You are currently viewing »Verschwebendes« – Eine Ausstellung von Mahmood Mirzaie in der Lechenicher Kirche der Versöhnung

»Verschwebendes« – Eine Ausstellung von Mahmood Mirzaie in der Lechenicher Kirche der Versöhnung

Entsprechend der Jahreszeit empfängt die Besuchenden der Kirche der Versöhnung in Lechenich ein „Frühlings“-Bild. Das leuchtende Gelb der Narzissen wird darin noch übertroffen vom satten Rot eines Tulpenmeeres.


Doch Irritation stellt sich ein.


Einige der Blumen wirken, als hätte man sie wie Menschen an Pfähle gefesselt und exekutiert. Der Erdboden scheint getränkt von ihrem Blut. Das Kleinformat stammt von Mahmood Mirzaie. 1949 im iranischen Abadan geboren, musste der Maler und Kalligraph, der zudem als Bildhauer, Regisseur, Schauspieler und Pantomime arbeitet, aus politischen Gründen 1986 seine Heimat verlassen. Seitdem lebt er in Deutschland, seit einigen Jahren in Brühl. Der ambivalente Eindruck seines Gemäldes wird durch die persischen Buchstaben verstärkt, die blutrot auf der Landschaft liegen. Sie bilden den Titel eines iranischen Frühlings-Liedes, das das Ende des Schah-Regimes begrüßt. Doch die Hoffnungen vieler Iraner auf Freiheit und Demokratie wurden enttäuscht. Auch in der nachfolgenden Islamischen Republik verlieren zahllose Andersdenkende, in ihren Reihen als Märtyrer verehrt, ihr Leben.

„Verschwebendes“ betitelt Mirzaie seine Ausstellung, in der er Malerei und Kalligraphie, die im Iran hoch geschätzte Kunst des schönen Schreibens, zeigt. Jedoch geht es ihm nicht allein um die Verschmelzung dieser Kunstformen. Ihn interessiert die tiefere Verbindung von Gestaltung und Inhalten. Seine Arbeiten in Tusche, Öl, Aquarell oder Mischtechnik beruhen wesentlich auf fremden wie eigenen poetischen und literarischen Werken. Dabei greift er nicht nur auf klassische persische Dichter wie Rumi, Sa´adil (beide 13. Jahrhundert) und den von Goethe und Nietzsche verehrten Hafis (14. Jahrhundert) zurück. Ebenso widmet er sich modernen Vertretern wie Nima Juschidj oder Mehdi Achawan Sales aus dem 20. Jahrhundert. Zudem liegen seinen Bildern politische und wissenschaftliche Texte, mystische und philosophische Weisheiten zugrunde.


Diese Überlieferungen, insbesondere der persischen Kultur finden durch Mirzaie eine bildsprachliche Übersetzung. Er spürt mittels Farben und Formen den Stimmungen der geschriebenen Sprache nach und entwickelt dadurch ein eigene Poesie. Eine Poesie voller Schönheit, Leichtigkeit und zugleich Tiefe. Seine gemalten Gedichte wirken manchmal einfach bezaubernd. Etwa wenn er aus den Buchstaben des persischen Wortes „ab“ für Wasser eine ruhige, herbstliche Wasserlandschaft komponiert. Oder wenn er einem gelbrot gefärbten, herbstlichen Waldstück eine weißblaue, stille winterlich Version gegenüberstellt. In anderen Arbeiten kritisiert er gesellschaftliche Zustände, die Gleichgültigkeit, das verdrängte Bewusstsein um die Not von anderen. So interpretiert er in dem Bild „Schrei unter Wasser“ Nimas Lyrik „Oh Menschenkinder, die ihr froh und lachend am Strande sitzet – ein Mensch gibt jetzt im Wasser seinen Geist auf“. Inmitten einer in sonnigen Farben gemalten beschaulichen Szene konfrontiert uns Mirzaie mit dem ungehörten Überlebenskampf eines Ertrinkenden.


Mahnood Mirzaie

In seinen jüngsten Arbeiten, zwei Großformaten, setzt er Goethes Gedicht „Die Seele des Menschen gleicht dem Wasser, ewig wechselnd…“ malerisch und kalligraphisch, in deutscher und, auszugsweise, persischer Schrift um. „… Seele des Menschen, wie gleichst du dem Wasser, Schicksal des Menschen, wie gleichst du dem Wind“ – unter dem blauen Himmel brechen die Wellen des Meeres an einer Felsenküste, die Gischt steigt hoch empor, wird vom Wind verweht.

Mirzaie versucht, schriftlich verfasste Poesie und Prosa in allgemeinverständliche Bilder zu übertragen. Tatsächlich erschwert dabei zuweilen die Unkenntnis der persischen Sprache den Zugang zu einzelnen Motiven und damit deren vollständige Auslegung. Trotzdem: Im Grunde setzt die Betrachtung von Mirzaies Kunst nicht die Beherrschung der von ihm verwendeten Schriftsprache voraus. Seine Werke sprechen zunächst unser Gefühl an. Das Gesehene soll anregen, seinerseits Stimmungen hervorrufen und über die Reflexion des Dargestellten schließlich zu Verständnis und Erkenntnis führen. „Mein Bestreben besteht darin, durch die Verschmelzung von Schrift, Farbe und malerischen Formen ein Gesamtkunstwerk zu schaffen“, sagt Mirzaie, „so dass alle Menschen andere Kulturen mit dem Herzen kennen und verstehen lernen können.“ Mit anderen Worten: Über die Kultur- und Sprachgrenzen hinweg verfolgt der Künstler das hehre Ziel des friedlichen Miteinanders, eines „Friedens durch die Liebe“. 


Öffnungszeiten der Ausstellung: 

Geöffnet noch bis 17. April jeweils nach den Gottesdiensten. Zudem, in Anwesenheit des Künstlers, am 26. März und 2. April von 17.30 bis 19.30 Uhr. Die Finissage findet statt am Samstag, 17. April, 19.30 Uhr

Adresse:


, Lechenich, An der Vogelrute 8

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich