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Evangelische Zeugnisse zum Tod von Frère Roger: Betroffenheit und eine ökumenische Thomasmesse mit Taizé-Gesängen

Sein Leben
Der am 16. August 2005 ermordete Schweizer Theologe Roger Schutz galt als einer der großen spirituellen Persönlichkeiten des Christentums. In den 40er Jahren gründete er die ökumenische Gemeinschaft von Taizé in Burgund. Der damals 25-jährige protestantische Pfarrerssohn wollte in der Zeit des Zweiten Weltkriegs «die Zerrissenheit unter den Christen und die Konflikte in der Menschheit» überwinden helfen. Dazu zog er sich 1940 in das kleine Dorf Taizé bei Cluny in Südburgund (Frankreich) zurück.
Heute leben in der ökumenischen «Communauté de Taizé» mehr als 100 Brüder aus rund 25 Ländern. Viele arbeiten zudem in den Armenvierteln der Welt. Ihren Lebensunterhalt bestreiten sie mit Einkünften aus ihrer Arbeit. Sie haben sich zur Ehelosigkeit sowie zu einem Leben in materieller Gütergemeinschaft verpflichtet. Bekannt geworden ist die Kommunität von Taizé auch durch einprägsame, meditative Lieder, die unter Christen in aller Welt verbreitet sind.

Seit Ende der 50er Jahre kommen Jugendliche nach Taizé. In den Sommerwochen zählt die Kommunität regelmäßig mehrere tausend Besucher. 1986 besuchte auch Papst Johannes Paul II. die Gemeinschaft. Alljährlich kommen bis zu 100.000 Jugendliche zu den traditionellen Taizé-Jugendtreffen am Jahresende in einer europäischen Großstadt zusammen.

Communauté de Taizé
In Taizé leben heute etwa 100 Brüder aus 25 Nationen. Im Laufe der Jahre haben Millionen Jugendliche sich mit den Themen der Gemeinschaft beschäftigt, mit Nächstenliebe, Frieden und Versöhnung. Auf Rogers Anregung hin leben seit 1951 Brüder in Gemeinschaften mit Besitzlosen in Asien, Afrika und Lateinamerika zusammen.

Sein Tod
Die Nachrichtenagentur REUTERS schreibt am 16. August:
Der Gründer der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, Bruder Roger, ist bei einem Angriff während eines Gottesdienstes getötet worden.  Während der religiösen Zeremonie am Stammort der Gemeinschaft in Ost-Frankreich sei eine Frau unter den rund 2500 Anwesenden aufgestanden und habe Roger mit drei Messerstichen getötet, gab die Polizei am Dienstag bekannt. Der 90-Jährige sei sofort tot gewesen. Die Täterin, eine 36-jährige Rumänin, sei von den Gläubigen überwältigt und festgehalten worden. Roger, ein protestantischer Pastor aus der Schweiz, war eine der führenden Figuren der ökumenischen Bewegung und genoss Respekt unter den Oberhäuptern verschiedener Konfessionen. Jährlich pilgern Tausende Jugendliche, sowohl Protestanten als auch Katholiken, nach Taizé.

Evangelische Stimmen
Mit fassungsloser Bestürzung und in persönlicher Betroffenheit hat der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, auf den gewaltsamen Tod von Frère Roger reagiert. In einer ersten Reaktion hat der Ratsvorsitzende das aufrichtige Mitgefühl vieler evangelischer Christen in Deutschland in Worte gefasst. Es gilt in diesen Stunden der Gemeinschaft von Taizé, die der Protestant Roger Schutz gegründet und länger als ein halbes Jahrhundert geprägt hat. Die Begegnung, der persönliche Austausch und das gemeinsame Gebet sind für viele prägend in ihrem Leben und damit unvergesslich geworden.

„Im Gebet sind wir mit den Menschen in Taizé und mit den Brüdern, die im Bonner Münster und in der Kölner Kirche St. Agnes die geistlichen Zentren des XX. katholischen Weltjugendtages gestalten, verbunden,“ sagte die Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Petra Bosse-Huber. Das Lebenswerk von Roger Schutz würdigte sie mit den Worten: „Die solidarische Gemeinschaft und die bedingungslose geistliche Ökumene, die der evangelische Pastor Roger Schutz in Taizé aufgebaut hat, hat viele Menschen in unseren Gemeinden geprägt.“ Besonders betonte sie das musikalische Erbe der Taizé-Gemeinschaft. „Viele liturgische Gesänge der Gemeinschaft haben Eingang in unser evangelisches Gesangbuch gefunden. Möge die Kraft, die ihre Melodien entfalten können, nun die Trauernden stützen und in allem Erschrecken ihren Glauben an Gottes Güte und Liebe lebendig halten,“ sagte Bosse-Huber.

Ernst Fey, der Stadtsuperintendent des Evangelischen Stadtkirchenverbands Köln, ist betroffen: „Mit großer Bestürzung habe ich von dem gewaltsamen Tod Frère Rogers erfahren. Er war – mit seinem ganzen Leben – ein großer Wegbereiter der Ökumene. Seine Gottesdienste, die wunderbaren Lieder der Bruderschaft von Taizé haben für unser geistliches Miteinander wichtige Im-pulse gegeben. Diese Impulse sind mit Sicherheit nicht mit Frère Roger ge-storben, wir werden sie in unseren Kirchengemeinden weiter tragen.“

Katholische Stimmen
Er sei „sehr traurig“, sagte Papst Benedikt XVI. direkt nach der Ermordung von Frère Roger. Gerade gestern habe er einen „bewegenden“ Brief von Frère Roger erhalten, in dem dieser geschrieben habe, er sei mit ganzem Herzen mit dem Papst und allen Teilnehmern des Weltjugendtages in Köln. Er werde „im Geiste“ in Köln anwesend sein, wohin er aus gesundheitlichen Gründen nicht werde fahren können, schrieb der Taizé-Gründer.
Der Erzbischof von Köln, Joachim Kardinal Meisner, hat zum Tod von Frère Roger Schütz, folgende Stellungnahme abgegeben: „Mit tiefer Erschütterung habe ich die traurige Nachricht von der Ermordung von Frère Roger Schütz zu Kenntnis nehmen müssen. Gerade er, auf den die Seligpreisung zutrifft: ‚Selig, die Frieden stiften‘, ist durch einen gewaltsamen Tod aus dem Leben geschieden“. Meisner kündigte weiterhin an, er wolle die Sankt Agnes Kirche aufsuchen, „um den Brüdern persönlich meine Anteilnahme auszusprechen und mich in das dort ausgelegte Kondolenzbuch einzuschreiben.“

Gesänge aus Taizé auf dem Weltjugendtag
Lange vor der Ermordung von Frère Roger schon war die Thomasmesse mit Gesängen aus Taizé geplant, als ökumenisches Angebot im Weltjugendtagszeitraum, am Freitag, 19. August, 15 bis 17 Uhr, in der evangelischen Christuskirche Köln, Herwarthstraße/Ecke Werderstraße.
Organisiert wird sie federführend von dem katholischen Theologen Clemens Wilken und der evangelischen Pfarrerin Ulrike Graupner. Von Anfang an stand die Thomasmesse unter dem Motto: „Der Geist Christi befreit uns“. Die musikalische Gestaltung mit Taizé-Gesängen  hat der Kantor der evangelischen Gemeinde Köln, Thomas Frerichs, übernommen. Bei dem musikalischen Vorbereitungstreffen hat sich ein 50-köpfiger, ökumenischer Chor für die Messe zusammengefunden; viele dieser Menschen stehen der Gemeinschaft von Taizé nahe und trauern um Frère Roger. Spontan hat Wilken das Plakat, das zur Messe einlädt, umgestaltet: Die Hälfte des Plakats trägt nun ein Foto von Frère Roger im schwarzen Trauerrand. Während der Begrüßung wird in der Thomasmesse selbstverständlich des Ordensgründers gedacht – das Thema „Befreit durch Christi Geist“ entspricht den Anliegen von Taizé so sehr, dass die Messe wie von selbst dem Andenken Frère Rogers gewidmet scheint: „Die Elemente Ökumene, Jugend und Befreiung sind ja auch zentrale Themen der Gemeinschaft von Taizè“, führt Graupner aus.

Stichwort Thomasmesse
Thomasmessen waren in Köln von Anfang an – wie Taizé-Gottesdienste -ökumenisch, wobei die Thomasmesse gemäß ihrem Namensgeber, dem Jünger Thomas, der nicht an die Auferstehung von Jesus glauben wollte, bis er dessen Wunden berührt hatte, immer besonders zweifelnden und suchen-den Menschen gewidmet ist.

Weiterführende Informationen über Frère Roger
Bei Wikipedia gibt es eine ausführliche Liste mit Publikationen von Frère Roger, seine Preise und Auszeichnungen sind hier ebenso gelistet wie weiterführende Links.

Text: Al-Mana
Foto(s): EKD