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Die 17. „Rheinische Zigeunernacht“ in der Lutherkirche

In der Lutherkirche in der Kölner Südstadt fand zum 17. Mal die „Rheinische Zigeunernacht“ statt. Rund 250 Besucherinnen und Besucher kamen zu dem Musikfestival, das von Sonja Grupe vom kulturellen Förderverein der Lutherkirche „Südstadt Leben“ und dem Festkomitee um Gemeindeglied Jan Krauthäuser sowie den beiden Musikern, Markus Reinhardt und Rudi Rumstajn, veranstaltet wurde.

Gleich zu Beginn drehte sich das Thema um die Verwendung des Begriffs „Zigeuner“. Die Veranstalter hatten das Musikfestival bewusst „Rheinische Zigeunernacht“ genannt, obwohl der Begriff als „politisch nicht korrekt“ gilt. Die Begründung lieferte Musiker Markus Reinhardt, der selbst Sinto ist: „Zigeuner ist der Oberbegriff für die vielen Volksstämme – wenn wir nur Sinti und Roma sagen würden, wären uns die anderen böse.“ Und Mitorganisator Jan Krauthäuser ergänzt: „Mit der Abschaffung einer Bezeichnung, die als diskriminierend gilt, weil die Nazis sie missbraucht haben, wird nicht automatisch die Diskriminierung abgeschafft.“

Vorurteile durch Kennenlernen überwinden
Deshalb forderte der Violinist der ersten Gruppe die Gäste zu Beginn des Konzertes auf: „Viele nehmen Zigeuner wahr als Leute, die stehlen und schmutzig sind, so sind die meisten von uns aber nicht. Reden Sie mit uns heute Abend und fragen Sie, wie wir leben – wir haben genauso viel Scheu vor Ihnen wie Sie vor uns.“

Begegnung durch Musik
Das ist auch ein Hauptanliegen von Veranstalterin Grupe: „Für uns und unseren Pfarrer Hans Mörtter ist Begegnung ein Thema, das in allen Bereichen des Gemeindelebens der Lutherkirche im Mittelpunkt steht. Wir meinen Begegnung jeglicher Couleur und da gehören unsere ‚Zigeunerfreunde‘ dazu“. Während sie das sagt, schaut sie lachend zu Markus Reinhardt hinüber, einem deutschen Großneffen von Jean „Django“ Reinhardt, dem legendären französischen Begründer des europäischen Jazz. Und der Geiger fügt hinzu: „Über Musik ist der Gedankenaustausch leichter als durch politische Veranstaltungen möglich, ohne zu überfordern“.

Lebensfreude gehört ins Gotteshaus
Wie ein Musikfestival mit Lagerfeuer im Kirchgarten und After-Show-Party in ein Gotteshaus passt, ist für die Veranstalter nicht schwer zu erklären. „Wenn ich in Gottesdiensten spiele, dann selbstverständlich nur Musik, die angemessen ist“, erzählt Reinhardt, der unter anderem bei den Taufen von zwei Kindern seines langjährigen Freundes Jan Krauthäuser in der Lutherkirche auftrat. „Hier wird die Liturgie selbstverständlich von Kulturveranstaltungen getrennt“, betont die Mitarbeiterin von Südstadt Leben e.V.. „Aber ich bin sicher, Jesus wollte, dass die Freude zum Gemeindeleben dazu gehört.“

Evangelische Gastfreundschaft
Was die Offenheit für derartige Konzerte betrifft, sei die evangelische Kirche der katholischen Kirche einen Schritt voraus, meint Musiker Reinhardt. Gastgeber für andere Kulturen zu sein, ist in den Augen der Veranstaltungsmanagerin „typisch evangelisch“. Sie ist überzeugt: „Andere Kulturen bereichern uns, und wir lernen Neues hinzu.“

Musikalische Highlights
Ein Highlight des Abends war der Gitarrist Rigo Winterstein, der zu den Stars der deutschen Gypsy-Swing-Szene in der Tradition von Django Reinhardt gehört. Ebenso schwungvoll wie mitreißend spielte die „Balkan Brass Band Deutschland“ um Fabijan Selimovic auf, in der sich Bläser aus dem Rheinland zusammenfanden. Begeistert applaudierten die Zuschauer auch dem serbischen Meistersänger Zoran Jankovic, der von seinem Sohn Miki am Keyboard begleitet wurde.

Projekt für Nachwuchsmusiker
Um junge Musiker zu fördern, hat Markus Reinhardt mit dem Gitarristen Rudi Rumstajn ein gemeinsames Projekt gegründet. Die jungen Talente, die sie überwiegend in Flüchtlingsheimen finden, präsentierten sie in der Lutherkirche mit Verstärkung des Gitarristen und Sängers Raphael Hansen.
Die Zuhörer schwelgten sichtlich im Klangreichtum, den die verschiedenen Bands darboten. In ihrer Musik sind zahlreiche Einflüsse anderer Kulturen zu spüren und die Vielseitigkeit drückt die oft leidvolle Geschichte einer vielerorts verfolgten und über die Welt verstreuten Volksgruppe aus. Gipsy-Musik, das ist eine faszinierende Mischung aus Melancholie und überschäumender Lebensfreude.

Text: Ulrike Weinert
Foto(s): Ulrike Weinert