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Kölner Kammerchor hebt vergessenes Meisterwerk

Wenn in der Trinitatiskirche Bachs Weihnachtsoratorium aufgeführt wird, stehen die Menschen schon einmal gerne Schlange bis zum Rhein. Das hätten sie auch tun sollen, als der Kölner Kammerchor und das Collegium Cartusianum unter der Leitung von Peter Neumann ein Werk Georg Friedrich Händels aufführten, das weniger bekannt ist: „L’Allegro, il Penseroso ed il Moderato“.

Veröffentlichung erscheint demnächst
Zwar war auch hier die Kirche inklusive der Emporen gut gefüllt, angesichts der fantastischen Darbietung tat es einem fast um jeden leer gebliebenen Sitz in der Kirche leid. Trösten muss, dass der Auftritt selbst aufgezeichnet wurde und Peter Neumann mit seinen Mitstreitern in den Tagen sowohl vor als auch nach ihrem Konzert in der Trinitatiskirche akribisch an einer Aufnahme bastelten, deren Veröffentlichung man entgegensehnen muss.

Spannungsbogen über mehrere Stunden
„Married to immortal verse“ möchte das Libretto die Musik sehen, also: „Verbunden mit unsterblichen Versen“. Im Falle von „L’Allegro“ sind dies hauptsächlich Verse von John Milton, die zunächst vom Philosophen James Harris und dann von Händels Librettist Charles Jennens bearbeitet und um einen dritten Teil erweitert wurden, der unter anderem Anleihen bei William Shakespeare macht. Das Ergebnis ist der Widerstreit eines Melancholikers und eines Lebenslustigen, der schließlich im dritten Teil in der Mäßigung den Ausgleich findet. Dieser Konflikt mit seiner poetischen Ausmalung gibt Händel genügend Material, um eine kontrastreiche und mit schillernden Klangfarben versehene Musik zu komponieren, die mühelos einen Spannungsbogen über mehrere Stunden halten kann – „mit Melodien in verschlungenem Lauf lang ausgehaltenen gebundenen Wohlklangs“, wie es im Libretto heißt. Der Händel-Experte Peter Neumann hat sie mit seinen 50 Mitstreitern sehr nuanciert erarbeitet und so seinem Oeuvre, das unter anderem die Konzertreihe „250 Jahre Händel-Oratorien“, diverse einschlägige CD-Einspielungen und jüngst auch mit Händels „Alcina“ sein Debüt an der Kölner Oper umfasst, einen weiteren Höhepunkt hinzugefügt.

Brilliante Maria Keohane
Verlassen kann sich Neumann hierbei seit nunmehr über 40 Jahren auf den Kölner Kammerchor sowie auf das Collegium Cartusianum. Als Solist des Orchesters durfte nicht nur Martin Ennis „die mächtige Orgel ertönen“ lassen „zu dem vollstimmigen Chor drunten“, wie das Libretto berichtet. Auch Flötist Marten Root und Uli Hübner am Horn bekamen die Gelegenheit ihre Fähigkeiten zu demonstrieren. Zur Seite standen den Ensembles die Sopranistinnen Maria Keohane und Julia Doyle, der Tenor Benjamin Hulett und der Bass Andreas Wolf, wobei die Komposition insbesondere Maria Keohane mit ihrem Part als „Il Penseroso“ Gelegenheit gab zu brillieren – „most musical, most melancholy“, wie es im Libretto bei einem besonderen Schaustück, dem Duett von Sopran und Flöte, heißt.

Nächste Aufführung in der Osternacht
Insgesamt also wieder einmal ein herausragendes musikalisches Ereignis in der Trinitatiskirche, das den Besuch wert war. Am Ende applaudierte das Publikum begeistert. Die nächste Gelegenheit, den Kölner Kammerchor und das Collegium Cartusianum unter der Leitung von Peter Neumann in der Trinitatiskirche, dem „protestantischen Dom“, zu hören, bietet sich bei der Feier der Osternacht am Samstag, 30. März 2013, ab 22.30 Uhr. Dargeboten wird dann Johann Sebastian Bachs Kantate BWV 6: „Bleib bei uns, denn es will Abend werden“.

Text: Anselm Weyer
Foto(s): Anselm Weyer