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EKiR-Synode: Bleiberechtsregelung, Abzug US-amerikanischer Atombomben aus Deutschland, Umwelt- und Sozialstandards, „Grundsicherung“ gegen Kinderarmut und vieles mehr

„Mit dem Auslaufen der Bleiberechts- beziehungsweise Altfallregelung für geduldete Flüchtlinge zum Ende des Jahres 2009 stehen viele Flüchtlinge vor der Abschiebung.“ Vor diesem Hintergrund schlossen sich die Synodalen im Evangelischen Kirchenkreis Köln-Nord bereits Ende 2009 unter Federführung von Pfarrerin im Ruhestand, Renate Graffmann, einstimmig dem Aufruf der EKD und der Katholischen Bischofskonferenz (KBK) an, ein humanitäres Bleiberecht für alle Betroffenen zu sichern und die Fristen der gesetzlichen Altfallregelung zu verlängern. Sie wandten sich damit gegen die sogenannten „Kettenduldungen“, bei denen es die immer wieder verlängerte Duldung den Flüchtlingen unmöglich macht, neue Perspektiven in Deutschland zu entwickeln. Auch die Anforderungen an die Sicherung des Lebensunterhaltes – Voraussetzung für ein Bleiberecht – seien zu hoch und müssten Ausnahmen für kranke, traumatisierte, alte oder pflegebedürftige Menschen zulassen. Ferner sollen Einzelfälle genauer geprüft und die Trennung von Familien vermieden werden, so die Forderung – die auch an die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) gerichtet wurde.

EKiR-Synode und Bleiberechtsregelung
Exakt diesen Gedanken hat die EKiR-Synode 2010 nun auch aufgegriffen: Bereits am Mittwoch Morgen war auf den Internetseiten der EKiR in einem Interview mit dem Vorsitzenden der Projektgruppe Globalisierung der rheinischen Kirche, Jens Sannig, zu lesen: „Die neue Bleiberechtsregelung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber mehr auch noch nicht, weil sie nur den Stichtag noch einmal verlängert. Notwendig ist eine Nachfolgeregelung zur jetzigen Bleiberechtsregelung ohne Stichtagregelung und mit erfüllbaren Kriterien.“ Das ganze Interview hier
Dazu muss man wissen: Bereits im Dezember 2009 hatte die Konferenz der Innenminister und -senatoren (IMK) die „Altfallregelung“ um zwei Jahre verlängert. Die Landessynode der EKiR sprach jetzt der IMK ihren Dank aus und wertete die Verlängerung als „richtigen Schritt auf dem Weg zu einer tatsächlichen Bleiberechtsregelung“. Die Synode beauftragte die Kirchenleitung, sich bei den Innenministerien der Länder Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland für eine Umsetzung des IMK-Beschlusses einzusetzen, die die Anforderungen an die Lebensunterhaltssicherung erfüllbar macht. An den Nachweis, sich um Arbeit bemüht zu haben, dürften keine überhöhten Anforderungen gestellt und der Schutz der Familie garantiert werden, so die Synode.

Themenfeld Migration und Flucht; besonders im Blick: Roma
Überhaupt: Nicht zuletzt durch zahlreiche Anträge von rheinischen Kreissynoden beschäftigt das Themenfeld Migration und Flucht die Landessynode 2010: Flüchtlinge aus dem Kosovo, die bislang ohne gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland leben und einer ethnischen Minderheit angehören, sollen vorläufig nicht in den Kosovo abgeschoben werden. Dafür setzt sich die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland ein. Mittwoch Abend beauftragte das oberste Leitungsgremium die Kirchenleitung, sich an die Innenminister der Länder Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland zu wenden, um insbesondere für Roma ein sofortiges Abschiebungsmoratorium zu erreichen. Aus humanitären Gründen solle den schutzbedürftigen ethnischen Gruppen zudem eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25, Absatz 5, Aufenthaltsgesetz zuerteilt werden.
Außerdem: Die Landessynode werde die Flüchtlings- und Asylpolitik der Europäischen Union (EU) weiterhin aufmerksam verfolgen bzw. kritisieren im Sinne der Einhaltung der Menschenrechte. Die Kirchenleitung wurde beauftragt, die europäische Asyl- und Flüchtlingsthematik über die EKD-Steuerungsgruppe in den Reformprozess „Kirche im Aufbruch“ einzubinden.

Initiativantrag: US-Atomraketen sollen aus Deutschland abgezogen werden
Die letzten 20 Atombomben der US-Armee in Deutschland sollen abgezogen werden. Dafür setzt sich die Landessynode ein. 223 Synodalen folgten einem entsprechenden Initiativantrag aus dem Kirchenkreis Koblenz. Die Waffen lagern offenkundig auf dem Nato-Fliegerhorst Büchel. Seit Jahren demonstrieren Mitglieder der Evangelischen Kirchengemeinde Cochem für den Abzug der Massenvernichtungswaffen. Die Synode hat nun die Kirchenleitung beauftragt, die Bundesregierung aufzufordern, der Verabredung im Koalitionsvertrag zu folgen, sich für den Abzug dieser US-amerikanischen Atombomben aus Deutschland einzusetzen. Dies wäre, so unterstrichen die Synodalen am letzten Tag der Tagung des obersten Leitungsgremiums der Kirche, ein deutliches Signal auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt.

Weltweite Umwelt- und Sozialstandards
Noch stärker als bisher wird die Evangelische Kirche im Rheinland nach Umwelt- und Sozialstandards wirtschaften. Ohne Gegenstimmen hat die Synode am Mittwoch Abend den Folgebericht der Projektgruppe Globalisierung erweitert und mit zusätzlichen Empfehlungen angenommen. Wie konkret die Forderungen aus dem Papier sind, machte Jens Sannig, Superintendent des Kirchenkreises Jülich und Vorsitzender des Ausschusses für öffentliche Verantwortung (AÖV), am Beispiel von Natursteinen, die in Indien durch Kinder bearbeitet und in Deutschland als Grabsteine verkauft werden, deutlich: „Wir sind stolz: NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann fährt auf Anregung der Kirchen nach Indien. Die Kirchen haben gesagt, dort geschieht Unrecht. Jetzt ist das Thema in der Öffentlichkeit angekommen, und der Minister macht sich nun für den Schutz der indischen Kinder stark.“

„Wirtschaften für das Leben“
Die Evangelische Kirche im Rheinland fragt auch weiterhin danach, wie „Wirtschaften für das Leben“ aussehen sollte – nicht zufällig hat sie Fragen der Globalisierung nun schon zum dritten Mal in Folge auf ihrer Tagesordnung. Aufgabe ist es, Antworten zu finden auf die Frage der Kirchen des Südens, ob es nicht vor dem Hintergrund der stetigen Zunahme von Hunger, Armut, Krieg, Vertreibung und Flucht und dem millionenfachen Sterben der Ärmsten der Welt Zeit sei, als Kirche Gottes ein Bekenntnis auszurufen gegen die unerträglichen Folgen der wirtschaftlichen Globalisierung.
„Die Synode hat verstanden, dass Kirche – um glaubwürdig die Stimme gegen Unrecht, Ausbeutung und Missbrauch der Natur erheben zu können – zuerst fragen muss, wo sie selbst bisher unwidersprochen in dem Wirtschaftssystem verwoben war und wo sie anfangen muss, vorbildhaft Veränderungen herbeizuführen. Was heißt das praktisch?“, fragte die EKiR-Redaktion Jens Sannig, den Vorsitzenden des Ausschusses für öffentliche Verantwortung.
Sannigs Antwort: „Die Synode hat im letzten Jahr beschlossen, die Rücklagen der EKiR nach ethischen Kriterien anzulegen, und den Antrag gestellt, die Rücklagen der Versorgungskasse ebenfalls entsprechend einem Ethikfilter, wie ihn die KD-Bank anbietet, anzulegen. Im diesjährigen Zwischenbericht können wir darlegen, dass das gelungen ist.
Ebenso ist konsequent die Umstellung des Stromverbrauchs auf sogenannten Naturstrom aus 100 Prozent regenerativen Energiequellen soweit vorangebracht worden, dass den Gemeinden und Kirchenkreisen jetzt Rahmenverträge für zwei Anbieter von Ökostrom nach einem zertifiziertem Gold Label Standard angeboten werden konnten. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, weil Synodenbeschlüsse jetzt konsequent umgesetzt wurden.
Die Kirchenleitung hat daneben in diesem Jahr entsprechend der Vorgaben durch die Synode schadstoffarme Dienstwagen geleast und die Klimaabgabe auf Dienstflüge umgesetzt. “
Und so wurde es dann auch beschlossen: Mit großer Mehrheit bei zwei Enthaltungen und ohne Gegenstimmen hat die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) den Folgebericht der Projektgruppe Globalisierung erweitert und mit zusätzlichen Empfehlungen angenommen, nachzulesen hier.

Kindergrundsicherung wird als Instrument zur Bekämpfung von Kinderarmut geprüft
Um die Not von Kindern zu bekämpfen und den Familien gerechter zu werden, beauftragt die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland die Kirchenleitung zu prüfen, inwieweit die Einführung einer eigenständigen Kindergrundsicherung, die sich am gegenwärtigen kindlichen Existenzminimum zuzüglich eines Freibetrages für die Betreuung, Erziehung und Ausbildung orientiert, ein geeignetes Instrument zur Bekämpfung von Kinderarmut wäre. Die Landessynode setzt sich darüber hinaus dafür ein, Betreuungs- und Bildungsangebote für alle Kinder weiter auszubauen und zu verbessern.

Kritik am Neuen Kirchlichen Finanzwesen (NKF) soll in die Umsetzung einbezogen werden
Der bisherige Prozess zur Einführung des Neuen Kirchlichen Finanzwesens (NKF), hat nicht den Erfolg und den Ertrag gebracht, die notwendig wären, um das NKF im gesamten Gebiet der Evangelischen Kirche im Rheinland erfolgversprechend einzuführen. Das stellte die Landessynode in ihren Beratungen fest. Für das Jahr 2010 wurde mit großer Mehrheit ein Moratorium beschlossen. Kritische Anfragen aus den Kirchenkreisen – unter anderem aus dem evangelischen Kirchenkreis Köln-Nord – und den Gemeinden und die Erfahrungen anderer Landeskirchen und Kommunen sollen in den Umsetzungsprozess einbezogen werden.
Das sei kein „Blankoscheck“ für das Projekt und die Kosten, hieß es in der Aussprache. Betont wurde auch, dass der Zeitaufwand für die Arbeit mit NKF bei der geplanten Erarbeitung der Abschätzungen von Nutzen, Aufwand und Kosten berücksichtigt werde. Das Ziel, die sogenannte Doppik einzuführen, wurde beibehalten. Das sei auch in den Synodenbeschlüssen 2005 und 2006 festgelegt worden, betonte Hans-Peter Bruckhoff, Superintendent des Kirchenkreises Aachen, und weiter: „Das Projektmanagement war falsch, das Produkt nicht“. Die vorgesehenen Korrekturen in der Umsetzung wurden begrüßt: „Es wurde ein Verfahren gefunden, um im nächsten Jahr qualifiziert entscheiden zu können – das zeigt die Stärke unseres presbyterial-synodalen Systems“, so Manfred Rekowksi, Superintendent des Kirchenkreises Wuppertal.

Die gesamte Berichterstattung der EKiR zur Synode 2010 im Internet hier.

Text: EKiR
Foto(s): EKiR