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Evangelisches Europa – die bilateralen Partnergemeinden von Bergisch Gladbach trafen sich zum 5. Mal

Seit 1991 gibt es regelmäßig Begegnungen zwischen der Waldenser Gemeinde in Riesi (Sizilien), der Reformierten Gemeinde in Bourgoin-Jallieu (Frankreich), der Evangelischen Kirchengemeinde Bergisch Gladbach und dem Kirchensprengel Lugau, Eichholz, Fischwasser in Brandenburg. Hier der Bericht von Sabine Becker:

Die Idee, die ehemals bilateralen Partnerschaften der Bergisch Gladbacher Gemeinde zu vernetzen, entstand aus der Freude der deutschen Vereinigung und der Vision des neuen Hauses Europa. Was haben wir Christen uns gegenseitig zu sagen, zu fragen und zu gestalten in solcher Umbruchsituation?

In der Einladung zum mittlerweile 5. Treffen hieß es aus Lugau unter dem Thema „Christen auf der Suche nach Heimat“: „Hier in unserer Region ist mehr das Verlassen der Heimat ein aktuelles Thema: die Abwanderung von Arbeitskräften und somit der Wegzug vieler Familien. Aber wir denken auch an die Abwanderung aus den Kirchen und die damit verbundenen sinkenden Kirchenmitgliederzahlen in Deutschland. Kann Kirche heute den Menschen noch Heimat sein? Oder wie müsste sie sein, damit sie Heimat für viele sein kann? Ein Aspekt, der uns sicher alle beschäftigt. Und in Sizilien die ankommenden Flüchtlinge: Werden sie hier in Europa eine Heimat finden?“

Die Arbeitsgruppe Partnerschaft in Lugau hatte ein Programm ausgearbeitet, das darauf ausgerichtet war, einen gemeinsamen Prozess der Annäherung und Bearbeitung des Themas zu ermöglichen. Niemand musste mit einem fertigen Beitrag anreisen. Die meisten der ca.60 auswärtigen Teilnehmenden waren privat in den Familien untergebracht, die Jugendlichen wohnten zusammen in der Touristenstation in Lugau. Gottesdienste und Veranstaltungen fanden reihum in den inzwischen auf 5 Kirchen angewachsenen Predigtstätten des Kirchsprengels statt.

Was bedeutet Heimat in und für Europa?
Im einführenden Vortrag zum Thema referierte Altbischof Dr. Kruse aus Berlin.
Die Darlegungen und die anschließende Diskussion machten deutlich, dass Heimat etwas zu tun hat mit Auf- und Angenommensein, mit Anerkennung und Vertrauen. Es zeigte sich, dass für uns Deutsche das Thema Heimat eine gefühlsbezogene Dimension hat, während Italiener und Franzosen das Wort Heimat gar nicht kennen. Darüber hinaus wurde geäußert, dass der erzwungene Verlust von Heimat z.B. bei Flüchtlingen und Heimatvertriebenen nachhaltige Narben hinterlassen hat und dass das Wiedersehen heimatlicher Gefilde bei den Betroffenen unbestimmte Schwingungen der Seele hervorruft.- Es wurde aber auch gesagt, dass Kirche, wenn Menschen sich in ihr wohlfühlen, ein Stück Heimat werden kann. Letztlich war man sich einig darüber, dass wir Christen auf dieser Erde immer auf der Pilgerschaft sind und nirgendwo eine feste Heimat haben oder brauchen, da unsere „göttliche Staatsbürgerschaft“ an keinen irdischen Raum gebunden ist.

Unglaublich positiven Schub brachte der Ausflug in die stillgelegte Tagebaulandschaft mit dem für dieses Gebiet visionären Vortrag von Prof. Hans Peter Kuhn (ehemals Bauhaus, Dessau). Er stellte vor, wie in verschiedenen Projekten das enorme Gestaltungspotential aus der Rekultivierung des Tagebaus genutzt werden könnte, um die Region um Cottbus und Finsterwalde zu einem anziehenden nahe liegendem Erholungsgebiet für Berlin, Dresden, ja Warschau und Breslau werden könnte. Schade, dass die Förderbrücke F 60 ( um fast 200m länger, als wenn der Eifelturm da liegen würde, und 80m hoch), nur bei Regen und kaltem Wind erklettert werden konnte. Sie ist ein eindrückliches Industriedenkmal, das an Wochenendnächten mit Licht- und Klanginstallation in Szene gesetzt wird.

Zwischen verfahrenen wirtschaftlichen Situationen und Lichtblicken
In der Friedersdorfer Kirche fand die Schlussdiskussion zum Thema „Heimat und Abwanderung“ statt. Auf dem Weg dahin sah man den verlassenen Supermarkt und die demnächst mangels Kindern auslaufende Realschule in Rückersdorf, beides Zeichen für die Strukturschwäche und schwindende Hoffnung der Region. Im Podiumsgespräch zeigte sich dann wieder, dass die Erfahrungen in Riesi und in Bourgoin-Jallieu, wo ähnliche verfahrene wirtschaftliche Situationen eine Zeit lang das Leben bestimmten, ein Lichtblick auch für die Lausitz bedeuten können. Erkennen und sich einlassen darauf, dass alte Strukturen nicht mehr tragen, und festhalten daran, dass sich der mühselige Weg des Umbaus lohnt, darauf vertrauen, dass es eine Zukunft gibt, das war die Ermutigung in dieser Begegnung. Aber es ist auch eine Frucht der partnerschaftlichen internationalen Vernetzung – was hätten wir „Westdeutschen“ als einziges Gegenüber von uns erzählen können?

Die vielen Gespräche auf den Wegen zwischen den Programmpunkten; das Singen in allen drei Sprachen aus dem Liederheft, das für dieses Ereignis gedruckt worden war; kleine Arbeitsgruppen zum Thema; immer wieder gute Verköstigung in den Gasthöfen, aber meist auch in den eigenen Gastgeberküchen vorbereitet; das gemeinsam erarbeitete Konzert in der Klosterkiche von Doberlug; die umgestaltete Kirche in Eichholz, die einlud zu Ruhe und Besinnung; der viel zu plötzliche Abschied von den Franzosen, die das Rückfahrdesaster auf der deutschen Autobahn meiden wollten; schließlich der Abschlussgottesdienst in Lugau und dann das nicht endenwollende Abschiedszeremoniell, weil man sich persönlich so nahe gekommen war, dass man sich noch ganz viel sagen musste – das alles erfüllte die Gäste mit Freude und Dankbarkeit.

In Lugau, Eichholz und Fischwasser ist eine interessante Planung gemacht worden und die Organisation war bis ins kleinste Detail liebevoll getragen von vielen Schultern. Die notwendigen Änderungen wegen des nasskalten Wetters haben zusätzlichen Einsatz abgefordert – der warmherzige und gutgelaunte Grundton wurde zu keiner Zeit gestört!

Wir hoffen, dass dieses Fest in die gastgebenden Dörfer hinein so viel Ausstrahlung und Freude hinterlässt, wie wir Gäste sie geschenkt bekommen haben. Von Herzen Dank.

Text: Sabine Becker
Foto(s): Melanie Tapprogge