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Karl Schick: Mehr als drei Jahrzehnte im Stadtkirchenverband. Ein Rückblick für den WEG

Am 1. Juni dieses Jahres trat der frühere Stadtsuperintendent Karl Schick aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand. Vor knapp 32 Jahren war er als Pfarrer in der Tersteegenkirche in Dünnwald ordiniert worden, der Gemeinde, in der er auch sein Vikariat absolviert hatte. Nach einem Jahr als Pastor im Hilfsdienst wurde Schick im Dezember 1972 als Pfarrer in Dünnwald eingeführt. Im November 1989 wurde er zum Superintendenten des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch gewählt, acht Jahre später dann auch zum Stadtsuperintendenten ernannt. WEG-Mitarbeiter Hans-Willi Hermans sprach wenige Tage nach dem Abschiedsgottesdienst in der Tersteegenkirche mit Karl Schick über dessen mehr als drei Jahrzehnte währende Tätigkeit im und für den Evangelischen Stadtkirchenverband Köln.

WEG. Wenn Sie die vergangenen drei Jahrzehnte einmal Revue passieren lassen — haben sich Ihre Erwartungen an den Beruf erfüllt?

SCHICK: Zunächst einmal: Ich bin in einem Elternhaus groß geworden, dass sehr mit der Kirche verbunden war. Mein Vater war in der kirchlichen Verwaltung tätig, mein Großvater war Küster und wir lebten zur Miete in einem Pfarrhaus, und zwar in Troisdorf. Ich selbst war Mitglied des Posaunenchores der Gemeinde, und der Gemeindepfarrer von Troisdorf, der auch Superintendent des Kirchenkreises Bonn war, lud den Chor häufig ein, zu den verschiedensten Anlässen im Kirchenkreis mitzureisen. Von daher habe ich das kirchliche Innenleben sehr früh kennen gelernt und es wurde mir auch früh klar, dass ich diesen Berufsweg einschlagen würde. Ich hatte also keine übertriebenen Erwartungen und konnte deshalb eigentlich gar nicht enttäuscht werden. Auf der anderen Seite habe ich viele positive Erfahrungen gemacht, sowohl in Glaubensfragen als auch in der Gemeindearbeit.

WEG: Denken Sie da an besondere Ereignisse zurück — und gab es vielleicht auch besonders negative Erlebnisse?

SCHICK: Etwas Besonders war es für mich immer, wenn die Kinder, die ich getauft und konfirmiert hatte, dann später ihre eigenen Kinder zur Taufe brachten. In Dünnwald gehöre ich auf diese Weise bei einigen schon zur Familiengeschichte, das ist mir auch so gesagt worden. Wir mussten in der Gemeinde auch eine Reihe von Herausforderungen bewältigen, den Bau des Gemeindezentrums in den ausgehenden siebziger Jahren beispielsweise. Ich war ja noch ein junger Mann und hatte keine Ahnung. Aber ich konnte mich auf das Presbyterium verlassen, das saßen erfahrene Leute, vom Kirchmeister etwa habe ich viel gelernt. Auch in einer für mich persönlich sehr schwierigen Situation, meiner Ehescheidung, gab es Leute, die mir auf dem Weg, den ich gegangen bin, eine große Stütze und Hilfe waren. Das waren sehr positive Erfahrungen. Auf der anderen Seite hat es mich immer sehr betroffen gemacht, wenn Menschen, die ich konfirmiert hatte, dann plötzlich aus der Kirche austraten. Dann fragt man sich: Hast du etwas falsch gemacht? Oder wenn Menschen bestimmte Dinge nicht mit vollziehen konnte: Ich erinnere mich an Gemeindeglieder, die die Kirche verlassen haben, weil wir den Erlös einer Kollekte für ein Projekt gegen Rassismus verwenden wollten. So etwas belastet sehr, aber man darf sich dadurch auch nicht verbiegen lassen.

WEG: Hat sich die Arbeit des Pfarrers Ihrer Ansicht nach in den vergangenen 30 Jahren sehr verändert?

SCHICK: Durch die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, durch die große Zahl der Arbeitslosen und die damit verbundenen sozialen Probleme hat sich die Arbeit des Gemeindepfarrers vom Seelsorgerischen mehr auf soziale Beratung verlagert. Letztlich ist das eine Überforderung, weil es nun mal nicht mein Métier ist. Aber ich wusste immer, wo es Fachleute gab, an die ich mich wenden konnte. Denn Halbheiten soll man vermeiden. Aber auch das Verhalten der Jugendlichen hat sich geändert. Vor 30 Jahren war es noch möglich, sie mit der traditionellen Jugendarbeit zu erreichen. Aber das Zusammensein in einer Jugendgruppe zum Beispiel reicht ihnen heute nicht mehr. Die Angebote in den Medien sind häufig viel interessanter, die Angebote der Kirche nicht mehr attraktiv. Da muss sich was ändern, kreative Leute müssen sich mit diesem Thema beschäftigen. Das sollte möglich sein, schließlich kann nur die Kirche die Frage nach dem Sinn des Lebens beantworten.
Meine persönliche Arbeit, mein Tagesgeschäft, änderte sich natürlich nachdem ich zum Superintendenten des Kirchenkreises Rechtsrheinisch gewählt worden war. Es gab eine Fülle von Beratungen mit dem Kreissynodalvorstand, über bauliche Maßnahmen oder Personalfragen beispielsweise. Aber es ging da auch um die Frage, wie man mit den Menschen in Kontakt kommt. Im Rahmen unserer evangelikalen Aktion „Neu anfangen“ haben wir im Kirchenkreis Menschen auf Gemeindeebene telefonisch eingeladen, und so versucht, sie mit kirchlichen Fragestellungen in Berührung zu bringen. Das ist nicht ganz so gelaufen, wie wir uns das gewünscht hatten, nicht alle Gemeinden haben sich beteiligt. Ich hätte mit mehr Erfolg gewünscht, aber es war gut, dass wir das gemacht haben. Es ist wichtig, dass wir auf die Menschen zugehen.

Das Amt des Stadtsuperintendenten als Ehrenamt?
WEG: Da sie gerade von Ihrer Arbeit sprachen: Sie sind aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand getreten, Ihre Gesundheitsprobleme wurden wohl vor allem durch die dreifache Belastung als Pfarrer, Superintendent und Stadtsuperintendent ausgelöst. Ist es noch sinnvoll und möglich, das Amt des Stadtsuperintendenten als Ehrenamt zu bekleiden?

SCHICK: Das Amt des Stadtsuperintendenten ist von der Aufgabenstellung und der zeitlichen Beanspruchung her ein Hauptamt. Wenn es eine Möglichkeit gibt, das so in eine Form zu bringen, dass der Amtsinhaber noch ein Standbein im Kirchenkreis und in der Gemeinde hat, dann plädiere ich für Hauptamtlichkeit. Denn die Verbindung zur Basis ist wichtig, sonst wird man zu abgehoben. Als Superintendent wird man zum Beispiel durch einen Pfarrer zur Anstellung in der Gemeindearbeit entlastet, das ist eine sehr sinnvolle Sache. Obwohl die Gemeinde dabei gefühlsmäßig zu kurz kommen kann, denn sie muss ja ihren gewählten Pfarrer abgeben. Schon als Superintendent hatte ich immer zu wenig Zeit und ein schlechtes Gewissen. Die Besuche bei den Menschen sind einfach zu kurz gekommen, und ich merkte, dass die entsprechenden Erwartungen da waren. Das hat mich belastet. Als ich dann nach dem Weggang von Manfred Kock Stadtsuperintendent wurde, ist dieses Gefühl noch stärker geworden. Denn die Herausforderung war groß, es war schwierig, allen Anforderungen gerecht zu werden, denn man muss in so vielen Dingen Bescheid wissen. Das ist nicht immer möglich und man fühlt sich nicht wohl, wenn man nicht gut informiert ist. Allerdings sind die Mitarbeiter hier im Haus der Evangelischen Kirche hervorragend. Die Fachbereiche sind gut geführt, ob es sich nun um das Schulreferat, das Jugendreferat oder auch die Pressestelle handelt. Wenn ich Informationen brauchte, habe ich sie bekommen.

WEG: Wie sehen Sie die nähere Zukunft des Stadtkirchenverbandes, auch im Zeichen leerer Kassen?

SCHICK: Auf der letzten Verbandsvertretung wurde den Gemeinden und auch den Kirchenkreisen wesentlich mehr Verantwortung überlassen. Für mich ist es keine Tragik, dass der Einfluss des Verbandes in einigen Bereichen zurückgeht. Aber es ist gut, dass im Haus der Evangelischen Kirche weiter die Fachkompetenz gebündelt ist, denn aufgrund der zurückgehenden Gelder können sich die Gemeinden keine Fachleute mehr leisten. Die Kompetenz des Verbandes steht den Gemeinden als Dienstleistung zur Verfügung, die Gemeinden müssen sie allerdings auch abrufen.
Im Übrigen bin ich der festen Überzeugung, dass die jetzigen finanziellen Probleme der Kirche keinen Abbruch tun werden. Auch wenn vielleicht manche Strukturen im Kirchenkreis oder im Verband überdacht werden müssen. Aber die Kirche hat eine Stimme in der Gesellschaft und sie wird auch gehört. Meine Vorgänger und auch Ernst Fey haben da gute Arbeit geleistet, im Verhältnis zur Öffentlichkeit, zur Stadt und zur Wirtschaft beispielsweise. Wichtig ist aber, die Ökumene weiter voranzutreiben und – wie gesagt – die Jugend anzusprechen. Da fehlt noch der letzte Kick. Wir müssen aber keine Angst haben, dass uns alles wegbricht, wir sollten dem Heiligen Geist ganz viel zutrauen.

WEG: Werden Sie sich noch in irgendeiner Form im Stadtkirchenverband engagieren?

SCHICK: Ich habe ja noch Sitze in verschiedenen Aufsichtsgremien, zum Beispiel im Krankenhaus Weyertal und im Amt für Diakonie. Die nehme ich weiterhin wahr, die Sitzungen sind ja gut übers Jahr verteilt. Aber ich kann mittlerweile auch sagen: ,Das mach‘ ich nicht, das tue ich nicht‘. Der Sprachfehler ist behoben. Ich werde mich auch weiter für die Integrationswerkstatt Nostra engagieren, die ist gerade 25 Jahre geworden. Jetzt wohne ich ja ganz in der Nähe, in Porz, und kann mit dem Fahrrad hinfahren. Und wenn Anfragen für Vertretungen kommen, werde ich das auch machen. Allerdings nicht so oft, denn ich bin gesundheitlich zwar stabil, aber ein Amt könnte ich nicht mehr ausfüllen. Ansonsten bin ich froh, dass ich endlich wieder Zeit zum Lesen habe, ich kann wieder theologische Literatur in die Hand nehmen, aber auch mal einen Kriminalroman, von Henning Mankell zum Beispiel. Und ganz besonders freue ich mich aufs Segeln.

Text: hermans
Foto(s): ran