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Deutz im Laufe der Jahrhunderte: mit Günter Leitner unterwegs

Einer Laune der Natur verdankt St. Alt-Heribert die Existenz. Als nämlich Kaiser Otto III. gemeinsam mit seinem guten Freund Heribert, seines Zeichens Erzbischof von Köln, im Jahr 1001 zu einem Feldzug nach Italien aufbrach, lautete eine Weissagung, dass einer der beiden nicht lebend ins Rheinland zurückkommen sollte, erzählte Günter Leitner bei einer Stadtteilführung durch Köln-Deutz. Daraufhin verpflichteten sich die beiden hohen Herren, im Falle des Ablebens des jeweils anderen eine Kirche zu bauen. Das Schicksal meinte es nicht gut mit Otto III., so dass sich Heribert an die Arbeit machte, einen Platz für ein neues Gotteshaus zu suchen. Eigentlich war ein Standort in der Nähe von St. Aposteln vorgesehen. Doch als an einem strahlenden Sonnentag über einem kleinen Flecken von Deutz ein heftiger Platzregen niederging, war die Standortwahl entschieden: im Rechtsrheinischen am Flussufer.


Kastell und Kirche
Die Führung der AntoniterCityTours „Deutz im Laufe der Jahrhunderte“ mit Leitner war Teil des Festprogramms der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Deutz/Poll anlässlich des 150-jährigen Bestehens der St.-Johannes-Kirche. 1861 wurde der Backsteinbau geweiht. Doch zurück zum Beginn: Im Jahre 311 beschloss der römische Kaiser Konstantin der Große, das „Divitium castellanum“ zu bauen. „Das war ein 190 mal 190 Meter großes Kastell, dessen vorderes Tor dem linksrheinischen Pegelhäuschen gegenüber lag. An dieser Stelle bauten die Römer eine Holzbrücke, die bis ins 10. Jahrhundert stand. Sie diente dem Handel mit dem Rechtsrheinischen. Das Soldaten im Kastell sollten Überfällen der Germanen entgegen treten. Rund 650 Jahre später beschloss Erzbischof Bruno, die Brücke abzureißen, weil Köln dann weniger leicht angreifbar wäre“, berichtete Leitner. In der Nähe des Kastells liegt heute noch die Kirche Alt-St.-Heribert. In der alten Klosterkirche feiert mittlerweile die griechisch-orthodoxe Gemeinde Kölns ihre Gottesdienste.

Jüdisches Leben in Deutz
Weiter ging’s mit Leitner mitten ins Mittelalter. 1424 wurden die Juden „für alle Zeiten“ aus Köln verwiesen. In Deutz lebte man religiöse Toleranz. Die Synagoge stand am Reischplatz, dort, wo heute die Polizeiwache untergebracht ist. Der Vater des in Deutz geborenen Operettenkomponisten Jacques Offenbach, Isaac Offenbach, war Kantor der jüdischen Gemeinde in Deutz. 1938 wurde die Synagoge in der Pogromnacht vollständig zerstört. Im 17. Jahrhundert umfasste der jüdische Friedhof in Deutz 16 Hektar. Zum Vergleich: Die Fläche des Melatenfriedhofs, der im 19. Jahrhundert eingeweiht wurde, beträgt rund 40 Hektar.

Protestantische und katholische Kirche, Fabrikneubauten
Deutz wuchs unaufhörlich. Und damit auch der Bedarf an Kirchen. Da kam Anna Mechthildis Neuhoff, genannt Mathilde, ins Spiel. Sie war reich und dachte auch noch ökumenisch. Sie stifte nämlich sowohl den Deutzer Protestanten als auch den Katholiken Grund und Boden für ihre Kirchbauten. Während die Protestanten ihren Bau, die St.-Johannes-Kirche, 1861 vollendeten, feierten die Katholischen 1896 Kirchweihfest in dem neoromanischen Bau. Da waren die Deutzer längst nicht mehr selbstständig, sondern seit 1881 von Köln eingemeindet. Die Großstadt suchte händeringend nach Flächen für die Industrie. Deshalb wurden im gleichen Jahr auch Nippes und Ehrenfeld Köln zugeschlagen. „Es war ja nicht sinnvoll, die expandierenden Fabriken in der Altstadt anzusiedeln“, erklärte Leitner.

Fragen der Stadtentwicklung
Kritisch äußerte sich der Stadtführer über die Pläne, Häuser in Deutz etwa an der Arminiusstraße und der Siegburger Straße mit Luxuswohnungen aufzustocken. „Da müssten ja alle Hauseigentümer mitmachen. Das sehe ich nicht. Und außerdem brauchen wir bezahlbaren Wohnraum, mit dem die jetzigen Mieter vollauf zufrieden sind. Die Stadt darf nicht zerfallen in eine kleine Gruppe von Plutokraten und eine sehr große Gruppe von Armen. Wir brauchen hier keine Mieten auf Rheinauhafenniveau.“
Kritik musste sich auch die KVB gefallen lassen. Leitner, der als sachkundiger Einwohner auch im Stadtentwicklungsausschuss sitzt, äußerte Unverständnis über die Schneisen, die KVB-Trassen durch die Stadt schlagen, etwa auf Höhe der Deutzer Freiheit: „Wir liegen ja nicht mehr am Rhein, wir liegen an der KVB. In Paris und London war man in der Lage, U-Bahnen zu bauen. In Köln hieß es: ,Ist doch schön, wenn man öfter mal ’ne Straßenbahn sieht‘.“

Ausblick
Das Jubiläumsjahr 150 Jahre St.-Johannes-Kirche geht weiter, unter anderem auch mit Stadtführungsterminen: Am Sonntag, 6. November, führt Thomas von Nies ab 15 Uhr – ebenfalls für die AntoniterCityTours – durch das „Deutz im 19. Jahrhundert.“ Dabei geht es von der St. Johanneskirche zum „Goldenen Hut“. Treffpunkt ist die St.-Johannes-Kirche, Tempelstraße 29. Der Eintritt kostet 8, ermäßigt 6 Euro.
Am Sonntag, 11. Dezember geht es wieder mit Günter Leitner, diesmal ab 12 Uhr, durch das adventliche Deutz, an der Krippe von Neu St. Heribert klingt dieser Stadtspaziergang dann auch adventlich aus. Treffpunkt ist ebenfalls die St.-Johannes-Kirche, Tempelstraße 29. Der Eintritt kostet 8, ermäßigt 6 Euro.
Die Führungen sind öffentlich und dauern zwischen anderthalb und zwei Stunden.

Weiteres Highlight im Festprogramm zu 150 Jahren St.-Johannes-Kirche ist am Sonntag, 30. Oktober, der große Festgottesdienst der Gemeinde, ab 11 Uhr in der Jubiläumskirche mit Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes und Stadtsuperintendent Rolf Domning.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Rahmann