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Kindertrubel und Gratis-Essen am Bauwagen

„Ich will das!“, verkündet Lea (6), ein Knäuel beiger Wolle in die Höhe haltend. Als zweite Farbe wählt sie Braun, damit ihr die 16-jährige Stella ein Zöpfchen flechtet. Es ist das x-te Zöpfchen, das an diesem Sommernachmittag am Bauwagen im Bergisch Gladbacher Stadtzentrum entsteht. Eine Traube Kinder umlagert das buntbemalte Gefährt, das von zahlreichen Spielgeräten, großen Sitzsäcken und einer Bastelecke unterm Zeltdach flankiert wird. Fünf junge Helferinnen leiten an, ermuntern zum Ausprobieren des Tafelgemurmels, helfen beim Mandala-Malen, vertreiben Ärger beim Fußballspielen – oder flechten Zöpfchen. Werktags von 10 bis 18 Uhr, vier Wochen lang an vier wechselnden Standorten des Stadtgebiets. Mittagessen eingeschlossen – und alles gratis für die Kinder.

Das Bauwagen-Projekt ist erwachsen geworden. Oder, wie Szymon Bartoszewicz es als Leiter „Soziales Netzwerk Stadtmitte“ und Organisator des Projektes es formuliert: „Es war ein Rohdiamant, jetzt ist er geschliffen.“ Denn begonnen hat das Bauwagen-Sommerferienprogramm vor einigen Jahren mit zwei Wochen Betreuung im Forum-Park des Stadtkerns, vier Stunden pro Nachmittag. 2013 kamen weitere Standorte und das kostenlose Mittagessen hinzu. Dieses Jahr nun ist der Bauwagen vom 7. Juli bis 1. August je eine Woche im Stadtteil Gronau, in der Stadtmitte, in Heidkamp und in Herkenrath im Einsatz.

Möglich wurde die Ausdehnung des Projekts, das im Pfarrbezirk der Gnadenkirche der Evangelischen Kirchengemeinde Bergisch Gladbach geboren wurde, durch das Hinzugewinnen verschiedener Kooperationspartner. So engagieren sich mit Zeit, Personal, Know-how und Geld jetzt nicht nur vier Einrichtungen des Pfarrbezirks – Q1 Jugend-Kulturzentrum, Soziales Netzwerk Stadtmitte, Mehrgenerationenhaus und Q1stein Kinder- und Jugendakademie –, sondern auch drei weitere Kooperationspartner aus dem Stadtgebiet: das Amt für Jugend und Soziales, die Rheinisch-Bergische Siedlungsgesellschaft, der Fachdienst für Integration und Migration für den Rheinisch Bergischen Kreis und die Bürgerstiftung Bergisch Gladbach, die die Honorare des Bauwagen-Teams trägt.

Ins Kinderplappern mischen sich Gitarrenklänge. Mitarbeiterin Fee hat Liederbücher verteilt. Während zwei Jungs sich als Sumo-Ringer probieren und Leas Zöpfchen wächst, singt das Gros der Multikulti-Kindergruppe kräftig „tirelirelirela“ mit. 30 bis 40 Kinder tummeln sich am Bauwagen, trotz Regens waren in der Woche zuvor etwa 20 Kinder täglich gekommen, viele davon aus dem nahe gelegenen Flüchtlingsheim. Sie dürfen frei spielen, bekommen jedoch Hilfen und Anleitung. Für Kinder von 6 bis 14 Jahren ist das offene Angebot gedacht, Anmeldung unnötig. Doch auch Jüngere finden das Spielparadies toll, beispielsweise die dreijährige Ylva. Solange ihre Eltern sie beaufsichtigen, darf sie mitmachen. Ein Woll-Zöpfchen hat sie schon. Sie hätten heute einen Familienausflug mit den Fahrrädern zum Bauwagen gemacht und nebenan auf dem Rasen zwischendurch gepicknickt, erzählt Mutter Sandra Fuchshofen. „Ich finde es ein tolles Angebot.“ Ihr Mann sei im Vorbeifahren auf den Bauwagen aufmerksam geworden. Dass das Angebot kostenlos ist, verblüfft viele und hat bereits zwei Frauen motiviert, sich ehrenamtlich zu beteiligen: Die eine unterstützt das Betreuungsteam, die andere hat als Aktion mit den Kindern Papier geschöpft.

Mit einer Kachon übt Wintana (9) zaghafte Trommelschläge. Ihr Vater bringt sie täglich zum Bauwagen. Was sie am besten findet? „Alles“, sagt sie nach kurzem Nachdenken. Auch das Mittagessen mag sie, wobei die Hähnchenstreifen mit Paprika und Kartoffeln und auch die Pizza ihre Favoriten waren. Gestern habe sie eine „alte“ Freundin wiedergefunden Minyar (8), die sie letzten Sommer am Bauwagen kennenlernte. Klar, dass sie auch schon ein Zöpfchen hat. Aber was heißt eins – für Lea steht bereits fest: „Ich kriege morgen noch eins!“

Infos: www.gnadenkirche-gl.de und www.q1-gl.de

Text: Ute Glaser
Foto(s): Ute Glaser