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Stadtsuperintendent Ernst Fey hielt Kölner Stadtpredigt in der Antoniterkirche

„Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan!“ An Jesus Wort aus dem Matthäustext, Kapitel 25, 31-40, orientierte Pfarrer Ernst Fey seine lebendige und schlüssige Stadtpredigt in der sehr gut besuchten Antoniterkirche. Der Stadtsuperintendent des Evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln sprach als sechster „Verantwortungstragender der Gesellschaft“ in der bis zum Kirchentag 2007 laufenden Reihe zum Thema „Was hält Köln/eine Gesellschaft zusammen?“.


Stadt mit Widersprüchen, Informationsfülle und „Weisheitsarmut“
Fey stellte voran, dass die Kirche für den Zusammenhalt von Gesellschaft und Stadt unaufgebbar sei. Dabei legte er den paulinischen Dreischritt, „Glaube, Liebe, Hoffnung“, als „Folie auf den Matthäustext“. Stadt und Gesellschaft bräuchten die Kirche. Die Kirche gehöre in diese Stadt – und andere! Fey sprach von einer Stadt mit Widersprüchen, mit Reichtum und Armut, Einkaufs- und Vernügungstempeln, schönen und verdreckten Gegenden, modisch gestylten Menschen und Obdachlosen. Pulsierend, schnelllebig, unruhig sei die Stadt, nach neuester Technik dürstend, „ständig auf der Suche nach neuen Superlativen“. Andererseits, zitierte er den Theologen Fullbert Steffensky, sei Stadt etwa gekennzeichnet durch „hohe Indivídualisierung, Verlust von Kenntlichkeit und nachbarschaftlichen Solidaritäten, Traditionsabbrüche, Informationsfülle und Weisheitsarmut…“

Der Glaube als Gegenmodell
Der Glaube stehe an vielen Stellen für ein Gegenmodell. Besinnung im hektischen Alltag, spirituelle Begegnung, eine andere Perspektive für ein Leben in Gemeinschaft mit den unterschiedlichsten Menschen, seien unter anderem seine Themen. Insbesondere das Mitnehmen und Begleiten von Menschen, die nicht mehr fertig würden mit den sich ständig verändernden Lebensbedingungen. Der Glaube müsse sich mit der Erfahrung der Bibel noch einmal rückversichern und sich einmischen, erinnerte Fey an Babel, die „Utopie der idealen Stadt“, die sich in ihr Gegenteil verkehrt habe. Sie stehe eben nicht für urbane Einheit, sondern für Instabilität, für Zersplitterung jedweder Art. Babel sei Metapher für kulturellen und religiösen Größenwahn und „für die Verabsolutierung technischer Machbarkeit. Sie, die Stadt, wurde zum Symbol für den Verlust Gottes, für einen Glauben, der nicht mehr zeitgemäß schien. Und der Mensch setzte sich an seine Stelle.“ Auch die heutigen Machtmetropolen mit ihren sich gleichenden Skylines seien „als die neuen Kathedralen“ nur scheinbar Zeichen des Zusammenhalts. Sie würden keine Antworten bringen, sie seien nicht Erfüllung für das Wort: „Suchet der Stadt Bestes!“

Mit Gott ins Gespräch kommen
In den Kirchen, die „noch mutig mit ihren Türmen“ den auch in Köln immer höher strebenden Hochhäusern trotzten, könne der Mensch mit Gott ins Gespräch kommen, von seinem Woher und Wohin sowie „spirituellen Halt“ erfahren. „Mit diesem „Halt“ begeben wir uns auf die Suche, wo Gott lebbar sein muss in dieser Stadt, wo ich mit der Zusage, dass jeder einzelne Mensch von Gott geliebt ist, nach der Begegnung mit Gott in dieser Stadt frage.“ Keinesfalls aber dürfe daraus ein Machtanspruch des Glaubens oder der Kirche abgeleitet werden.

Liebe ist gelebter Glaube
„Genau da scheint er ja richtig zu passen, der Predigttext“, sprach Fey im nächsten Schritt von der Liebe – oder „vom Umgang mit den Menschen, auch denen am Rand der Stadt“: Mit Kranken, Hungrigen, Durstigen und Fremden, Menschen mit Sorgen und Ängsten, mit Unsicherheit, Beziehungslosigkeit und mancher Ausweglosigkeit. Aus dem Glauben heraus würden Taten wachsen. Er bleibe „nicht nur graue Theorie, nicht Träumerei“, sondern sei erlebbar. Die Konsequenz des Glaubens zeige sich oft an den kleinen und unscheinbaren Dingen, nannte Fey „Hilfe für Essen und Trinken, wie es sie auch gibt in unseren christlichen Gemeinden vor Ort“. Geleistet von „Ehrenamtlichen, die das so still und treu machen. Auch das hält zusammen.“ Selbst wenn scheinbar die große Perspektive fehle, die „Globalität des Handelns“ nicht sofort zu spüren sei.
Der Matthäustext sei „keine Strafandrohung als Motivation für gutes Handeln“, sondern verweise auf Gottes liebendes Erbarmen. „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ An dieser Stelle zeige sich die Verortung unserer Kirche. „Was hält also eine Stadt zusammen? Auf jeden Fall der Blick auf und das sich kümmern um alle Menschen.“ Der Dienst am Nächsten in der Verantwortung vor Gott. Ebenso gelebte Verkündigung, christliches Handeln in politischer Situation, sagte Fey. „Liebe ist gelebter Glaube, der das Innere von uns Menschen verwandelt und damit unsere äußeren Lebensverhältnisse in Gottes Namen in den Blick bekommt.“ Einzutreten für Frieden und Gerechtigkeit, für die Achtung der Würde jedes einzelnen und die Überlebenschancen aller Menschen sei eine selbstverständliche christliche Verpflichtung.

Was ist wahrhaft von Dauer?
„Was können wir dann noch hoffen?“, fragte Fey. Oder: „Warum die Stadt nicht schon alles ist.“ Gebäude seien Werke von Menschen. „Was aber wahrhaft dauerhaft ist, ist nach dem Verständnis der Bibel nicht durch Menschen zu erbauen oder zu befestigen“, stellte Fey fest. Aber es sei spürbar an den Grenzen unseres sichtbaren Lebens. Es sei Gottes Gegenwart in uns selbst. Sie weise uns in Gott zueinander, lasse uns Verantwortung übernehmen und die Augen öffnen für die vielen Fragen in unserer Stadt. „Der Bezug auf Jesus gibt uns Orientierung, die über verfügbares Leben hinaus weist. Darin besteht unsere Hoffnung, unser Ziel, auf das wir hin leben in aller Vorläufigkeit und Endlichkeit. Mit der Zusage, dass Gott uns nicht fallen lässt.“ Leben beziehe sich für viele nur noch auf die Diesseitigkeit ohne Gottes Unendlichkeit. Seien damit die Werteverluste zu erklären, Hetze, Rücksichtslosigkeit und Gewalt auch in dieser Stadt? „Was hält dann eine Stadt, eine Gesellschaft zusammen?“, fragte Fey, und antwortete: „Sie werden nicht erstaunt sein, es ist Gottes Wort.“ Es sei für ihn eine Verheißung, dass nicht wir, sondern Christus das letzte, das Hoffnung bringende Wort habe. „Es ist die Verbindlichkeit von Gottes Liebe zu uns, die uns den anderen Menschen in dieser Stadt verbindlich entgegentreten, die uns aus dem Glauben heraus die Menschen mit anderen Augen sehen lässt.“ Daher gelte es, „die Fragen und menschlichen Nöte durch die steinernen Mauern der Häuser híndurch zu entdecken und wirkliches Interesse an dem Menschen zu zeigen, wie sie leben, was sie zum Leben brauchen. In ihrer jeweiligen Situation.“

Der „hoffende Glaube“ ist unsere Orientierungshilfe
Wer frage danach, was „ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern“? „Danach fragt der hoffende Glaube!“, so Fey. Er sei eine Orientierungshilfe durch die Wirren der Zeit. Ungeachtet der diversen, verlockenden Sinnangebote in der Welt setzte er sich ein für eine christliche Werteorientierung, für Toleranz für die Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen. Er übernehme Verantwortung für die Schwachen und Sprachlosen. Der hoffende Glaube kenne eine christliche Utopie, „die auf die Träume der Menschen blickt und nicht auf die Realisierung seiner zerstörerischen Allmachtsfantasien“. Der hoffende Glaube, gebe „Gott auch heute noch in seinem Leben immer wieder Raum“.
„Dann muss Paris nicht überall sein“, schloss Fey im Hinblick auf die von ihm eingangs angesprochenen Ausschreitungen in der französischen Hauptstadt, wo aktuell „Gewalt und Hass, Zerstörung und Rücksichtslosigkeit … Ohnmacht und Erschrecken“ herrschen. „Dann ist es wirklich eine Stadt der Menschen. Dann ist es Gottes Stadt.“

Die nächste Stadtpredigt in der Antoniterkirche innerhalb der Reihe „Was hält Köln/eine Gesellschaft zusammen?“ hält am Sonntag, 18. Dezember, 18 Uhr, WDR-Intendant Fritz Pleitgen.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich