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Lebendiges Fest der Kulturen in Sinnersdorf

Die Hilfsbereitschaft der Sinnersdorfer ist ungebrochen groß, nachdem im November des vergangenen Jahres rund 100 Flüchtlinge in dem Pulheimer Ortsteil untergekommen sind. Spontan gründeten Anwohner das „Netzwerk Sinnersdorf“, dessen 170 Mitglieder seitdem unermüdlich im Einsatz sind. Den Erfolg der Initiative feierten Ehrenamtler und Flüchtling am letzten Februarwochenende gemeinsam mit einem großen Begegnungsfest.

Die Freude über die Begegnung stand den knapp 300 Besucherinnen und Besuchern buchstäblich ins Gesicht geschrieben: Auf dem Fest, das die Sinnersdorfer und „ihre“ Flüchtlinge in nur kurzer Planungszeit auf die Beine gestellt hatten, fehlte es an nichts. In einem eigens hergerichteten Büffet-Raum türmten sich Speisen aus aller Herren Länder – darunter Spezialitäten wie eine vegetarische Gemüsepfanne aus Korsika, eine Kartoffel-Hühnchen-Pfanne aus dem Irak oder eine kräftige Suppe aus Polen. Draußen gab es deutsche Reibekuchen und als kulinarisches Spektakel eine syrische Kochvorführung.

Eine Welle der Hilfsbereitschaft
Gerhard Maier, Mitinitiator des Netzwerkes, erläutert die Ziele der Initiative: „Wir möchten die Menschen des Ortes informieren und damit Gerüchten entgegenwirken; wir unterstützen die Flüchtlinge durch Sach-, Zeit- und Finanzspenden und wir kümmern uns um die Integration und das Zusammenwachsen mit unseren neuen Nachbarn.“ Mit im Boot ist die örtliche Politik, die beiden Kirchen und nicht zuletzt Vertreter der örtlichen Grundschule. In deren Turnhalle leben derzeit knapp 60 der 100 Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, dem Libanon und dem Irak. Und dort hat auch die Gründung des Netzwerks ihren Anfang genommen. Maier, der auch der Stadtelternschaft Pulheims vorsteht, hatte im November die Eltern der Grundschüler zu einer Infoveranstaltung eingeladen. Dabei wurde schnell klar, dass viele Bürger sich engagieren wollten und dass diese Hilfsangebote schnellstmöglich gebündelt werden mussten. Mittlerweile ist das Netzwerk zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen.

Deutschkurse stehen hoch im Kurs
Fast täglich finden in der Turnhalle Begegnungen und Angebote statt. Einige Helfer bieten Sportarten an, andere kochen und spielen mit den Flüchtlingen oder organisieren interkulturelle Trainings. Die größte Nachfrage besteht jedoch nach Deutschkursen. Marc Wille ist einer der „Deutschlehrer“ und Helfer der ersten Stunde. Er entwickelte selbst ein Konzept, wie man Menschen Deutsch beibringen kann. Mittlerweile haben seine Schüler schon ein passables Niveau erreicht und fragen über das bloße Verständigen hinaus nach vertiefenden Grammatikeinheiten. Wille ist inzwischen Koordinator für das umfangreiche Angebot an Deutschkursen.

Ohne Koordination geht nichts
Aber nicht nur der Alltag der Flüchtlinge muss organisiert werden, sondern auch Amtsfahrten in die Kreisstadt Bergheim, die Beschulung der Kinder und das Zusammenleben auf engstem Raum. „Wenn ich durch die Halle gehe“, erzählt Flüchtlingskoordinatorin Maria Budelsky, „darf ich meinen Notizblock nicht vergessen. Von allen Seiten werden große und kleine Fragen an mich herangetragen.“ Sie muss die Fäden zusammenhalten und die rund 170 Ehrenamtler koordinieren und ihnen die Aufgaben zuweisen.

Kinderbetreuung und Austausch
Lilo Haag ist eine davon: Sie kümmert sich immer mittwochs um die Kindergartenkinder und bringt ihnen spielerisch Deutsch bei. „Das ist inzwischen zu einem richtigen Projekt angewachsen“, erzählt Haag strahlend. „Ab 15 Uhr kommen die Schüler dazu und es sind immer ein oder zwei Frauen dabei. Alle machen begeistert mit, wenn aus Bilderbüchern und mit einfachen Spielen Deutsch gelernt wird“. Manchmal lässt sie sich auch überreden, mit fünf bis sechs jungen Männern nach Dormagen zum Schwimmen zu fahren. Eine willkommene Abwechslung für die Neuankömmlinge.

Susanne Heinrich engagiert sich ebenfalls von Anfang an. Sie bietet eine interkulturelle Gruppe an. „Wir möchten uns einfach mit den Menschen austauschen, möchten wissen, was für Menschen da zu uns kommen, aus welchen Nationalitäten“. Die Deutschen erzählen – meist auf Englisch – vom Leben hier. „Der Austausch ist so unkompliziert wie unter Studenten, so als wenn man noch mal 20 wäre“, fasst sie begeistert zusammen.

Gelungene Willkommenskultur
Trotz des Zusammenlebens auf engstem Raum, sei die Stimmung unter den Flüchtlingen gut, berichten die Ehrenamtler. Die Flüchtlinge wissen das Engagement zu schätzen und freuen sich über den Austausch und die zahlreichen Angebote. Das Begegnungsfest sei ein würdiger Rahmen, um die bisher erzielten Erfolge zu feiern und die Beziehungen zu den neuen Nachbarn zu festigen. Nach den ersten Willkommensmonaten gilt es nun, die Flüchtlinge dauerhaft zu integrieren.

Text: Anne Siebertz
Foto(s): Anne Siebertz