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„Kirche muss sichtbar sein“: Porträt des neuen Superintendenten im evangelischen Kirchenkreis Köln-Süd, Dr. Bernhard Seiger

Dr. Bernhard Seiger ist der neue Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Köln-Süd. Auf der Synode am 7. Juni wurde der 44-jährige Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Bayenthal zum Nachfolger von Dr. Thomas Hübner gewählt. Bis 2016 steht er damit an der Spitze des Kirchenkreises, zu dem 17 Gemeinden im Kölner Süden und im Rhein-Erft-Kreis gehören.

Informationsaustausch auf allen Ebenen
Nach der Synode ist vor der Synode. Die Glückwünsche sind noch nicht ganz verklungen, da denkt Bernhard Seiger schon an das nächste Treffen der Synodalen im Herbst. „Es geht jetzt darum, die anstehende Arbeit zu erledigen und die nächste Synode vorzubereiten“, sagte er kurz nach seiner Wahl. Ein gutes Gefühl sei es dennoch, bei dieser Aufgabe die Unterstützung von so vielen Menschen zu spüren. Ein wichtiges Anliegen ist es ihm, den Zusammenhalt der Gemeinden und ihrer Menschen zu stärken. „Das ist vor allem eine Arbeit nach innen.“ Seine Rolle als Superintendent definiert er als die eines Mittlers, der die vielfältigen Ströme und Ideen innerhalb der Gemeinden aufnehmen und bündeln will. „Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man als Einzelkämpfer nicht weit kommt“, erzählte Seiger. Regelmäßige Gespräche und ein Informationsaustausch auf allen Ebenen sind deshalb für ihn unabdingbare Voraussetzung für sein neues Amt.

Kirchenmusik ist ein wichtiges Anliegen
Respekt vor der Selbstständigkeit der Gemeinden ist für Bernhard Seiger ein wichtiger Punkt. Das heißt aber nicht, dass er keine eigenen Vorstellungen davon hat, was er als Superintendent erreichen und bewirken möchte. So werde es schon auf der nächsten Herbstsynode einen Vorschlag von ihm zum Thema Kirchenmusik geben. „Das muss angepackt werden, sonst droht in der kirchenmusikalischen Arbeit ein Niveauverlust“, stellte er fest. So tritt er dafür ein, dass der Kreiskantor oder die Kreiskantorin mit einem bestimmten Anteil der Stelle an den Kirchenkreis angebunden und auch von ihm bezahlt wird. „Das ist eine Dienstleistung, die der Kirchenkreis braucht, und wer die Musik bestellt, sollte auch dafür bezahlen“, lautet seine Einstellung. Ein Vorschlag, von dem er hofft, dass er auch bei den übrigen Synodalen auf fruchtbaren Boden fällt.

Kirche als „Tankstelle“
Neben der Arbeit nach Innen und der Stärkung der innerkirchlichen Strukturen ist ihm auch das Auftreten der Kirche nach außen wichtig. „Wir brauchen uns als evangelische Christinnen und Christen nicht zu verstecken. Wir müssen den Mut haben, fröhlich und entschlossen als einladende Volkskirche aufzutreten!“ „Wir wollen die Menschen einladen, die christliche, protestantische Vielfältigkeit kennen zu lernen.“ Die Kirche sei für die Menschen in verschiedenen Lebenssituationen da, wenn sie gebraucht werde. Damit bezog Seiger sich auch auf eines der „Leuchtfeuer“ in dem Papier „Kirche der Freiheit“ der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), wonach Menschen in der Kirche eine Heimat finden sollen und die Kirche Begleitung und Unterstützung in vielen unterschiedlichen Lebenssituationen biete. „Seelsorge und Diakonie sind in gutem Sinne begleitende und missionarische Arbeit“, betonte der neue Superintendent. In diesem Zusammenhang übernehme die Kirche die Rolle einer „Tankstelle“. „Viele Menschen brauchen sie nicht ständig, aber in Momenten des Schmerzes oder der Freude sind wir da, um zu helfen.“ Dafür benötige es einer gewissen Präsenz. „Kirche muss sichtbar sein!“

Alternativen aufzeigen
Die „Zapfsäulen“ seiner „Tankstelle“ sind für Bernhard Seiger vielfältig. Offenheit gegenüber allen Menschen und allen Milieus gehöre ebenso dazu wie „unkonventionelle Mittel“, die die Kirche anwenden müsse, um mit kirchenfernen Menschen in Kontakt zu kommen. „Kindergärten sind Teil der kirchlichen Arbeit, und auch die Musik kann da eine große Rolle spielen, das habe ich zum Beispiel bei den Jazz-Gottesdiensten in unserer Gemeinde erfahren“, sagte er. Grundsätzlich solle Kirche nicht darauf warten, dass die Menschen zu ihr kommen. „Wir müssen auch rausgehen und den Menschen, die in einer pluralistischen Gesellschaft nach Orientierung suchen, Wege, Rituale und weiterführende Geschichten aus dem Schatz des christlichen Glaubens anbieten, also eine Alternative aufzeigen.“

Jugendtag und Sommerfest
Ein konkretes Projekt in diesem Zusammenhang ist ein zweitägiger Jugendtag, den der Kirchenkreis Köln-Süd im Herbst im Christlichen Jugenddorfwerk (CJD) in Frechen veranstaltet. Im Zusammenhang mit der Stärkung nach innen steht ein Sommerfest, das Seiger im Sommer 2009 für alle Synodalen und deren Angehörige veranstalten will. „Das ist ein geeignetes Forum zum Gedankenaustausch, zum Kennenlernen und zur Begegnung.“ Er selbst kennt schon viele Menschen in „seinem“ Kirchenkreis. „Ich war bereits in fast jeder Gemeinde.“

Unterstützung in der Heimatgemeinde
Seine eigene Gemeinde wird auf die Wahl zum Superintendenten mit gemischten Gefühlen reagieren. „Die muss leider Opfer bringen“, gestand auch Bernhard Seiger ein. Die Verknüpfung des Amtes des Superintendenten mit einer Gemeindepfarrstelle mache zwar durchaus Sinn, um den Kontakt zur Basis nicht zu verlieren. Andererseits wird ihm ein nicht unerhebliches Stück Zeit fehlen, die er jetzt für seine neue Aufgabe braucht. Da er in Bayenthal eine Einzelpfarrstelle bekleidet, wird dort eine zusätzliche Stelle eingerichtet. Dennoch, so versicherte Bernhard Seiger, werde er nach wie vor bei Gottesdiensten in der Reformationskirche präsent sein und Arbeiten in der Gemeinde übernehmen. „Die Gemeindearbeit muss sich schließlich auch weiter entwickeln, da darf es keinen Stillstand geben.“

Laufen, Wandern und Fußball
Bernhard Seiger hat in Bonn, Tübingen und Durham in den USA Theologie studiert. Nach seiner Dissertation über das Thema „Versöhnung – Gabe und Aufgabe“ kam er 1994 als Pastor im Hilfsdienst nach Bayenthal, 1996 wurde er dort Gemeindepfarrer. Erfahrungen hat er nicht nur in der Gemeindearbeit, sondern als Synodalbeauftragter für den Konfirmandenunterricht, als Mitglied der Verbandsvertretung und der Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland auf verschiedenen Ebenen gesammelt. Bernhard Seiger ist verheiratet und hat eine neunjährige Tochter. Zu seinen Hobbys zählen Langstreckenlauf, Bergwandern und Fußball.

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Fleischer