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Erster „Spoken word“-Gottesdienst in der Dellbrücker Christuskirche

Einen Gottesdienst mit „erklärungsbedürftigen Teilen“ versprach Holger Pyka dem Premierenpublikum in der Christuskirche in Köln-Dellbrück: „Gottesdienst trifft 'open mic', 'slam poetry' und 'spoken word'“ hatte es in der Ankündigung geheißen. „Es gilt! das gesprochene Wort“, so das Motto, dem etwa 50 Neugierige – zwischen 15 und 75 Jahren – gefolgt waren. „Spoken Word“, übersetzt: gesprochenes Wort, ist ein Kunstgenre, bei dem lyrische Texte vorgetragen werden. Im „spoken word“-Gottesdienst am Sonntagabend performten vier Menschen eigene Texte, inspiriert von der Schöpfungsgeschichte des Alten Testamentes mit dem zentralen Satz: „Und Gott sah, dass es gut war.“

"Während Gott am dran am sehen war"

Dieser rege zum „Innehalten und Zurückschauen“ an, meinte Anke Fuchs. Die Bonnerin, die bereits viel Erfahrung mit „poetry slam“, literarischen Wettbewerben und Workshops hat, machte den Anfang: Frei trug sie ihren Text „Halt mal still, Welt“ vor, forderte dazu auf, mal „echt social“ zu sein, mal alles abzuschalten und sich Zeit zu nehmen, um das „Gras wachsen zu hören statt Kapital“. Dass kein ordentlicher Satz mit „und“ beginnt, hatte Vikarin Friederike Lambrich in ihrer Schulzeit gelernt. Und daher handelte ihr Text von verschiedenen Satzanfängen: „Weil Gott sah“ und „Als Gott sah“ und „Während Gott am dran am sehen war, dass es gut war,…“. In vielen bunten Farben bis hin zu „beige“ beschrieb die junge Theologin Gottes Schöpfung und fragte sich außerdem, was wohl in deutschen Wohnzimmern sonntags um 21.45 Uhr nach dem Tatort passiert.

Schöpfer mit Hang zum Kitsch
Als dritter Lyriker betrat Gastgeber Pfarrer z. A. Holger Pyka den rot beleuchteten Altarraum. Im Februar erst hatte er in der Düsseldorfer Neanderkirche den „Preacher Slam“ der evangelischen Jugendkirche Düsseldorf gewonnen. In der Christuskirche orientierte er sich an der traditionellen japanischen Gedichtform Haiku. Ein Gedanke galt der Ausstattung von Gottes Büro: Flachbildschirm mit durchlaufendem Nachrichtenband und an der Wand ein kitschiges Bild, „das Gott bei einem China-Restaurant-Ausverkauf“ erstanden hatte. Denn der Schöpfer – „mehr Künstler als Handwerker, geschweige denn Techniker“ habe einen Hang zum Kitsch, das zeigten schon die roten Sonnenauf- und -untergänge. Besonders lustig performte er die dreifaltige Teamsitzung, bei der sich Gott, Jesus und Heiliger Geist über die Schöpfung austauschten. Am Anfang sei ja nur Chaos gewesen „wie bei Mose unterm Sofa“. Das Chaos durchzubuchstabieren, von A bis Z – das hatte sich die vierte Poetin, Becci John, vorgenommen: „Am Anfang bei Beginn Chaos“. Gott habe während seiner Schöpfung schlichten müssen, besonders zwischen Licht und Dunkelheit. Mit dem Äquatorband habe er die beiden schließlich auf Abstand gehalten.'

Gereimt, gesungen, gebetet
Zwischen den Wortkaskaden sang die Gemeinde auf deutsch und englisch, am Flügel virtuos begleitet von Marius Helmer, Theologiestudent aus Wuppertal. Es wurde gereimt, gesungen und gebetet. „Geslamt“ wurde nicht. Anders als bei einem „Poetry Slam“, einem Wettbewerb unter Dichtern, gab es keinen Wettstreit und keine Jury, die zum Schluss einen Sieger kürt. Zum Schluss dieses besonderen literarischen Gottesdienstes gab es die Bibelstelle, die als inspirierende Vorlage gedient hatte, noch im Original. Und wie jeder anständige evangelische Gottesdienst schloss auch dieser mit dem Segen. Danach war die Gemeinde eingeladen zu einem Imbiss und zum gemeinsamen „Tatort“ gucken im Gemeindesaal. Was nach 21.45 Uhr passierte, ist nicht überliefert.

Einen weiteren "spoken word"-Gottesdienst wird es voraussichtlich im Juni in der Christuskirche geben; aktuelle Informationen dazu unter www.kgdh.de; konzeptionelle Gedanken zum Gottesdienst gibt es unter http://kirchengeschichten.blogspot.de/2014/03/aus-dem-liturgischen-labor-gedanken-zum.html

Text: Martina Schönhals
Foto(s): Martina Schönhals