You are currently viewing KLÜNGELBEUTEL spricht Martin Luther heilig

KLÜNGELBEUTEL spricht Martin Luther heilig

Ja, es habe in protestantischen Kreisen anfangs Irritationen gegeben. Und auch ein bisschen Protest, räumte Wolfgang Behmenburg vom Kirchenkabarett „Klüngelbeutel“ ein. Grund war nicht zuletzt der Titel des Programms, das im Saal der Katholischen Hochschulgemeinde jetzt Premiere feierte: „Djihad in Wittenberg – Martin Luther sein Kampf – Interreligiöses Kabarett“. Aber so auf Krawall gebürstet, wie der Titel glauben machen könnte, war das Programm dann doch nicht.

Versöhnte Verschiedenheit anstelle von Glaubenskrieg und unüberbrückbaren Differenzen war das Leitmotiv in der knapp zweistündigen Aufführung. Wolfgang Behmenburg und seine Frau Ulrike, die mittlerweile mit dem Keyboarder Walter Kunz das Ensemble des „KLÜNGELBEUTELS“ bilden, haben sich vorher erkundigt. Djihad ist, so haben sie herausgefunden, eines der Grundgebote des islamischen Glaubens und bezeichnet im Kern die hoch engagierte Bemühung auf dem Weg Gottes. Der Gläubige soll sich so sehr anstrengen, wie es ihm möglich ist, ein gottgefälliges Leben zu führen. Dazu bedarf es keiner Gewalt.

Muslimin Fatime singt „ihr“ Lied
Und so singt denn die Muslimin Fatime alias Ulrike Behmenburg zu Beginn des Programms „ihr“ Lied: „Lass Euch nichts gefallen! Ihr seid nicht irgendwer. Kampf allem, was Euch klein macht. Dient Ihnen nicht mehr. Ihr seid Kinder Allahs, der Euch frei geschaffen hat. Macht mal Djihad.“ Da ist es weniger als ein Katzensprung bis zur Freiheit des Christenmenschen.

„Ein feste Burg“ mal orientalisch
Bis zum großen Reformationsjubiläum im übernächsten Jahr lädt der KLÜNGELBEUTEL mit dem neuen Programm ein „zu einer kabarettistischen Achterbahnfahrt durch die Zeiten und Milieus, bei der es, wie schon seinerzeit beim Reformator selber – nicht ohne Zumutungen und Provokationen abgeht“. So zum Beispiel bei „Ein feste Burg“, das mit einer klassischen orientalischen Melodie daher kommt. Pfarrerin Dorothee Schaper, Islambeauftragte des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Umgebung, fühlte sich aber alles andere als provoziert: „Ich finde das Lied so ganz wunderbar.“

Johann Tetzel als Saftpresse
Ungewöhnlich war die Darstellung der Reformationsgeschichte durch den KLÜNGELBEUTEL: Da symbolisierte ein roter Klappstuhl Papst Leo X., Bauern waren Zitronen, die von Herrn Tetzel als Saftpresse ausgepresst und deren Saft zu Zitronenbonbons verarbeitet wurden, die Tetzel an den prunksüchtigen Albrecht von Brandenburg, dargestellt von einem Duschkopf, geliefert wurden. Der träumt von zwei Designer-Badewannen. Absolut sehenswerte Nummer. Wie die rappende Muslima Fatime, die sich an die ersten Jahre ihres türkischen Vaters in Deutschland bei der Müllabfuhr erinnert: „Allah ruft mich nicht, ich bin zum Bleiben verdammt. Meine Seele gehört dem Stadtreinigungsamt.“

„Luther-Support – das kluge Wort“
Und immer wieder klingelt zwischen den Nummern das Telefon: „Luther-Support – das kluge Wort“ flötet es dem ratsuchenden Anrufer entgegen. Da ist dann schon mal Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, in der Leitung, der evangelisch werden möchte, weil ja nur die protestantischen Länder mit dem Euro umgehen können. Im Gegensatz zu den katholisch und orthodox geprägten Staaten im Süden Europas. Und so geht es immer weiter im Programm. Da ist der Kofferbombenbauer, dem nacheinander Moses, Jesus und Mohammed erklären, er habe „die Drähte“ falsch. Aber erst „Conchita Wurst“ schafft es, ihn zu überreden, einen Schulabschluss zu versuchen. „Rise like a Phoenix“ hieß der Wurst-Beitrag zum Europäischen Schlagerwettbewerb. Man möchte es dem Bombenbauer auf der Schulbank wünschen.

Papst spricht Reformator heilig
Mit Kardinal Meisner hat sich dem KLÜNGELBEUTEL ein über die Jahre liebgewonnenes Thema in den Ruhestand verabschiedet. Der neue auf dem Stuhl des Erzbischofs ist kabarettistisch noch nicht so recht zu packen. Möglicherweise, so Behmenburg, handele der nach dem Motto „Kannst Du Deinen Gegner nicht eliminieren, lächele ihn in Grund und Boten“. Es gebe ja Gerüchte, der Papst käme im Reformationsjahr 2017 nach Wittenberg, um den Reformator heilig zu sprechen. Wunder habe Luther nun weiß Gott genug gewirkt. Die katholische Kirche von Grund auf reformiert, den Ablass abgeschafft, die Bibel in alle Sprachen übersetzt und den Laienkelch sowie Gottesdienste, die jeder versteht, eingeführt. „Liebe Protestanten“, könnte Erzbischof Woelki dann sagen, „das war's mit Euch. Es gibt keinen Grund mehr für eine protestantische Kirche. Luther ist jetzt einer von uns. Und seine Gebeine werden selbstverständlich in den Dom umgebettet.“

Leiden unter „chronischem Protestantismus“
Aus der Gemeinde auf die Bühne: Ulrike Behmenburg spielte überzeugend eine Frau, die unter „chronischem Protestantismus“ leidet, die sich ständig mit dem rechten Zeigefinger in der Luft empört, mit dem linken mahnt und deshalb am Büffet in aller Regel leer ausgeht. Ein weiteres Symptom: „Chronischer Protestantismus ist ja auch mit diesem üblen verbalen Ausfluss von mindestens 6.000 Wörtern pro Tag verbunden. Schrecklich.“ Für die in Köln unerlässlichen karnevalistischen Noten sorgt das Duo „Schwader und Lapp“, das zentrale Begriffe des protestantischen Glaubens mit Liedern aus dem Fasteleer erklärt. Die Rechtfertigungslehre werde wunderbar in dem Lied „Wir sind alle kleine Sünderlein… Engel können wir im Himmel sein“ erläutert. Das Priestertum aller Gläubigen finde man wieder in „Die Hände zum Himmel“ und nirgends genieße der Laienkelch mehr praktische Bedeutung als in „Drink doch ene mit“.

Martin Luther und Muslima Fatime hatten sich und dem Publikum viel zu sagen.

Unentschieden mit Versöhnung
Am Ende trifft dann noch einmal der Reformator, der in Person von Behmenburg immer wieder im Programm auftaucht, auf die Muslimin Fatime. Und nach einem verbalen Schlagabtausch mit dem Einsatz von Boxhandschuhen lautet das Urteil im Ring: Unentschieden mit Versöhnung. „Muslime und Christen haben sich gegenseitig so viel zu sagen.“

————————————–

Weitere Aufführungen: 25. und 26. September sowie 2., 3. und 4. Oktober in der Katholischen Hochschulgemeinde Köln, Berrenrather Straße 127. Beginn ist jeweils um 20 Uhr. Die Karten kosten 14 Euro, Studenten zahlen 10 Euro, und können im Vorverkauf in der Evangelischen Informationsstelle Köln, Schildergasse 57, erworben werden. Die Karten können dort montags bis samstags von 12 bis 16 Uhr abgeholt oder telefonisch unter 0221/660 57 20 reserviert werden.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann