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Helmut Schneider-Leßmann wird in den Ruhestand verabschiedet

Am 1. Oktober 1979 trat Helmut Schneider-Leßmann die zweite Pfarrstelle in der Evangelischen Kirchengemeinde Lechenich an. Aus der zunächst auf ein Jahr befristeten Tätigkeit wurden 37 Jahre. „Clogs, Jeans, Hemd und ein Schnäuzer, um älter zu wirken“, beschreiben Gemeindeglieder im Pfarrbrief ihre ersten Eindrücke von dem damals 26-Jährigen. Heiligabend hielt Schneider-Leßmann zum letzten Mal den Familiengottesdienst. Am Sonntag, 15. Januar 2017, 15 Uhr, wird er in der Kirche der Versöhnung, An der Vogelrute 8, in den Ruhestand verabschiedet. Das Interview führte Ulrike Weinert.

Sie blieben bis zur Pensionierung auf Ihrer ersten Pfarrstelle. Was hat Sie in Lechenich gehalten?

Helmut Schneider-Leßmann: Das Klima in der Gemeinde ist liberal. Sie bietet viel Raum, um Neues auszuprobieren. Diese Haltung verbindet sich ideal mit meinen Anliegen. Evangelischer Pfarrer wurde ich, weil mich kurz vor dem Abitur die Publikation „Theologie der Hoffnung“ von Jürgen Moltmann überzeugte. Moltmann schrieb, dass die Neugier mehr noch als der Glaube die beste Voraussetzung für ein Theologiestudium sei. Ich wünschte, jemand würde eine „Theologie der Neugier“ verfassen.

Ihr Vorhaben für den Ruhestand?

Helmut Schneider-Leßmann: Leider habe ich nicht das Talent, ein Buch zu schreiben. Mein Medium ist die freie Rede, nicht das schriftliche Wort. Lieber leite ich Studienreisen mit Gemeindegliedern. Für Herbst 2017 plane ich, mit einer Gruppe mein Lieblingsland Irland zu besuchen.

Was hat es Ihnen bedeutet, den 50. Einweihungstag der Kirche der Versöhnung mitzufeiern?

Helmut Schneider-Leßmann: Die meiste Zeit, muss ich gestehen, war ich abgelenkt von dem Gedanken, dass der Andrang zum 17-Uhr-Familiengottesdienst am Heiligabend wieder so groß sein könnte wie im Vorjahr. Zum Glück gelang es uns, kurzfristig einen zweiten Gottesdienst um 18 Uhr anzubieten. Es wäre bedrückend, wenn Besucher wieder draußen bleiben müssten. Ansonsten habe ich es bei der Jubiläumsfeier genossen, nicht mehr in vorderster Reihe zu stehen, sondern beobachten zu können, wie die Gemeinde ohne mich auskommt.

Im März 2014 erregten Sie Aufsehen mit einer Werbeaktion für den Kircheneintritt. Wie stehen Sie heute dazu?

Helmut Schneider-Leßmann: Ich würde dasselbe nochmal machen. Denn ich bin der Meinung, wir müssen auf Menschen zugehen, müssen uns Gedanken machen, wie wir sie erreichen. Das heißt auch, wir müssen unser Gemeindeleben so gestalten, dass die Menschen einen Zugang zu uns finden. (Der Pfarrer stellte neuen Mitgliedern Prämien wie ein Apfelbäumchen, Kopfhörer oder ein Perlenarmband des Glaubens in Aussicht. Dazu gab es einen Comic-Flyer mit Zitaten aus der Bibel und von Martin Luther.)

Hat die umstrittene Aktion etwas gebracht?

Helmut Schneider-Leßmann: Ich denke schon. Die geringfügig gestiegene Eintrittszahl fing natürlich nicht die Zahl der Austritte auf. Auch wir schrumpfen, aber nicht so stark wie andere Gemeinden. Aktuell zählen wir 5 100 Mitglieder.

Welches Erlebnis in Ihrer Zeit als Pfarrer hat sich Ihnen besonders eingeprägt?

Helmut Schneider-Leßmann: In den 90er Jahren, als die ersten geflohenen Menschen zu uns kamen, gab es Drohungen gegen eine Asylbewerberunterkunft. Deshalb organisierten wir mit den Katholiken von St. Kilian Nachtwachen vor den Containern am Kölner Ring. Als ich unter den Randalierern einen ehemaligen Konfirmanden entdeckte, ging ich auf ihn zu. Nach dem Gespräch schlug er sich auf unsere Seite. Die drei Monate, in denen wir jede Nacht draußen in der Kälte um die wärmenden Feuertonnen standen, haben uns alle zusammengeschweißt.

Eher im Stillen engagierten Sie sich in der Sterbebegleitung. Was nehmen Sie davon mit?

Helmut Schneider-Leßmann: Die meisten kennen mich eher als jemanden, der auf Außenwirkung bedacht ist. Von der Begegnung mit Sterbenden habe ich gelernt, dass die Menschen in ihren letzten Lebenstagen noch viele Themen haben, die sie bewegen, und dass sie das Bedürfnis haben zu lachen. Ich habe gelernt genau hinzuhören und bin dankbar für das Vertrauen der Menschen. Besonders beeindruckt hat mich eine alte Presbyterin. Sie empfing mich mit den Worten: „Du brauchst gar nicht so betroffen zu gucken – ich habe mein Leben gelebt.“

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Pfarrer Helmut Schneider-Leßmann wurde am 8. Dezember 1952 im Saarland geboren. Er studierte Evangelische Theologie in Saarbrücken, Heidelberg und Bonn. Das Vikariat absolvierte er von 1977 bis 1979 in Bonn-Hardtberg. Die Evangelische Kirche im Rheinland entsandte ihn für zunächst ein Jahr nach Erftstadt-Lechenich. Das Presbyterium wählte ihn danach zum Pfarrer im zweiten Bezirk im Bereich Lechenich-Süd mit den Orten Herrig, Pingsheim, Dorweiler, Erp, Ahrem, Friesheim, Niederberg, Borr und Scheuren. Der verheiratete Theologe ist Vater von drei Kindern und lebt mit seiner Familie in Köttingen.

Text: Ulrike Weinert
Foto(s): Ulrike Weinert