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Anne Frank. Ein Mädchen aus Deutschland. Gerade wurde die Ausstellung eröffnet, sie ist mit großem Begleitprogramm noch bis 6. Juni zu sehen

Ein einfacher Holzstuhl, daneben ein schmaler Tisch mit Lampe stehen vor einer Spanplattenwand, auf der gerahmte Fotografien hängen. Die Bilder zeigen Mitglieder der deutsch-jüdischen Familie Frank, die 1934 vor den Nazis in die Niederlande emigrierten. Am bekanntesten von ihnen wurde wohl Anne Frank. Hinter diesem spartanischen, persönlich anmutenden Ambiente ist eine dreigeteilte Wand mit großformatigen historischen Fotos aufgebaut. In deren mittlerem Abschnitt befindet sich ein Bildschirm, auf dem mittels Touch-Screen einzuspielende Videos laufen. Im linken Wandfeld kann über eine „Hörstation“, Tonmaterial abgerufen werden. Insgesamt vier solcher Multimedia-Wände umfasst die nationale Wanderausstellung „Anne Frank. Ein Mädchen aus Deutschland“. Seit drei Jahren tourt sie durch Deutschland. Sie verbindet Historie mit aktuellen Bezügen, das Erinnern der Lebensgeschichte Anne Franks „mit Menschenrechtserziehung und Prävention gegen Rechtsextremismus“. Bis 12. Juni 2007 gastiert sie im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, im EL-DE-Haus, Appellhofplatz 23-25. Entwickelt wurde die Ausstellung vom Anne Frank Zentrum in Berlin in Kooperation mit dem Anne Frank Haus Amsterdam sowie anderen Einrichtungen. In Köln wird sie präsentiert von der Stadt Köln, dem NS-Dokumentationszentrum und der evangelischen Melanchthon-Akademie.


Für Jugendliche: pädagogische Vertiefung, auch während des DEKT
Die Idee, die „innovative, multimediale Ausstellung“ nach Köln zu holen, stammt von Joachim Ziefle, Studienleiter der Melanchthon-Akademie. Sie ist gedacht als Beitrag zum Deutschen Evangelischen Kirchentag und auch mit einem Teil ihres eigens für Köln konzipierten Begleitprogramms eingebunden in dessen Kulturprogramm. „Es ist ein gemeinsames Projekt mit dem NS-Dokumentationszentrum“, stellt Ziefle fest. „Hier bestehen optimale Strukturen. Wir rechnen allein mit 300 Schulklassen.“ Das hat seinen Grund. Zwar richtet sich die pädagogische Ausstellung an alle Generationen, insbesondere aber an ein jugendliches Publikum. Dr. Werner Jung, Leiter des NS-Dokumentationszentrums, erinnert daran, dass das Haus vor neun Jahren bereits mit einer Sonderausstellung zu Anne Frank eröffnet wurde. Die aktuelle Ausstellung aber sei auf pädagogische Vertiefung und den Brückenschlag in die Gegenwart hin angelegt.

Wer bin ich? Was geschieht mit mir? Was ist mir wichtig?
„Anne Frank, ihr Tagebuch: Ein Thema, das häufig den Zugang zur Geschichte des Nationalsozialismus bildet“, erklärt Jung. Das in dem Versteck ihrer Familie in einem Amsterdamer Hinterhaus verfasste Tagebuch steht auch im Mittelpunkt der Ausstellung. Insbesondere sind es die drei zentralen Fragen, die Anne Frank bewegten: Wer bin ich? Was geschieht mit mir? Was ist mir wichtig? Sie bilden die Leitfragen der Ausstellung. „Diese bietet keinen chronologischen Abriss des Nationalsozialismus und der Verfolgung“, erläutert Museumspädagogin Barbara Kirschbaum. Vielmehr mache sie verschiedene „Schichten der Geschichte“ zugänglich. Jedes der vier behandelten Leitthemen Identität, Untertauchen, Krieg und Holocaust gliedert sich technisch wie inhaltlich in drei verschiedene Schichten: eine biographische, eine historische und eine gegenwärtige. Die Fragen sollen die (jugendlichen) Besuchenden auch zur Selbstreflexion anregen, zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben, aktuellen persönlichen und gesellschaftlichen Anforderungen, Handlungsspielräumen damals wie heute, oder zur Beschäftigung mit Themen wie multikulturelle Gesellschaft und Rassismus.

Als ein wesentliches Merkmal wird die Ausstellung flankiert von einem speziell für Köln erarbeiteten Begleitprogramm. Es beinhaltet Exkursionen, Zeitzeugengespräche, Filmaufführungen und Konzerte, auch gesondert für Jugendliche.

Das Begleitprogramm

Zeitzeugengespräche
Am 26. April, 19 Uhr, wird im NS-Dokumentationszentrum Faye Cukier in deutscher Sprache aus ihrem autobiographischen Roman „Fleeing the Swastika“ erzählen. Mit ihren Eltern war die gebürtige Kölner Jüdin 1938 nach Antwerpen geflohen. Während der deutschen Besetzung Belgiens überlebte die Familie durch die Hilfe der einheimischen Bevölkerung in Verstecken. Die Lesung für Schulklassen findet statt am 4. Mai, 11 Uhr.
Am 21. Mai, 19.30 Uhr, trägt Tamar Dreifuss aus ihrem Buch „Sag niemals, das ist dein letzter Weg“ vor. Darin schildert sie ihre eigene Kindheit, vor allem aber die Erinnerungen ihrer Mutter Jetta Schapiro-Rosenzweig an das Ghetto im litauischen Wilna (heute Vilnius), das beide überlebt haben. Die Lesungen für Schulklassen finden statt am 30. April und 14. Mai, jeweils 10 Uhr.

Exkursionen
Die erste Exkursion führt am 13. Mai, 9 bis etwa 18 Uhr, ins niederländische Aalten. Der Grenzort verzeichnete während des Zweiten Weltkrieges die „höchste Anzahl Untergetauchter in den Niederlanden“. Bevor die dortige Synagoge besichtigt wird, steht ein Besuch des Museums „Markt 12“ auf dem Programm. Dessen Ausstellung ist den Themen „Untertauchen“, Deutsche Besatzung, Kollaboration und Widerstand gewidmet.
Die zweite Exkursion, am 10. Juni, 8 bis etwa 22 Uhr, geht nach Amsterdam, in das Anne Frank Haus, dem Versteck der Familie Frank und Entstehungsort des Tagebuchs. Für beide Führungen ist eine Anmeldung unter Telefon 0221/221-263 31 erforderlich.

Film
„Nicht verzeichnete Fluchtbewegungen oder wie die Juden in der West-Eifel in die Freiheit kamen“ heißt der 1990 fertig gestellte Dokumentarfilm von Dietrich Schubert. Er „schildert eine Reise durch die Geschichte und Landschaft jener Region“, in der 1938/39 zahlreiche Eifeler Juden über die belgische Grenze flohen. Am 4. Juni, 19.30 Uhr, gibt es in der Filmpalette, Lübecker Straße 15, eine Abendvorstellung, danach die Möglichkeit zum Gespräch mit Schubert . Bereits am Vormittag desselben Tages, 9 Uhr, findet für Schulklassen eine gesonderte Vorstellung mit Gespräch statt.

Film oder Radiosendung produzieren
„Wir möchten Schülerinnen und Schüler nicht nur passiv heranführen, sondern sie aktiv beteiligen“, erläutert Ziefle. So können Schulklassen zusätzlich im Medienbereich der Melanchthon-Akademie im MediaPark, nach Anmeldung unter Telefon 0221/93 18 03-0 unter professioneller Anleitung selbst einen Kurzfilm zum Thema Anne Frank erstellen. Oder eine eigene Radiosendung produzieren, die im Rahmen des Bürgerfunks gesendet wird.

Lesungen auf der Straße
Schülerinnen und Schüler wie alle anderen Interessierten sind zudem aufgerufen, an einer besonderen Aktion teilzunehmen: „Wir haben die Idee entwickelt, in den öffentlichen Raum zu gehen“, beschreibt Jung. So sollen vom 7. bis 11. Mai insbesondere in der Kernzeit von 15 bis 16 Uhr am Brunnen auf der Schildergasse, vor der Galeria Kaufhof, öffentlich Auszüge aus Anne Franks Tagebuch vorgelesen werden. „Wir möchten, dass die Bevölkerung sich beteiligt. Auch um einen Gegenpunkt zu setzen zur Verbrennung des Tagebuchs anlässlich einer Sonnenwendfeier 2006“, so Kirschbaum.

Öffnungszeiten
Für die Laufzeit der Sonderausstellung wurden die Öffnungszeiten des NS-Dokumentationszentrums erweitert. Zu sehen ist sie bis 12. Juni: dienstags bis freitags von 10 bis 16, donnerstags von 10 bis 18, samstags und sonntags von 11 bis 16 Uhr. Angemeldeten Schulklassen und anderen Gruppen steht die „Anne-Frank“-Ausstellung werktags bereits ab 9 Uhr offen, auch montags! Anmeldung unter Telefon 0221/221-263 31.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich