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„Der Rheinländer kann überhaupt nicht kochen!“

Meistens entstehen Kochbücher aus der Liebe zum Produkt, zum Gericht oder zur Neukomposition altbekannter Zutaten. Ganz anders war es jedoch bei der Rezeptsammlung, die als „Bergisches Kochbuch“ frisch auf den Herbst-Büchermarkt gekommen ist.

Diskussion über die Güte bergischer Küche
Das Kochbuch entstand aus einem Widerspruch, fast aus einer Beleidigung heraus. Denn es wurmte den Autoren und echten Rheinländer Joachim Wittwer, was Thomas Werner, Pfarrer der Bergisch Gladbacher Gnadenkirche, am Silvesterabend 2009/2010 in trauter Privatrunde kurz vorm Feuerwerk entzündet hatte: eine Diskussion über die Güte der Bergischen Küche. Und ganz besonders nagte an ihm die vehement vorgetragene Überzeugung des Pfarrers: „Der Rheinländer kann keine leckere Wurst machen, kein anständiges Bier brauen und kann überhaupt nicht kochen!“

Inakzeptables Vorurteil des Bergisch Gladbacher Pfarrers
Thomas Werner, der in Südafrika und Essen herangewachsen und während seines Studiums in Süddeutschland und Berlin herumgekommen war, ließ an der Bergischen Küche kein gutes Haar. Getreu der Devise: Man kann sie essen, aber man muss nicht – beziehungsweise: Anderswo gibt’s Leckereres. „Ich bereue nichts von dem, was ich gesagt habe“, wiederholte er auch am Abend der offiziellen Vorstellung des Kochbuchs. Für Joachim Wittwer war diese Haltung „keine Kleinigkeit“ und „überhaupt nicht hinnehmbar“, sie war in seinen Augen ein inakzeptables Vorurteil. Schließlich schätzt er bergische Gerichte wie „Bällerkes“, „Schnibbelbohnensuppe“, „Specksoße“, „Ölschkooche“, „Rinderouladen“ und „Eiserkuchen“. Und deshalb sammelte er seit jenem Silvesterabend unermüdlich Gegenbeweis um Gegenbeweis, bis letztlich 135 Rezepte auf 180 Buchseiten gebannt waren.

Hobbykoch Joachim Wittwer trat den Gegenbeweis an
Ein Streifzug durch die traditionelle bergische Küche ist es geworden, ergänzt durch neue Rezepte versierter Köche aus der Region, darunter Dieter Müller, Nils Henkel, Joachim Wissler und Christopher Wilbrand, die Köstlichkeiten wie „Mild geräucherter Saibling mit Holunderkapern-Vinaigrette, Kressepüree und Saiblingskaviar“ kreieren. Des Autors Lieblingsgericht? Die Kartoffelspeise Potthucke: „Das schmeckt wunderbar.“ Mit überwiegend großformatigen Fotos, die er selbst anfertigte, hat der Bergisch Gladbacher Hobbykoch sein Buch liebevoll bebildert. Und da er als Diplom-Designer das Metier beherrscht, konzeptionierte und gestaltete er sein Werk ebenfalls eigenhändig, bevor es vor Ort von Alfred Raß gedruckt wurde. Der Unternehmer, ein echter Bergisch Gladbacher, verlegte das Buch nicht nur deshalb gern, weil er den Autoren seit der Ersatzdienstzeit bei den Johannitern kennt, sondern, weil er dessen Meinung zur regionalen Küche teilt: „Ich sage: Der Rheinländer kann sogar gut kochen!“

Der Rheinländer kann also doch kochen
Dass die Buchvorstellung sinnigerweise im Gemeindesaal der Gnadenkirche stattfand, zeigt genauso wie die Tatsache, dass Pfarrer Werner ein Vorwort zum Bergischen Kochbuch schrieb, dass letztlich der Streit zwischen Pfarrer und Buchautor augenzwinkernd beigelegt wurde. Beide Männer sind Hobbyköche, beide haben Humor und beide verstehen es, aus den Gegebenheiten viel zu machen. Dass bei der Buchvorstellung sogar der Gaumen bedient wurde, war allerdings Gemeindehelferin Dagmar Pelz zu danken, die Gerichte des Bergischen Kochbuchs nachgekocht hatte. Es gab Dicke Bohnen mit Speck, Schweinebraten, Kartoffelsalat, Grünkohl, Reibekuchen, Streusel- und Nusskuchen sowie Laugenbrezeln. Die Gäste – davon das Gros über 50 Jahre alt – schwärmte in allen Tonlagen, die sich mit dem Gesang des Männergesangvereins Lyra verbanden. Auch Pfarrer Thomas Werner probierte gutgelaunt die Speisen, wobei er am Ende seufzte: „Meine Gemeindehelferin ist mir ja so in den Rücken gefallen!“ Die fragenden Augen des Gegenübers quittierte er grinsend mit dem Zusatz: „Weil sie so lecker gekocht hat!“ Aha, der Rheinländer kann also doch kochen?! „Nein. Ich widerrufe nicht. Ich stehe da voll dahinter.“

Zum Buch: Joachim Wittwer: Bergisches Kochbuch, Rass’sche Verlagsgesellschaft, 180 Seiten, 29,80 Euro, ISBN 9783940171160

Text: Ute Glaser
Foto(s): Ute Glaser