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„Kunst für alle“ in der Kulturkirche Buchforst

Um ein Wohnprojekt für Obdachlose zu finanzieren, veranstaltet der Verein „Kunst hilft geben für Arme und Wohnungslose e.V.“ regelmäßig Verkaufsausstellungen, zu denen namhafte Künstler Werke beisteuern. Diesmal war der Grafiker, Plakatkünstler und Karikaturist Klaus Staeck aus Heidelberg angereist, um an der Eröffnung einer Ausstellung seiner Werke mit dem Titel „Kunst für alle“ in der Kulturkirche Ost in Köln-Buchforst teilzunehmen.

Das Porträt von Albrecht Dürers Mutter, versehen mit der provokanten Frage „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“ zierte in den 80er Jahren massenhaft die Wände von Studenten-WGs. Auch der Erdball als sorgfältig zu behandelnde Mietsache gehörte zu den Themen kritischer Gesinnung der 70er und 80er Jahre.

Kein Sich-Einrichten in gesellschaftlichen Missständen
Auch die Gegenwart ist vor Staecks Kommentaren nicht sicher: Auf neueren Werken galoppieren Apple, Facebook, Google und Amazon als apokalyptische Reiter durch die Welt. Mit „ADE AC“ bekommt auch Deutschlands größter Automobilclub sein Fett weg. „Sie kämpfen mit großer Zielsicherheit gegen Dummheit, gegen das Sich-Einrichten in gesellschaftlichen Missständen“, lobte Professorin Dr. Irene Daum in ihrer Eröffnungsrede Staecks Werk. „Hat sich etwas geändert?“, wollte sie anschließend wissen. „Eher verschärft“, erwiderte der Künstler mit Verweis auf Konzerne wie Amazon und das Luxemburg-Modell.

Prozesse und Plakate
Postkarten und Plakate entdeckte Staeck, der erst mit Holzschnitten experimentierte, als seine Medien: Erschwinglich und für jeden käuflich, gut in hohen Auflagen reproduzierbar und gleichzeitig Medien der Straße, der Öffentlichkeit, die im Museum ihren Zweck verfehlen. Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten: Auf stolze 41 Gerichtsprozesse blickt der Künstler zurück – Partei-Abgeordnete, Industrielle und Amtsleiter waren die Kläger gegen ihn, regelmäßig erreichten ihn auch Berichte von „Normalbürgern“, die Ärger bekamen, weil seine Postkarten ihren Arbeitsplatz zierten. Der Kölner Autor Heinrich Böll leistete Unterstützung und beeindruckte ihn auf der Art Cologne, damals noch „Kölner Kunstmarkt“, mit seiner lakonischen Art: „Brauchste Jeld?“ soll Böll bei der ersten Bekanntschaft den wieder einmal in Prozessen steckenden Künstler gefragt haben. „Ich gebe nie auf“, ließ er ausrichten, als wegen seines „Alle reden vom Frieden“-Plakats eine Rüstungsfirma gegen ihn klagte.

Pfarrer mit Zivilcourage
Staeck gab und gibt sich religionskritisch, seine Werke greifen dagegen regelmäßig christliche Motive wie die apokalyptischen Reiter auf. In seiner Unbeugsamkeit wiederum nennt er sich „protestantisch“. „Es war mein Pfarrer in Bitterfeld, der mich geprägt hat“, berichtete er. Dieser nahm in der DDR kein Blatt vor den Mund und gab ihm einen frühen Eindruck von Zivilcourage.

Der Künstler Klaus Staeck
Klaus Staeck, Jahrgang 1938, wuchs in der Industriestadt Bitterfeld in Sachsen-Anhalt auf. 1953 erlebte er dort den Arbeiteraufstand mit. Nach dem Abitur 1956 zog er nach Westdeutschland, wo er zunächst das West-Abitur ablegte, dann Jura studierte. Nebenher beschäftigte er sich mit der grafischen Kunst. Ab 1960 schuf er erste Postkarten, 1964 entstanden erste Holzschnitte, 1965 gründete er in Heidelberg seinen Verlag „Edition tangente“ (heute „Edition Staeck“). Das SPD-Mitglied hatte wegen seiner politischen Plakate und Postkarten mehrere Prozesse zu führen, unterstützt wurde er durch den Kölner Autor Heinrich Böll. Staeck hatte Gastprofessuren an der Gesamthochschule Essen und an der Kunstakademie Düsseldorf, 2006 und 2009 wurde er zum Präsidenten der Akademie der Künste in Berlin gewählt. Bereits 2013 hatte Staeck für „Kunst hilft Geben“ Werke von Sigmar Polke gespendet. Seine in der Kulturkirche ausgestellten signierten Plakate können für 60 Euro erworben werden.

Die Ausstellung „Klaus Staeck – Kunst für alle“ in der Kulturkirche Ost in Köln-Buchforst, Kopernikusstraße 34, ist bis zum 15. Mai zu sehen. Die Öffnungszeiten sind montags bis samstags von 16.30 Uhr bis 19.30 Uhr, sonntags von 14 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Text: Annette von Czarnowski
Foto(s): Annette von Czarnowski