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„Behandlungsziele am Lebensende“: Die Tagung des Amtes für Krankenhausseelsorge im Haus der evangelischen Kirche warf viele Fragen auf – und gab Antworten

„Behandlungsziele am Lebensende“ – zu diesem medizinisch-nüchtern klingenden Thema fand am 18. März im Haus der Evangelischen Kirche Köln eine Tagung des Amtes für Krankenhausseelsorge des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region statt. Die Tagung ging der Frage nach, welche Kriterien der Medizin, der medizinischen Ethik und der Theologie Ärztinnen und Ärzten bei all den Fragen helfen können, die sich stellen, wenn todkranke Menschen ärztlich behandelt werden. Die Veranstaltung richtete sich an Mitarbeitende im Gesundheitswesen, in der Kirche sowie an interessierte Gemeindeglieder. Wer sich mit diesem Thema befasst, stellt schnell fest, dass es alles andere als nüchternes Medizin-Wissen ist. Denn bei schweren Erkrankungen, die tödlich verlaufen, stellen sich viele Fragen. Manche davon sind kaum zu beantworten.

Fragen
Die Tagung warf eine Menge Fragen auf: Welche Behandlung möchte ich als Patient bekommen? Soll alles gemacht werden, was medizinisch möglich ist? Will ich lieber eine Chemotherapie mit allen möglichen Nebenwirkungen oder schmerzfrei die verbleibende Zeit ohne Chemotherapie leben? Möchte ich beatmet werden? Möchte ich künstlich ernährt werden? Möchte ich, dass ein Arzt mich sterben lässt und womöglich beim Sterben unterstützt?
Und auch Ärzte stellen sich Fragen: Welche Behandlung nützt dem sterbenskranken Patienten? Wann ist eine Magensonde sinnvoll, wann nicht? Wie autonom darf ein Patient entscheiden und muss ein Arzt den Entscheidungen des Patienten immer folgen?

Grenzen des Selbstbestimmungsrechts von Patienten
Der Kölner Medizinethiker Dr. Christian Hick entfaltete die ethische Problematik am Beispiel des in Deutschland verbotenen, von Patientionnen und Patienten aber durchaus häufig gewünschten, sogenannten „assistierten Suizids“: Das Selbstbestimmungsrecht von Patienten, die sterben wollen, findet seine Grenzen beispielsweise da, wo Patienten aus einer Depression heraus sterben wollen. Wo auch die Familie des Sterbenden betroffen ist. Oder dort, wo ein genaues Hinhören auf das, was mit diesem Wunsch verbunden sein kann – nämlich Zuwendung und Fürsorge zu erfahren – diesen Wunsch letzten Endes herbeigeführt hat.

Selbstbestimmungsrecht und Grundgesetz
Hartmut Kreß, Ethik-Professor der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn, führte das Thema Selbstbestimmungsrecht weiter aus und belegte anhand des Grundgesetzes die Bedeutung der Autonomie. Zugleich machte er darauf aufmerksam, dass sowohl die katholische Kirche als auch Angehörige aus islamisch geprägten Kulturen, das Selbstbestimmungsrecht am Lebensende einschränken. Die evangelische Kirche vertritt hier eine Position, die eher das Recht auf Selbstbestimmung am Lebensende im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben betont. Kreß betonte: Es bestehe manchmal am Lebensende die Gefahr, dass Lebensrecht in Lebenspflicht umschlage.

Der Zeitfaktor, aus Sicht eines Arztes
Dr. Arno Dormann, Chefarzt der Medizinischen Klinik Holweide, stellte am Beispiel einer Magensonde dar, dass nur ein rechtzeitiges Anlegen einer Sonde bei einer klaren Indikation, die dem Patienten nutzt, sinnvoll ist. In vielen Fällen nutze die Sonde nicht mehr, weil sie zu spät eingesetzt werde, etwa, wenn der Patient schon im Sterben liege und weder Nahrung noch Flüssigkeit mehr verarbeiten könne. Auch bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz sei eine Magensonde sehr kritisch zu beurteilen, denn mit ihr entgehe dem dementen Menschen die Chance auf Gemeinschaft und körperliche Zuwendung während einer Mahlzeit – und wenn ein Mensch weder Hunger noch Durst empfinde, dann dürfe er auch sterben, so Dormanns überaus pragmatische Ansicht.

Wichtig: intensive Vernetzung
Bei dem abschließenden Podiumsgespräch zwischen dem ärztlichen Leiter der Tagung, Dr. Gerhard Müller vom Evangelischen Krankenhaus Kalk, Brigitte Hemken, Heimleiterin des Clarenbachwerks, Dr. Brigitte Mettenbörger, Internistin aus Dellbrück, Beate Linz, der Geschäftsführerin der Diakonie gGmbH für ambulante Pflege in Köln und Gerhard Hilburg, Fachanwalt für Medizin- und Sozialrecht, wurde die Notwendigkeit der intensiven Zusammenarbeit und Vernetzung aller Institutionen betont, die mit einem Menschen an dessen Lebensende zu tun haben. 43 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Pflegekräfte, Krankenhausseelsorger, Ärzte und Ehrenamtlich aus Hozpizdiensten nahmen regen Anteil an dieser Tagung des Amtes für Krankenhausseelsorge in Köln.

Text: Wolfgang Jacobs
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