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Gottes Schöpfung keine Schranken setzen:

Wenn es um das Wohlergehen seiner Gemeinde geht, lässt Markus Herzberg große Umsicht walten. Als feststand, dass die Vorhersagen zutreffen würden und man ausgerechnet beim traditionellen Gottesdienst am Vorabend der Christopher Street Day-Parade mit neuen Hitzerekorden rechnen musste, begab sich der Pfarrer noch auf Einkaufstour: "Wir haben die beiden letzten größeren Ventilatoren bekommen, die in der Innenstadt noch zu haben waren", erzählte er.

Und um ganz sicher zu gehen, kaufte sein Team gleich noch 20 Kästen Mineralwasser und Plastikbecher in ausreichender Zahl. Die Erfrischungen wurden gleich neben den Eingang platziert, dort konnten sich die mehr als 350 Besucherinnen und Besucher während der Feier jederzeit bedienen.

Christoph Simonsen aus dem Bistum Aachen zu Gast
Ebenso tapfer wie die Besucher widerstanden die Liturgen in ihren bodenlangen Alben der Hitze. Erstmals war mit Pfarrer Christoph Simonsen aus dem Bistum Aachen ein römisch-katholischer Geistlicher beim CSD-Gottesdienst zugegen. Er griff das diesjährige Motto des CSD „Vielfalt lehren, lernen, leben“ auf und unterstrich, dass es nicht Aufgabe der Menschen sein könne, der Vielfalt von Gottes Schöpfung künstlich Schranken zu setzen – und dass es “Handwerker der Liebe“ brauche, um solche Schranken einzureißen. Simonsen erinnerte auch daran, dass Homosexuelle oder Transgender in Ländern wie der Türkei, Russland oder dem Iran immer noch verfolgt werden, und bedauerte, dass es auch hier, „in Nachbarstädten“, noch vorkomme, dass Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen ihre Stellung verlieren, nur weil sie sich zu ihren Lebenspartnern bekennen.

Ein Leib mit vielen Gliedern
Bezogen auf das Bild aus dem ersten Korintherbrief, wonach die Gemeinde Gottes ein Leib ist, der aus vielen ganz unterschiedlichen Gliedern besteht, die aufeinander angewiesen sind, forderte Christoph Simonsen dazu auf, dieser Vielfalt des Lebens Raum zu geben und einander mit Respekt und Anstand zu begegnen.

Die voll besetzte Antoniterkirche am Vorabend des Christopher-Street-Days

Gott nicht ins Handwerk pfuschen
Mit einem Zitat aus dem ersten Korintherbrief begann auch die viel beachtete Predigt von Markus Herzberg: „Für jetzt bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“ Viele Paare wählten diese Passage als Motto ihrer Hochzeitsfeier, „denn es gibt wenige Bibelworte, denen man so bedingungslos zustimmen kann“, so Herzberg. Dennoch sei speziell die homosexuelle Liebe jahrhundertelang von den Kirchen als Perversion und Sünde verfolgt worden, und auch heute noch werde die sogenannte Homo-Ehe, die mittlerweile sogar im erzkatholischen Irland eingeführt sei, von einigen Kirchenoberen als „Niederlage für die Menschheit“ verteufelt. Und das, obwohl in der Bibel kein Wort gegen die homosexuelle Liebe zu finden sei, sie werde dort nicht einmal erwähnt. Auch der Citykirchenpfarrer rief dazu auf, die Vielfalt der Schöpfung nicht unter der Perspektive menschlicher Normsetzung zu sehen und Gott nicht ins Handwerk zu pfuschen. „Stört die Liebe nicht, heißt es im Hohen Lied“, mahnte Herzberg.

Elfi Scho-Antwerpes lobte Rubicon
In ihrem Grußwort in Vertretung von OB Jürgen Roters gab Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes zu bedenken, dass man sich auch im liberalen Köln immer wieder gegen Diskriminierung und für ein “respektvolles und friedvolles Miteinander“ engagieren müsse: „Sich den Partner selbst aussuchen können, ist ein unteilbares Menschenrecht, ebenso wie das Recht auf Liebe, Geborgenheit, Anerkennung und Wärme. Auch alle Lebensgemeinschaften, die Verantwortung für das Wohlergehen von Kindern übernehmen, haben das Recht auf unseren Respekt“, so Scho-Antwerpes. Sie lobte auch die Arbeit des Beratungszentrums Rubicon, das in diesem Jahr in den Genuss der Kollekte des CSD-Gottesdiensts kommt: Dort werden Menschen betreut, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Orientierung aus ihren Heimatländern geflohen sind.

Begleitung durch die Stattgarde Colonia Ahoij
Beim ebenfalls traditionellen lockeren Empfang nach dem Gottesdienst im Innenhof hinter dem CityPavillon lobte der Bundestagsabgeordnete Volker Beck, der regelmäßig an der Feier teilnimmt, nicht zuletzt die diesjährige musikalische Begleitung durch 25 Mitglieder der Stattgarde Colonia Ahoij unter Leitung von Kapellmeister Roland Steinfeld: „Dass man die Choräle mit solchem Schmiss spielen kann, einfach großartig“, sagte der Grünen-Politiler. Die Musiker spielten auch im Innenhof weiter, gern gehört wurde etwa „Dat Wasser vun Kölle is jot“, auch wenn das reichlich ausgeschenkte Mineralwasser nicht aus der Domstadt selbst kam.

Hannelore Bartscherer zum ersten Mal mit dabei
Begeistert war auch Hannelore Bartscherer, Vorsitzende des Katholikenausschusses der Stadt Köln. „Es hat mir unglaublich gut gefallen, ich habe mich zuhause gefühlt.“ Das liege nicht nur an den Übereinstimmungen zwischen katholischer und lutherischer Liturgie: „Die Idee, dass man allen Menschen als Ebenbild Gottes ganz unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung eben als Mensch begegnen muss – das ist auch eine Haltung.“ Bartscherer war erstmals beim CSD-Gottesdienst zugegen, und zwar auf Einladung von Markus Herzberg: „Nächstes Jahr komme ich wieder.“ Dann wird es wieder einen CSD-Gottesdienst geben, trotz der anstehenden umfangreichen Baumaßnahmen an der Antoniterkirche, daran ließ Pfarrer Herzberg keinen Zweifel: „Es ist mir sehr daran gelegen, dass Menschen, die die Kirche so lange als Ort der Ausgrenzung erleben mussten, an diesem Ort Zuspruch und Unterstützung finden.“

Text: Hans-Willi Hermans
Foto(s): Hans-Willi Hermans