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Kartäuserfest: „Beide Seiten brauchen die Dolmetscher“

Nach dem Triumph machte sich ein wenig Ratlosigkeit breit. „Wie kriege ich das jetzt nach Hause?“, fragte sich Steffen Zingler. Er hatte kurz zuvor beim Gemeindefest an der Kartäuserkirche ein Bild amerikanisch ersteigert, dessen Ausmaße er womöglich unterschätzt hatte. Immerhin misst das Bild mit Maria und Jesus im Mittelpunkt rund zwei Meter mal 1,50 Meter. Zumal es im Hause Zingler viele Dachschrägen gibt. Da muss man wohl noch ein bisschen nachdenken.

Zingler ist der Gemeinde seit diesem Sommer auf eine besondere Weise verbunden. Der Hobby-Imker hat im Garten der Kartause drei Bienenvölker aufgestellt, die sich dort sehr wohl fühlen und im Nachbargarten des Clara-Elisen-Stifts viel Nahrung finden.

Typischer Garten eines Kartäusermönchs
Aber warum versteigert die Gemeinde bei ihrem Fest mehrere Bilder? Und noch dazu in dieser Größenordnung? Pfarrer Mathias Bonhoeffer muss etwas weiter ausholen. „1991 wurde in Zusammenarbeit mit dem Kölner Stadtmuseum der Versuch unternommen, die Kartäuserkirche und die Umgebung so darzustellen, wie die Kartause um 1500 ausgesehen hat. Dazu wurde unter anderem ein typischer Garten eines Kartäusermönchs nachgebaut. Die Angehörigen des Ordens waren zu jener Zeit aufgerufen, sich von selbst angebautem Gemüse und Obst zu ernähren. Aber auch die Kirche wurde in die Ausstellung einbezogen. „Wir haben einen Lettner vorübergehend aufgebaut. Und Reproduktionen von Bildern aufgehängt, die damals die Kirche schmückten“, so Bonhoeffer.

Versteigerung zugunsten der Partnerschaftsprojekte der Gemeinde
Nach der Ausstellung blieben die Reproduktionen in der Kirche und standen eigentlich immer im Weg, so der Pfarrer. Spontan entstand kurz vor dem Fest die Idee, die Bilder zugunsten von Partnerschaftsprojekten der Gemeinde zu versteigern. Der Evangelische Kirchenkreis Köln-Mitte mit der Kartäusergemeinde unterstützen zum Beispiel die „Comisón Acción Social Menonita“ in Honduras, die sich für Menschenrechtsarbeit, Gewaltprävention, Armutsbekämpfung, fairen Handel und Katastrophenvorsorge engagiert. Immerhin vier der fünf für Privathaushalte eher ungewöhnlichen Bilder gingen weg. Allerdings für eine überschaubare Gesamtsumme. „Wir haben wahrscheinlich so um die 80 Euro eingenommen“, erklärt Bonhoeffer.

Originale in alle Winde verstreut
Die Originale wurden nämlich im Zuge der Säkularisation während der Franzosenzeit in Köln in alle Winde zerstreut. Der berühmte Thomas-Altar steht mittlerweile im Wallraff-Richartz-Museum. Bilder aus der Kartäuserkirche von damals findet man aber auch im Pariser Louvre, in der Münchener Pinakothek und im Wormser Dom.

„Beide Seiten brauchen die Dolmetscher“
Das bunte Treiben rund um die Kartäuserkirche war wie schon seit Jahren ein Gemeinschaftsprojekt der Kartäusergemeinde und der Evangelischen Gehörlosengemeinde Köln-Bonn-Leverkusen, die 2011 von der Trinitatiskirche an die Kartause umgesiedelt ist. „Wir haben hier unsere neue Heimat gefunden“, sagt Dieter Schwirschke, der sich mit seiner Frau die Pfarrstelle in der Gehörenlosengemeinde teilt. 2011 hat die Gemeinde noch als Gast am Pfarrfest teilgenommen. Seit 2012 sei man als Mitveranstalter dabei. Der Vorbereitungskreis aus beiden Gemeinden treffe sich regelmäßig im Vorfeld des Festes. Zwei Dolmetscher würden helfen, etwaige Kommunikationsschwierigkeiten zu überwinden. „Beide Seiten brauchen die Dolmetscher“, erklärt Schwirschke.

Stände mit Hörenden und einem Nichthörenden
Während des Festes sind die Stände häufig von jeweils einem Hörenden und einem Nichthörenden besetzt. Der Bon- und der Kaffeeverkauf läuft routiniert im Mix. „Zur Not verständigen sich die Leute mit Händen und Füßen. Oder schriftlich.“ Das Zusammenleben der beiden Gemeinden ist mittlerweile Alltag. Gemeinsame Gottesdienste werden gedolmetscht. Und zwar für Hörende und Nichthörende, je nachdem, wer gerade vorträgt. Schwirschke und seine Frau beherrschen die Gebärdensprache. Aber es ist nicht einfach: „Wir lernen immer noch dazu“, sagt der Gehörenlosen-Pfarrer. „Es dauert ein paar Jahre.“

Gebärdensprachkurs für das Team
Es gebe Gehörlose, die sich intensiv dem Lautsprachenerwerb widmeten. Aber auch das ist nicht einfach. Schwirschke: „Deutsch ist für sie eine Fremdsprache.“ Davon weiß Bonhoeffer umgekehrt ein Lied zu singen: „Wir als Team von der Kartäusergemeinde haben einen Gebärdensprachkurs besucht. Ich kann ein bisschen, aber Muttersprachler wird man nie. Man muss sich das vorstellen, als lernte man Italienisch.“

Großer Erfolg sind gemeinsame Jugendfreizeiten
Er nennt das Zusammenleben beider Gemeinden ein „sehr nettes Miteinander, das von großem Respekt geprägt ist“. Den Pfarrbrief etwa gestalte man gemeinsam. Auch das Pfarrfest zähle dazu und die Gottesdienste. Ein großer Erfolg im Miteinander seien die gemeinsamen Jugendfreizeiten etwa auf Sardinien. Aber: „Im täglichen Umgang brauchen wir Dolmetscher. Guido Holthaus, gehörloser Jugendleiter der Gehörenlosengemeinde, bekommt bei dienstlichen Treffen vom Landschaftsverband Rheinland eine persönliche Assistentin bezahlt.

Gospels vom Südstadtchor und Mädels vom „girlspace“
Die persönliche Assistentin ist Monika Kumpen, die die Gebärdensprache exzellent beherrscht. Sie war auch bei dem Fest in der Kartause vor Ort und übersetzt zum Beispiel die Ankündigungen auf der Bühne. Das Programm war vielfältig: Der Südstadtchor unter der Leitung von Thomas Frerichs gab ein paar Gospels und mehr zum Besten. Die Mädels vom „girlspace“, dem Internetcafé für Mädchen und junge Frauen, zeigten eine Tanzperformance. Und Pfarrerin Dorothee Schapers gab als „Esther Schmitz“ tiefe Einblicke in das Seelen-, Alltags- und Gemeindeleben der Evangelischen an und für sich.

Und Pfarrer Bonhoeffer wies zum Schluss noch einmal auf die Umstände hin, die in diesem Sommer immer wieder erwähnt werden müssen, wenn sie Grund zur Freude bieten: „Wir haben ein Riesenglück mit dem Wetter gehabt.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann