You are currently viewing Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus

Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus

Während der Herrschaft der Nationalsozialisten flohen etwa 500.000 Menschen aus Deutschland: Politisch Andersdenkende und vor allem durch Rassengesetze diffamierte Jüdinnen und Juden. Bedroht und verfolgt sahen sie in der Emigration oft ihre letzte Chance. Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes mahnte in ihrem Vorwort: „Auch heute gibt es wieder Flucht und Vertreibung. Die Erinnerung zeigt uns den großen Wert von Toleranz und Demokratie: Wir wollen in unserem Land für alle ein Zuhause schaffen.“

Die Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus stellt in jedem Jahr einen besonderen Teilaspekt der NS-Herrschaft heraus – in diesem Jahr waren es Flucht und Exil. Am Vorabend zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, am 27. Januar, war die AntoniterCityKirche gut besucht. Kirchliche und politische Gruppen, private Vereine und Initiativen unterstützen die von einer Projektgruppe geplante Veranstaltung. Pfarrer Mathias Bonhoeffer sagte eingangs: „Es wird kein schöner Abend, aber es wird ein guter Abend. Wir gedenken ausdrücklich der Schande, die in diesem Lande geschehen ist – was die Höckes und Petrys nicht ertragen können.“

Flucht ins Ungewisse
Mit Textcollagen, Live-Musik und Bildern, die Irene Franken vom Kölner Frauengeschichtsverein zusammengetragen hatte, wurden fünf Menschen vorgestellt, deren Biografien von Fluchterfahrungen geprägt waren: Der KPD-Politiker Carl Schlieper – späterer Mitgründer der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten – , die Jüdin Faye Cukier, die Sintiza Anna Fischer, der jüdische Musiker Heinz „Henry“ Jolles sowie der Leiter des amerikanischen „Emergency Rescue Committees“, Varian Fry. Letzterer hatte von Frankreich aus etwa 2.000 Menschen zur Flucht in die USA verholfen. Wie so viele andere, wurden diese fünf Zeugen der unmenschlichen Grausamkeit des faschistischen Deutschlands: sie litten aber auch unter der mangelnden Hilfsbereitschaft der internationalen Staatengemeinde: Da fast alle Exilstaaten Flüchtlingsquoten eingerichtet hatten, fanden viele Menschen trotz ihrer geglückten Flucht keinen sicheren Zufluchtsort.

Kölner Fluchtbiografien
Stellvertretend für viele andere Geflohenen, erzählten Renate Fuhrmann, Stefan Preiss, Maria Ammann und Klaus Nierhoff in einer Textcollage das Schicksal der 1938 aus Köln-Mülheim geflohenen Faye Cukier. Das Mädchen Faye wurde 1922 in Köln geboren und erlebte bereits in ihrer Kindheit antisemitische Schmähungen. Auf Grund der stetig wachsenden Repressalien, floh die Familie nach Antwerpen – die geplante Weiterreise in die USA oder nach Großbritannien scheiterte jedoch an den Flüchtlingsobergrenzen. Als 1940 ein weiterer Fluchtversuch über den Ärmelkanal misslang, erlebte die 18-jährige Faye im Flüchtlingsstrom nach Frankreich den Luftangriff bei Dünkirchen. Sie überlebte, musste sich aber noch viele Jahre verstecken, immer in der Angst erkannt und deportiert zu werden. Faye Cukier hielt mit Englischunterricht und später durch den Diamantenhandel ihre Familie über Wasser.

„Noch mehr leben!“
„Wenn man Angst hat, vielleicht sogar vor dem Tod, dann muss man eben noch mehr leben!“, das war Fayes Motto und ist es immer noch. Denn die 95-Jährige war an diesem Abend zu Gast in der Antoniterkirche. Mit Applaus würdigten die Anwesenden die Lebensgeschichte der Kölnerin, die sich bis heute gegen das Vergessen engagiert und vor einigen Jahren ihre Autobiografie „Flucht vor dem Hakenkreuz“ veröffentlichte. Im Anschluss an die Gedenkstunde führte ein Mahngang zum Kölner Rathaus am Alter Markt – ein Signal an die politischen Entscheidungsträger, die hier damals wie heute ihren Sitz haben.

Text: Kristina Pott
Foto(s): Kristina Pott