Diesmal berichtet uns Pfarrer Dieter Schwirschke bei Allerhand Alltagsgeschichten eine Geschichte von zwei Jungen und ihrer Erfahrung auf einem Apfelbaum. Wie viel Vertrauen ist nötig, um vom Baum in die Arme eines anderen Menschen zu springen? Sollte man doch lieber auf dem Baum sitzen bleiben? Warum Vertrauen und Angst in unserem Leben so wichtig sind und was man aus der Geschichte über den Apfelbaum lernen kann, erzählt Pfarrer Dieter Schwirschk in Gebärdensprache in Allerhand Alltagsgeschichten.
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Hier der gesamte Beitrag zum Nachlesen:
Hallo und herzlich willkommen zu Allerhand Alltagsgeschichten!
Ich weiß noch, ich war damals ungefähr so acht, neun Jahre alt, da war es an einem Sonntag, dass meine Eltern zu mir sagten: „Wir drei gehen heute in die Kirche zum Gottesdienst!“ Also musste ich mitgehen. Normalerweise war dieser Gottesdienst auch etwas langweilig für mich. Der Pfarrer redet die ganze Zeit und vieles ging an mir vorbei. Aber an diesem Sonntag war es anders. Der Pfarrer erzählte eine interessante Geschichte.
Es war einmal eine grüne Wiese und ein Apfelbaum stand darauf. Zwei Jungen kamen und beide wollten hoch hinauf in den Apfelbaum. Der war groß und beide hatten das Glück, dass eine Leiter auf dem Boden lag. Sie nahmen sich die Leiter stellten sie an den Baum und kletterten hoch, setzen sich auf einen Ast, pflückten die Äpfel ab und aßen sie. Etwas später wollten die beiden wieder hinunter. Aber hoch ist leichter als runter. Und so passierte es, dass ein Junge mit seinem Fuß die Leiter anstieß, die dann zu Boden fiel. Beide saßen nun auf dem Ast und schauten hinunter. „Wie kommen wir runter?“ Zum Glück kam ein Mann daher, dieser sah die beiden und begriff sofort, dass sie wieder hinunter wollten. Und der Mann sagte zum ersten Jungen: „Komm, spring in meine Arme!“ Aber der Junge sprang nicht. So sagte er zu dem zweiten Jungen: „Komm, spring!“ Und tatsächlich: der zweite Junge sprang hinunter, landete in seinen Armen und sicher auf dem Boden.
Plötzlich unterbrach der Pfarrer seine Geschichte und fragte die Leute in der Kirche: „Ein Junge springt nicht und ein Junge springt. Warum ist das so, was meint ihr?“. Ich selbst bekam einen Schock, der Pfarrer fragte in der Kirche, das war ja wie in der Schule. Normalerweise redet der Pfarrer in einem durch und fragte niemals und wartet auf Antworten. Und jetzt, also schaute ich ganz betreten zur Seite, aber zum Glück waren da andere Leute, die sich meldeten und ihnen Antwort gaben und sagten: „Ja, ich glaube der Junge, der nicht gesprungen ist, der hatte wahrscheinlich Angst davor.“ Der Pfarrer sagte: „Jaja, das stimmt schon, aber das ist noch nicht das, was ich als Antwort haben will“ Und dann waren andere, die sagten: „Der Junge der springt, er hat eben Mut.“ Ja, aber die richtige Antwort ist das auch nicht.“ Und niemand konnte den Pfarrer zufrieden stellen mit seiner Antwort. So sagt der Pfarrer selbst die richtige Antwort. „Der Junge der gesprungen ist, in die Arme des Mannes, der unten stand, wisst ihr, wer dieser Mann war der die Arme aufhielt? Es war sein Vater. Der Junge kannte eben seinen Vater und ist deshalb voller Vertrauen hinunter gesprungen und der zweite Junge, der nicht gesprungen ist, ja, er kannte ihn nicht so gut und deshalb hatte er Angst und hielt sich zurück und blieb auf dem Baum sitzen.“ Damals hat der Pfarrer die Geschichte weitererzählt. Wie, weiß ich nicht mehr genau, ob dann der Mann die Leiter hoch gestellt hat und den zweiten runtergeholt hat, ich hab’s vergessen.
Aber heute weiß ich, dass der Pfarrer mit seiner Geschichte vom Apfelbaum und den zwei Jungen in Wahrheit eine Geschichte erzählt hat über das Thema Vertrauen und Angst. Klar, der zweite Junge, der das Vertrauen hatte, sein Vertrauen war ja aber auch nicht einfach da, es kam wahrscheinlich daher, dass er bestimmt vorher schon sehr viele positive Erfahrungen gemacht hatte. Vielleicht war er mal gelaufen und Papa stand da und er hat ihn aufgefangen, als er in seine Hände gesprungen ist oder hat ihn manchmal auch einfach nur ein bisschen hoch geworfen und der Junge hat gespürt, als ein paar Sekunden in der Luft war: „Ich weiß, wenn ich runterkomme, dann ist Papa da, seine starken Arme halte mich.“ Und ich bin sicher, sein Vertrauen ist daher gekommen, dass er sehr viele positive Erfahrungen machen konnte, die aufgebaut ein Netz von Vertrauen bilden. Der zweite Junge, der nicht gesprungen ist, ich muss ehrlich sagen, früher habe ich sehr oft auch negativ über ihn gedacht, hab gedacht: „Mensch, was ein Angsthase oder ein Feigling, der müsste doch eigentlich Mut haben und mal einfach springen.“ Heute denke ich ein bisschen anders darüber. Ich meine, er hat es richtig gemacht so, er hatte Angst, ja, das stimmt, aber seine Angst war auch sehr gut, denn sie hat ihm gesagt: „Bitte warte noch einen Moment, du kennst doch diesen Menschen da unten gar nicht richtig. Denn die Beziehung ist nicht stark genug, dass du dieses Vertrauen bilden kannst. Hält er dich? Es ist besser, wenn du noch oben bleibst!“ Manchmal denke ich, unser Leben, das ist wie eine Geschichte von Vertrauen und von Angst. Manchmal ist in meinem Leben mein Vertrauen groß genug, dass ich den nächsten Schritt machen kann in meinem Leben, dass ich sozusagen „springen“ kann und manchmal ist in mir auch Angst da, die ich spüre, nicht genügend positive Erfahrungen, und so warte ich noch ab. Angst und Vertrauen – beide sind da in unserem Leben und beide sind auch sehr wichtig für unser Leben. Die brauchen auch nicht gleich zu bleiben, sondern gehen auf und ab und können sich entwickeln. Für mich ist diese Geschichte von Vertrauen und Angst eine sehr spannende und interessante Geschichte.
Tschüss und bis zum nächsten Mal!
Foto(s): APK