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Eine schöne (und wahre) Geschichte: Gutmachung für einen Kuhhandel. Oder: Deutsch-namibische Geschichte einmal anders.


 Der Juni wird für Daniel wie Weihnachten sein. Denn Daniel Ndjombo aus dem Dorf Otumborombonga bekommt Mitte Juni ein Geschenk: ein lebendiges Rind. Schön für diesen Bauern, mag man denken, aber doch nichts Besonderes. Weit gefehlt.
Unsere Geschichte beginnt eher traurig: mit einem Diebstahl. Daniel, der 75-jährige Bauer, hatte einst von seinem Großvater ein besonderes Feuerzeug geerbt: ein Schlagfeuerzeug, ein kleines Messingdöschen mit einem metallenen Schlagring an der Verschlusskappe. Schlägt man mit diesem Ring auf den Deckel, lassen sich Funken entfachen. In dem Döschen selber befindet sich ein kleiner trockener Baumschwamm, der durch die Funken entfacht werden kann. Deutsche Siedler hatten diese Stücke Ende des 19. Jahrhunderts ins damalige Südwestafrika gebracht und zu einem beliebten Handelsgut gemacht. Und so kam auch Daniels Großvater eines Tages an das begehrte Stück – im Tausch gegen einen Ochsen. Zwar wurden die Schlagfeuerzeuge über Generationen weiter vererbt, trotzdem gibt es heute nur noch wenige Exemplare.

Für die Ausstellung ,,Namibia – Deutschland: eine geteilte Geschichte“, die in mehreren deutschen Städten zu sehen war und ist, stellte Bauer Daniel dem völkerkundlichen Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum zur Freude von Direktor Klaus Schneider das seltene Exponat als Leihgabe zur Verfügung.
Doch die Freude war nur von kurzer Dauer: das gute Stück wurde aus einer der Vitrinen gestohlen. Zwar starteten die Organisatoren der Ausstellung einen Hilferuf an Namibia-Freunde, doch niemand konnte das gestohlene oder aber ein ähnliches Stück auftreiben.

Daniel Ndjombo wusste von alledem nichts – Telefon oder gar Internet gibt es in Otumborombonga nicht. Umso größer muss wohl seine Überraschung gewesen sein, als der Museumsdirektor Schneider vor einigen Wochen in Otumborombonga erschien, um die traurige Nachricht zu überbringen und dem Bauern wenigstens persönlich einen finanziellen Ausgleich zu überbringen. Ein Dolmetscher erklärte ihm, was geschehen war. Daniel machte kehrt und verschwand in seiner Hütte – wortlos.

Doch er kam zurück. In seiner Hand hatte er ein Feuerzeug, genauer, ein Schlagfeuerzeug ähnlicher Art wie das gestohlene Exponat. Auch dieses hatte sein Großvater gegen ein Rind eingetauscht. Freizügig überreichte er es Schneider. Es stamme ja schließlich von einem Deutschen, also solle es auch wieder zurück nach Deutschland, erklärte er selbstlos und gab damit dem Titel der Ausstellung – eine geteilte Geschichte – eine ganz neue Dynamik, teilte er doch seinen Besitz und dessen Geschichte bereitwillig mit der deutschen Seite. In den Sand malte der 75-Jährige vor dem Museumsdirektor einen Kreis, dieser, so erklärte er, werde nun wieder geschlossen.

Für Schneider ein Freudentag: Es sei ein großes Glück, ein solch seltenes und ,,wichtiges Objekt namibisch-deutscher Geschichte als festen Bestandteil der Sammlung zu besitzen“, zitiert der Kölner Stadtanzeiger den Direktor.
Die Geschichte könnte hier zu Ende sein: das Museum hatte sein Exponat, Bauer Daniel vermisste es nicht und ging weiter seinem Tagwerk nach.

Doch dann kam der passionierte Namibia-Fan und Hobby-Reiseführer Baldur Drobnica (Presbyter und Mitglied der Verbandsvertretung der Evangelischen Kirchengemeinde Quadrath -Ichendorf) aus Köln ins Spiel. Der pensionierte Beamte hatte im Kölner Stadtanzeiger den Artikel über das wiedergekehrte Exponat gelesen und war gerührt von Daniels Verhalten. ,,Ich wollte diesen Kuhhandel aus dem Jahr 1905 rückgängig machen“, sagte er.

Daniel Ndjombo sollte das bekommen, was ihm zustand: Ein Rind, den einstigen Gegenwert des Schlagfeuerzeuges. Auch Museumsdirektor Dr. Klaus Schneider war von dieser Idee restlos begeistert. Er gab den Auftrag, das Tier zu kaufen. Baldur Drobnica kommt in wenigen Tagen – mal wieder – nach Namibia, wo er nicht zuletzt durch sein Hobby, den Amateurfunk, viele Freunde hat. Dann wird er auf der Farm Hassenpflug in der Nähe von Otumborombonga und Okakarara Daniel überraschen und das Rind überreichen. Rund 100 Jahre, nachdem Daniels Großvater, bei einem Kuhhandel möglicherweise ganz schön übers Ohr gehauen wurde, stellt jetzt also ein wahrer Kuhhandel die Gerechtigkeit wieder her.

Text: Doro Grebe für Allgemeine Zeitung Windhoek, Namibia 01. Juni 2005
Foto(s): Csaba Peter Rakoczy