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„Köln bleibt bunt, Köln will die respektvolle Verschiedenheit!“

Für den gestrigen Abend (5. Januar) hatte sich in Köln eine „Kögida“-Demonstration angemeldet. Auch in anderen Städten Deutschlands gab es sogenannte „Pegida“-Demonstrationen (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes). Hier wie dort hatte sich jedoch auch breiter Widerstand gegen diese Demonstrationen formiert. In Köln hieß es ab 18 Uhr „Licht aus“. Stadt und Kirchen setzten ein deutliches Zeichen gegen Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass, indem sie die Außenbeleuchtung am Kölner Dom, an der Antoniterkirche und in der Kölner Innenstadt ausschalteten. Vom Ottoplatz in Köln-Deutz sollte es zum Kölner Dom gehen – doch dazu kam es letztlich nicht, denn die „Kögida“-Demonstration wurde aus Sicherheitsgründen abgesagt. Zu viele Gegendemonstranten hatten sich auf den Weg gemacht und sich – unter anderem – auf die Deutzer Brücke begeben. Pfarrerin Dorothee Schaper ist für den Evangelischen Kirchenverband Köln und Region im Bündnis "Köln stellt sich quer" und berichtet von diesem Abend in einem Interview.

Frau Schaper, wie haben Sie die gestrige Aktion "Köln stellt sich quer" empfunden?
Dorothee Schaper: Im Vordergrund stand und steht für uns die Freude darüber, dass deutlich mehr Menschen auf der Seite des Bündnisses „Köln stellt sich quer“ auf der Straße waren als bei der geplanten „Kögida“-Demonstration. Es gab eine gut koordinierte Zusammenarbeit unseres Bündnisses mit „Arsch huh“ und „Kein Veedel für Rassismus“ mit sehr verschiedenen Aktionsformen. Dass sich mittlerweile 57 Gruppen in dem Bündnis „Köln stellt sich quer“ zusammengefunden haben, zeigt das breite Spektrum des Bündnisses, das ist erfreulich. Dazu gehören verschiedene Organisationen wie Gewerkschaften, Kirchen, Parteien und Stadtteilinitiativen. Ein Dach mit ganz vielen Bewohnern im Haus.

In welcher Weise hat sich die evangelische Kirche daran beteiligt?
Dorothee Schaper: Rolf Domning, der Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, hat den Aufruf zum Protest unterzeichnet. Außerdem haben die Kirchen und die Synagogengemeinde noch ein ergänzendes Wort im Sinne der Kölner Friedensverpflichtung zum 5. Januar dieses Jahres formuliert. Wir haben uns an der Organisation des Protestes und an der Pressekonferenz beteiligt. Und wie andere Gruppen auch, haben wir Ordner für den Protest gestellt. Außerdem wurden in der evangelischen Kirche alle Pfarrerinnen und Pfarrer, die am Wochenende einen Gottesdienst gehalten haben, über unsere gestrige Aktion informiert, damit sie in ihrer Abkündigung zur Aktion aufrufen konnten.

In allen Tageszeitungen liest man heute, was sich gestern Abend in Köln-Deutz ereignet hat. Was haben Sie selbst erlebt und beobachtet?
Dorothee Schaper: Es ist ja die Rede von 5.000 bis 10.000 Demonstranten, tatsächlich haben viele Menschen um die Bühne herum und bis weit dahinter gestanden. Dadurch, dass wir so viele waren, wurde es sehr eng und gedrängt. Trotz Ferien und Neujahr waren viele Tausende um den Bühnenwagen herum zu sehen und dabei konnten wir lange nicht das Ende der Menschenmenge erkennen. Deshalb haben wir von der Polizei gefordert, dass wir als Kölner Bürger und Bürgerinnnen mehr Platz bekommen.

Auf dem Bühnenwagen selbst hatten die Musiker und Künstler von „Arsch huh“ für ein Musikprogramm gesorgt. Wir hatten uns vorab bewusst für wenige Reden und viel Musik entschieden. Das Hauptanliegen sollte ja das Zeichen sein, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger quer stellen wollen. Für das Bündnis sprach sich Hajo Leib gegen Ausgrenzung, gegen Antisemitsimus, gegen Islamfeindlichkeit und für eine differenzierte Sicht in unübersichtlichen Zeiten aus. Er hat in seiner Rede an die Kölner Friedensverpflichtung erinnert, an der wir als evangelische Kirche maßgeblich beteiligt sind. Wenn man deren einzelne Punkte beherzigt, dann kann man Menschen nicht mehr ausgrenzen. Das ist auch gestern Abend deutlich geworden.

Die Gruppe Microphone Mafia auf der Bühne am LVR-Turm

Wie war die Stimmung vor Ort?
Dorothee Schaper: Die Stimmung war sehr gut, trotz des Platzmangels. Es waren viele Leute mit ihren eigenen Plakaten und mit guten Ideen vor Ort. Köln will die Vielfalt, Köln bleibt bunt, Köln will die respektvolle Verschiedenheit, kein Raum für Stupida!

Muss man ein so deutliches Zeichen setzen? Ist das überhaupt nötig?
Dorothee Schaper: Ja, das ist neben einer differenzierten Betrachtungsweise der Verhältnisse sehr nötig. Neben dem Verstehen der Ängste und Unzufriedenheiten von desorientierten Bürgern und Bürgerinnnen ist ein klares Nein gegen Hass und Ausgrenzung nötig. Einer der Musiker hat es auf den Punkt gebracht: Es geht nicht darum, alle über einen Kamm zu scheren, es geht darum, dass der Hass keine Chance hat, auf keiner Seite. Es gibt unterschiedliche Unzufriedenheiten, nicht jeder ist dabei rechtspopulistisch. Wir wollten deutlich machen: Lasst Eure Unzufriedenheit nicht in Hass und in undifferenzierte Urteile münden. Versucht, die Unzufriedenheit produktiv zu nutzen und nicht auf einen Sündenbock wie zum Beispiel den Islam oder die Flüchtlinge zu projizieren.

Gab es auch Gespräche mit „Kögida“-Demonstranten?
Dorothee Schaper: Ich habe keine Gespräche geführt, das war gestern Abend auch nicht möglich, wir hatten die Polizei als Puffer dazwischen. Sie hat darauf geachtet, dass jeder in seinem Feld bleibt. Aber kürzlich sprach Martin Stankowski von dem Versuch, mit den Veranstaltern von Pegida ins Gespräch zu kommen, das sei jedoch nicht gelungen. Es gibt wenig Schriftliches von Kögida, aber die Informations- und Beratungsstelle gegen Rechtsradikalismus (IBS) im EL-DE-Haus analysiert das, was vorliegt. Das ist auf deren Internetseite abrufbar.

Wie schnell kann so ein Bündnis überhaupt handlungsfähig werden? Wie funktionieren die Absprachen?
Dorothee Schaper: Am 19. Dezember kam die Nachricht von der Kögida-Demonstration, am 22. Dezember gab es bereits einen ersten Protestentwurf und ein Treffen der Bündnispartner. Trotz Feiertagen, Weihnachten und Urlaub ist es gelungen, den Protest kurzfristig auf die Beine zu stellen. Es haben sich einige wenige in der kurzen Zeit dahintergeklemmt, und es hat sich gezeigt, dass das Bündnis schnell reagieren kann, obwohl nicht alle verfügbar waren. Uns war klar, wir suchen gewaltfreie Aktionsformen und die dürfen vielfältig sein. So haben sich die einen auf der Deutzer Brücke organisiert und wieder andere haben die Bühne bespielt.

Wie wird es weitergehen?
Dorothee Schaper: Von manchen haben wir gehört „Ich wäre ja auch gerne gekommen, aber ich kann die großen Massen nicht ertragen“. Da heißt es über Möglichkeiten nachzudenken, wie es das nächste Mal inklusiver werden kann. Auch mit einem Rollstuhl wäre es gestern schwierig geworden. Wir werden im Bündnis überlegen, welche inklusiven Ausdrucksformen wir noch finden können.
Das Bündnis trifft sich weiter und wird auswerten, wie man sich künftig verhält. Das hängt auch davon ab, inwieweit „Kögida“ gemerkt hat, dass sie hier nicht richtig Fuß fassen können. Wir werden abwarten, ob es tatsächlich zu weiteren Montagsdemonstrationen kommt. Aber wir sind als Bündnis „Köln stellt sich quer“ nicht nur gegen etwas, wir stehen FÜR respektvolle Verschiedenheit bzw. Verschiedenheit in gegenseitigem Respekt. Damit haben wir unsere eigene Agenda. Auch der Rat der Religionen hat sich deutlich gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit geäußert und ist dabei, sich auf ein gemeinsames Wort anlässlich der Pegidabewegung zu verständigen.

Pfarrerin Dorothee Schaper arbeitet an der Kölner Melanchthon-Akademie und ist dort zuständig für den Arbeitsbereich "christlich-muslimische/interreligiöse Begegnung".

Das Interview führte Angelika Knapic.

Text: APK
Foto(s): Dorothee Schaper