbeitslosezentrum regelmäßig besucht.

Schon einmal evangelischer Widerstand gegen Mittelstreichung: ebenso am Dienstag, 13. Juli
Statt die Existenzsicherung anderer Menschen zu begleiten und zu unterstützen, müssen sich die acht Träger in dem Kölner Netzwerk nun aber verstärkt um die eigene Existenz kümmern. Dabei standen die Beratungsstellen schon einmal vor dem Aus: Im Oktober 2008 strich die Landesregierung die finanzielle Unterstützung der Arbeitslosenberatungsstellen landesweit. Die evangelischen Kirchen in Rheinland, Westfalen und Lippe und ihre Diakonien haben sich damals vehement für eine Fortsetzung der Förderung eingesetzt. Sie tragen eine Vielzahl von Arbeitslosenberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen. Für Köln kam es zu einer Lösung, als die Stadt in die Bresche sprang und den Fortbestand der Kölner Einrichtungen sicherte. Doch jetzt will auch die Stadt nicht mehr. Um die jahrzehntelang im Veedel gewachsenen Strukturen zu erhalten, werden jetzt zahlreiche Gespräche geführt. Am Dienstag, 13. Juli, behandelt der Kölner Rat das Thema. „Da werden wir dabei sein“, kündigte Hedel Wenner an.

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Jörg Fleischer