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Gerhart Baum besuchte mit seiner Frau Renate den Vringstreff und spendete 3.000 Euro aus dem ihm kürzlich verliehenen Erich-Fromm-Preis

Für ihr soziales Engagement sind die Freien Demokraten nicht in erster Linie bekannt. Aber auch darin ist der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum in seiner Partei die große Ausnahme. Gemeinsam mit seiner Frau Renate war er jetzt in den „Vringstreff“ hinter der Severinskirche in der Kölner Südstadt gekommen, um Geld für den guten Zweck zu spenden und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass, so Baum, „zwei Initiativen bekannter werden, die meine Frau und ich vorbehaltlos unterstützen: Der ,Kölner Appell‘ und der ,Vringstreff‚.“


Renate Baum: „Es schmeckt wirklich ausgezeichnet“
Vor allem letzterem gilt sein Einsatz. Hier können Menschen aller gesellschaftlichen Schichten von Montag bis Freitag ein hochwertiges und trotzdem preiswertes Mittagessen bekommen. Sozial Schwache zahlen 2 Euro, Menschen mit einem besseren Einkommen 5. Aber nicht nur das. „Wir sehen hier nach den Menschen, nach denen sonst niemand sieht“, verwies Hans Mörtter, Hauptinitiator bei der Gründungs des „Vringstreffs“ und Pfarrer an der Lutherkirche, auf die zahlreichen sozialen Beratungsangebote. „Wir gehen hier öfter essen, und es schmeckt wirklich ausgezeichnet“, fügte Renate Baum hinzu. „Die Köche empfinden es als Herausforderung, eben kein ,Kantinenessen‘ zu kochen. Neben einem Koch mit einem ,normalen‘ Gehalt haben wir zwei Köche auf Ein-Euro-Job-Basis, die bei uns erleben, dass ihre Arbeit wieder wertgeschätzt wird. Sie haben Stabilität in ihr Leben gebracht. Und sie kochen mit sehr viel Liebe und Engagement“, erklärte Jutta Eggeling, Leiterin des Vringstreffs. Sie wies auch darauf hin, dass mit den Einnahmen aus dem Mittagstisch nur die Ausgaben für den Lebensmitteleinkauf gedeckt seien.

Gerhart Baum spendet aus seinem Preisgeld an den Vringstreff
„Er ist ein Verbündeter“, sagt Mörtter über Baum. Der ehemalige Minister war der Gast beim ersten „Talk-Gottesdienst“ in der Lutherkirche. Baum, der die soziale, politische und seelsorgerliche Arbeit von Mörtter sehr schätzt, hat vor kurzem 7.600 Euro, die er an seinem 75. Geburtstag gesammelt hat, bereits dem „Vringstreff“ gespendet.
Jetzt erhielt er den Erich-Fromm-Preis für sein mutiges Eintreten für die Menschenrechte und die im Grundgesetz verbürgten Grund- und Freiheitsrechte sowie in Anerkennung seines mutigen Vorgehens gegen unverhältnismäßiges Sicherheitsstreben, das in Wirklichkeit die ,Furcht vor der Freiheit‘ (Erich Fromm) verstärkt und das Vertrauen in die Freiheitsrechte zerstört“, so die Erich-Fromm-Gesellschaft in der Begründung. Aus dem Preisgeld stiftete Baum dem „Vringstreff“ 3.000 Euro, die gleiche Summe übergab er in der „Begegnungsstätte für Menschen mit und ohne Wohnung“ der Initiative „Kölner Appell“, die sich hauptsächlich um jugendliche Strafgefangene kümmert. „Im Prinzip sind ja alle Initiativen, die Basisarbeit machen, chronisch unterfinanziert“, sagte Baum an Klaus Jünschke vom „Kölner Appell“ gewandt und erinnerte daran, dass beide sich bereits vor 22 Jahren bei einer Pressekonferenz mit dem Terrorismusexperten und späteren „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust kennengelernt hätten. „Damals ging es um die Haftbedingungen von Terroristen der Rote Armee Fraktion“, so Baum. „Und heute sprechen wir über die Lebenswirklichkeit von jugendlichen Haftinsassen“, erklärte Jünschke. Er verwies auf die Wanderausstellung „Menschen statt Mauern – für ein Europa ohne Jugendgefängnisse“, die bis Ende August in der Stadtteilbibliothek Chorweiler, Pariser Platz, zu sehen ist. „Dort ist eine Zelle originalgetreu nachgebaut, und jeder kann sehen, unter welchen Bedingungen die Jugendlichen im schlimmsten Fall 23 Stunden am Tag weggesperrt werden“, so Jünschke. Baum hat mehrfach bei Eröffnungen der Wanderausstellung gesprochen.

„Härte macht roh“
Die Rückfallquote bei jugendlichen Straftätern nach Verbüßung einer Haftstrafe liege bei 80 Prozent, sagte Jünschke. Und trotzdem solle die Zahl der Plätze in Gefängnissen für Jugendliche erweitert werden. In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Heinsberg seien 320 neue Zellen für Jugendliche geplant. 500 Jugendliche säßen in der JVA Siegburg ein. „Für 30 Prozent von denen gibt es keinerlei Beschäftigungsangebote“, so Jünschke. „Härte macht roh“, kommentierte Baum die Forderungen nach Verschärfungen im Jugendstrafrecht. Von 1500 jugendlichen Haftinsassen lebten nur ein Fünftel im „offenen Vollzug“. „Es gibt auch eine gesellschaftliche Verantwortung für jugendliche Gewalttaten“, forderte Jünschke bessere Bedingungen beispielsweise im Bildungsbereich. Mörtter kümmert sich aktuell um einen jugendlichen Inhaftierten aus der Südstadt, der in der JVA Ossendorf einsitzt: „Der hat da überhaupt nichts zu tun. Wir haben erreicht, dass er jetzt eine Stunde Englisch pro Woche in einem Kurs lernt. Der wird da depressiv und ich fürchte zum seelischen Krüppel.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann