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Faten Mukarker sprach in der Zollstocker Melanchthonkirche

In einem Gleichnis drückte Faten Mukarker den Grund für ihren Besuch aus: „3.741.953 Schneeflocken hält der Ast noch aus, aber die 3.741.954. Flocke mag den Ast brechen.“ Vielleicht, so erklärte es die Palästinenserin, die in dem überwiegend christlichen Städtchen Beit Jala unweit von Bethlehem lebt, den etwa 70 Besucherinnen und Besuchern in der Zollstocker Melanchthonkirche, sei es ja gerade ihre Stimme, die ihrer Heimat den Frieden bringt.

„Ich bin eine Anti-Zionistin“
Faten Mukarker, die in Bonn aufgewachsen ist, wo ihr Vater seit 1956 für eine palästinensische Zeitung gearbeitet hat, war deshalb zu einer dreiwöchigen Reise durch Deutschland aufgebrochen, um der Bevölkerung die Situation der Palästinenser zu verdeutlichen. Anlässlich eines Vortragstermins in Weimar hatte sie auch die Gedenkstätte Buchenwald besichtigt und zeigte sich erschüttert über das Leid, das Juden dort zugefügt worden war. Dennoch: „Das darf keine Entschuldigung sein für das, was in Palästina geschieht“, betonte Mukarker. Sie stellte in diesem Zusammenhang heraus, dass sie „keine Antisemitin“ sei, sondern eine „Anti-Zionistin.“

Vorgeschichte des heutigen Konflikts
Im Rahmen ihres hochemotionalen Vortrags schilderte sie die Vorgeschichte des heutigen Konflikts, die mit Theodor Herzls Begründung des politischen Zionismus und der zentralen Idee eines eigenen jüdischen Staats in Palästina Ende des 19 Jahrhunderts begonnen hatte. Auf das „schlechte Gewissen“ der Alliierten, die dem Völkermord während des Zweiten Weltkriegs tatenlos zugesehen hätten, führte Faten Mukarker den UN-Teilungsplan für Palästina aus dem Jahre 1947 zurück, der den Juden 56 Prozent des Landes zusprach. Dass die arabischen Staaten dies ablehnten, bezeichnete sie als „Fehler“: Denn aufgrund der besser ausgerüsteten Armee konnte der Staat Israel durch Unabhängigkeitskrieg, Sechstagekrieg und Jom-Kippur-Krieg weitere Gebiete hinzugewinnen.

Fällen von Olivenbäumen
Heute finde diese Entwicklung mit dem Siedlungsbau im Westjordanland ihre Fortsetzung. Mukarker schilderte aus eigenem Erleben die „Besatzungspolitik“ Israels in der Westbank: den unangekündigten Abriss von Häusern, das Fällen der für die palästinensischen Bauern lebenswichtigen Olivenbäume, die unzureichende Wasserversorgung und die ständigen Schikanen an Grenzübergängen und Straßen, die nicht von Palästinensern genutzt werden dürfen. Zur ihrer Enttäuschung sei ihr ältester Sohn in die USA ausgewandert und habe seine Lage dort in dem Satz zusammengefasst: „Hier wird man wenigstens wie ein Mensch behandelt.“

Einsatz für die Menschlichkeit
Faten Mukarker hatte diese Reise vor allem angetreten, um die Deutschen davon zu überzeugen, dass sie gerade aufgrund ihrer Geschichte eine besondere Verantwortung tragen. Wenn irgendwo Menschlichkeit verletzt werde – egal, wo das geschehe und wer der Aggressor sei – dürfe man sich nicht hinter dem Argument verstecken, jede Kritik an Israel könne als verdeckter Antisemitismus ausgelegt werden. Mukarker forderte klare Worte: „Angela Merkel sollte sich für die Einhaltung der Menschenrechte gegenüber den Palästinensern einsetzen.“

Text: Hans-Willi Hermans
Foto(s): Hans-Willi Hermans