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„In Würde Sterben“ – ein „Standpunkt“ von Pfarrer Markus Zimmermann

„In Würde sterben“ – dieser sehr persönliche Text von Pfarrer Markus Zimmermann, Superintendent des Kirchenkreises Köln-Nord und zudem Stellvertretender Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, erschien am 2. Dezember 2014 in der Print-Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers unter der Rubrik "Mein Standpunkt". Gerne stellen wir ihn auf auf dieser Webseite auch online zur Verfügung:

Die stillen Sonntage des Totengedenkens liegen hinter uns, die lichterfüllte Zeit des Advents bricht an. Ein guter Moment, um noch einmal neu über ein Thema nachzudenken, das die Menschen in unserem Land derzeit wie kein zweites beschäftigt und leidenschaftlich debattieren lässt: die Sterbehilfe oder der assistierte Suizid – denn darum geht es.

Was kann aus einer christlichen Glaubensperspektive dazu gesagt werden, nachdem viele Argumente, allen voran juristische, medizinethische, bereits ausgetauscht wurden? Für mich beginnt alles Nachdenken über das Sterben mit einer Frage. Was ist der Tod? Das Ende meines irdisches Leben in einer Welt der Materie oder der Anfang meines ewiges Leben in einer in aller menschlichen Begrenzung „unvorstellbaren“ Welt der Hoffnung auf die immerwährende Gemeinschaft mit Gott?

Die Entscheidung ist eine Glaubensentscheidung für eine dieser beiden Perspektiven, die für mich als Christ den entscheidenden Unterschied machen wird: zwischen Verzweiflung, zumal im Erleiden meines Sterbens, oder eben der Hoffnung. Und damit wird auch der entscheidende Unterschied deutlich, wenn ich über Hilfe „im Sterben“ – und das heißt: nicht „zum Sterben“ – nachdenke, diskutiere und um meinen persönlichen Standpunkt in dieser öffentlichen Frage ringe.

Begreife ich mein Leben im Hier und im Jetzt wie im „Danach“ als ein Geschenk, als eine Zusage Gottes, die weit über die Begrenzung meiner irdischen Existenz hinausgeht, oder als eine „Sache“, über die ich frei verfügen kann? Womit ich mir selbst und anderen eine Last aufbürden würde, die Christus mit seinem Leben, seinem Sterben und seiner Auferstehung schon von meinen Schultern genommen hat.

Aus diesem Vertrauen heraus, dass ich mit meinem Sterben und durch den Tod hin zum ewigen Leben nicht tiefer fallen kann als in die Hand Gottes, entscheide ich mich als Christ in aller Freiheit auch dafür, loszulassen am Ende. Und an der Hand von Menschen, jedoch nicht von ihrer Hand oder meiner eigenen zu sterben. Und mich in meinem Sterben dem zu überlassen, was mich erwartet. Im gesicherten Wissen darum, dass mir von Seiten einer professionellen Palliativmedizin bis hin zu der Möglichkeit einer sogenannten „finalen Sedierung“, falls Schmerz oder Atemnot mich zu überwältigen drohen und meine Angst übermächtig sein wird, jede erdenkliche Hilfe zuteil werden wird. Für den flächendeckenden Einsatz einer solchen medizinischen Versorgung in der letzten Lebensphase gilt es zu sorgen, gilt es politisch zu kämpfen.

Und weil ich ebenso sicher wissen kann um den geistlichen, den spirituellen Trost einer Begleitung von Menschen, die, so wie ich selbst, glauben, dass der Tod nicht das Ende ist und dass Sterben die Geburt in ein gewandeltes neues Leben bedeutet, das ich geschehen lassen kann und empfangen darf. Und zwar in einer Würde und in einem Vertrauen das der große Prediger Hanns Dieter Hüsch einmal mit diesen Worten benannt hat: „Der Mensch hat zu kommen und zu gehen. Das ist seine Würde. Niemand begleitet ihn auf diesem Weg besser, milder und eindeutiger als Jesus Christus.“

Ihm zu begegnen, lädt, nach den stillen Tagen des Totengedenkens, die Adventszeit ein. Eine gute Zeit, um noch einmal neu über ein Thema nachzudenken, das die Menschen in unserem Land derzeit wie kein zweites beschäftigt: die Sterbehilfe. Oder, wie ich es fassen würde: die Lebenshilfe!

Text: Markus Zimmermann
Foto(s): Jürgen Schulzki