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Ende des Festreigens 150 Jahre Kirche Kerpen mit dem Gustav-Adolf-Werk – Bilanz aus einem Jahr hochkarätiger Feiern

„Klümpchen“ nennt der Volksmund die evangelische Johanneskirche in Kerpen. Der Begriff bezeichnet liebevoll etwas Kleines. Ob er nun abgeleitet ist von der typischen Fußbekleidung der Niederländer – die ersten Reformierten im Raum Düren/ Frechen stammten mehrheitlich aus dem westlichen Nachbarland -, oder vielmehr eine süße Kleinigkeit meint, muss offen bleiben. Klein ist es, das einschiffige Gotteshaus am Kerpener Filzengraben. Ganze 12 mal 8 Meter misst der backsteinerne, mit einem Dachreiter versehene Saalbau. Auf der Spitze dreht sich ein goldener Wetterhahn, der die Jahreszahl 1853 trägt. Sie ist auch im Türbogen verewigt und markiert den Baubeginn der Kirche, die am 9. August 1854 eingeweiht wurde. Ist das einladende Portal passiert, empfängt ein blauer, mit freundlichen Wölkchen geschmückter, blumenumrankter Himmel die Besuchenden. Ansonsten prägt eine dezente Farbgestaltung in Weiß, Gautönen, wenig Gold und Orange das Innere. Altar, Kanzel und Biedermeier-Orgel gehören noch zur ersten Einrichtung.

Bonbons für das „Klümpchen“
„Auch für uns ist die Johanneskirche ein Klümpchen, ein Zuckerstück“, sagt Pfarrer Lutz Hustig. Und so hat man anläßlich ihres runden Geburtstages große Tüten mit vielen schmackhaften „Bonbons“ zusammengestellt. Verputzt wurden sie nach und nach in den vergangenen elf Monaten. „Dass wir die Veranstaltungen über ein Jahr verteilt haben, hatte pragmatische Gründe. Zum einen ist unsere Kirche für eine einmalige große Veranstaltung zu klein. Zum anderen wollten wir verschiedene Zielgruppen ansprechen, wir wollten, dass alle Mitglieder und Gruppen unserer Gemeinde sich im Programmangebot wiederfinden“, erläuterte Hustig. Viele Bonbons also hielt die Evangelischen Kirchengemeinde Kerpen bereit. Liturgische, musikalische und literarische Bonbons, andere für Senioren und für Kinder. Es gab Bonbons der Frauenhilfe, der Partnergemeinden aus Halle/Dölau und Lieskau sowie der Europaschule Kerpen, einen Büchermarkt und eine Gemeindefahrt nach Istanbul, diverse Aufführungen und Präsentationen für Kunst- und lokalhistorisch Interessierte. Damit sind wir beim Bonbon der Heimtfreunde der Stadt Kerpen e.V.: Der konzipierte die Ausstellung „200 Jahre evangelische Christen in Kerpen, 1800 bis 2004“ und veröffentlichte zum Thema eine informative Schrift.

1850 hoffte die Kerpener Bürgerschaft noch „katholisch zu bleiben“
Darin ist zu erfahren, dass 1850 Kerpen 42 Protestanten zählte. Da für einen regelmäßigen Gottesdienstbesuch die evangelische Kirche in Frechen aber zu weit entfernt lag, beantragte man die Nutzung des Kerpener Gemeindehauses. „Die Kerpener Bürgerschaft ist katholisch, so lange Kerpen existiert und hofft, dies auch zu bleiben …“, wies der Gemeinderat jedoch das Gesuch brüsk zurück. Dies rief das evangelische Rheinland auf den Plan. Schließlich führte die Solidarität mit den Kerpener Glaubensbrüdern und -schwestern zum Bau einer eigenen Kirche. Zu deren Finanzierung trugen maßgeblich die Hauptvereine Bremen, Düsseldorf, Gotha und Königsberg des damaligen Gustav-Adolf-Vereins, ebenso dessen Zweigvereine Barmen, Bonn, Cöln, Duisburg, Jülich, Kirn und Langenberg bei. Eine wesentliche Unterstützung leisteten ebenso der preußische König Friedrich Wilhelm III. sowie der Kerpener Kaufmann Heick. Zur Einweihung im August 1854 erschien „alles, was im evangelischen Rheinland Rang und Namen hatte“.
Nun, 150 Jahre und einen Monat später, hieß die inzwischen 3300 Mitglieder starke Evangelische Gemeinde Kerpen zum Abschluss der Jubiläumsveranstaltungen das Gustav-Adolf-Werk (GAW) der Evangelischen Kirche im Rheinland willkommen, das sein 161. Jahresfest feierte: „Da wir 1852 den Bau der Johanneskirche mit auf den Weg gebracht haben, lag es nahe, dass wir anlässlich deren 150-jährigen Bestehens unser turnusmäßiges Jahresfest diesmal im Kirchenkreis Köln-Süd des Evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln und insbesondere in Kerpen abhalten“, erläuterte Pfarrer Rüdiger Dunkel, Vorsitzender des GAW im Rheinland. Weltweit unterhält das GAW, Diasporawerk der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kontakte zu mehr als vierzig Kirchen in Europa, Asien und Lateinamerika. „Es unterstützt evangelische Minderheiten bei deren Gemeindeaufbauprojekten, ihren sozialdiakonischen Aufgaben und Bauvorhaben. Die Partnerkirchen entscheiden selbstständig, wo Hilfe jeweils nötig ist“, so Dunkel. „Das GAW ist nicht nur ein Hilfswerk, sondern es sucht auch die Begegnung mit den Partnerkirchen, denn geistliches und materielles Teilen, Geben und Nehmen über Ländergrenzen hinweg gehören zusammen.“

Pdiumsdiskussion: Die Zukunft des Protestantismus in Europa
Am ersten Tag des Jahresfestes stand unter anderem in der Johanneskirche eine gut besuchte Podiumsdiskussion zum Thema „Die Zukunft des Protestantismus in Europa“ an. Moderiert von Pfarrer Frank-Dieter Fischbach, Evangelische Sozialakademie Friedwald, betonten die Beteiligten, Pastor i.S. Dr. Markus Coeleveld aus Aachen, Synodalbeauftragter für Euregio-Arbeit, Landespfarrer Hans-Peter Friedrich aus Düsseldorf, Superintendent i.R. Universitätsprofessor Mag. Werner Horn aus Wien und Marc Lenders aus Brüssel, die Notwendigkeit, angesichts der Erweiterung der Europäischen Union die Rollen und Beziehungen zwischen den evangelischen Kirchen in den jeweiligen Ländern neu zu finden. „Wir sind eine Kirche, aber was bedeutet das?“ In allen neuen Beitrittsländern seien die protestantischen Kirchen Minderheitenkirche. Doch die Chancen auf eine ausgedehnte Kooperation der jeweiligen Landeskirchen, auf ein insgesamt gutes Zusammenleben, seien noch nie so gut gewesen wie heute. Im Hinblick auf die Europäisierung, den Wegfall der Grenzen, müssten es die Kirchen schaffen, die Menschen mit ins Boot zu nehmen. Es müsse gelingen, die bestehenden Partnerschaften unter den Landeskirchen und ihren Gemeinden konstruktiv weiter zu führen.

Der Präses predigte und gratulierte
Am Sonntag folgte der Festgottesdienst mit Dunkel sowie Pfarrer Nikolaus Schneider. Der Präses der Evangelischer Kirche im Rheinland hielt nicht nur die Predigt, sondern verabschiedete mit den Pfarrern Risto Marttunen (Wuppertal), Erich Klumb (Moers) und Carl Alfred Luckhaus (Kettwig) drei langjährige Vorstandsmitglieder des GAW. Zudem führte er Pfarrer Manfred Warmers (Mülheim) als neuen Schatzmeister sowie Rosemarie Schroeder als neue Leiterin der Gustav-Adolf-Frauenarbeit ein. Beim anschließenden Empfang im Gemeindehaus hinter der Johanneskirche gratulierte der Präses den Kerpener Protestanten noch einmal herzlich zum 150-jährige Bestehen ihres Gotteshauses. Zudem dankte er für die vielen Veranstaltungen, die im Laufe des Jubiläumsjahres angeboten wurden. An das gemeinsame Mittagessen im Pfarrgarten schlossen sich Begegnungen mit Mindaugas Kairys, Werner Horn und Marc Lenders an, die über die lutherischen und reformierten Gemeinden in Litauen, über die Evangelische Kirche Augsburgerischen und Helvetischen Bekenntnisses in Österreich und die Vereinigte Protestantische Kirche in Belgien informierten.

„Ich denke, es war ein erfolgreiches Jubiläumsjahr. Es war ganz wirksam auch für die öffentliche Darstellung unserer Gemeinde“, zog Lutz Hustig ein positives Fazit. „Über die vielen Veranstaltungen, die sich einer guten Annahme und guten Rückmeldung erfreuten, sind wir miteinander und mit anderen mehr ins Gespräch gekommen.“


Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich