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20 Jahre Sozialpädagogische Familienhilfe oder auch »Ambulante Hilfen zur Erziehung« des Amtes für Diakonie

„Es war am Anfang schon sehr komisch, von einer Sozialarbeiterin betreut zu werden“, bekennt Angela Büsdorf. „Doch wir haben uns darauf eingelassen und bereuen es nicht.“ Vor zwei Jahren war die damals zwanzigjährige Mutter einer Tochter mit einem ebenfalls jungen Vater von vier Kindern zusammen gezogen. Nur zögernd akzeptierten die fremden Sprösslinge ihre „neue Mama“. Die wiederum fühlte sich überfordert. Immer häufiger kam es zum Streit. Schließlich schienen die Probleme unlösbar. Auf Vermittlung des Jugendamtes wurde die Sozialpädagogische Familienhilfe (seit 2000 „Ambulante Hilfen zur Erziehung“) im Amt für Diakonie des Evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln eingeschaltet. Deren Mitarbeiterin Birgit Vollrath nahm Kontakt zu der Familie auf. Über ein Jahr führte sie mehrmals wöchentlich Gespräche mit den Beteiligten. Sie brachte Struktur in deren Tagesablauf, gab Tipps in Erziehungsfragen, begleitete Büsdorf auch bei Behördengängen und half letztlich entscheidend mit, die Konflikte zu lösen. „Für diese Unterstützung bin ich sehr dankbar“, sagt Büsdorf. „Vor allem bin ich viel selbstbewusster geworden. Nicht nur was die Erziehung betrifft.“

Wie können Familien, bei denen es „gebrannt“ hat, weiter zusammenleben?
Den Anfang nahm die Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) in den ausgehenden 70-er Jahren in Berlin. Nach Verhandlungen mit dem städtischen Jugendamt Köln richtete 1984 auch das Amt für Diakonie des Evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln eine SPFH ein. Zunächst als Versuchsprojekt mit einer halben Stelle und der begleitenden Koordinatorin Monika Busch. „Wir haben versucht ein gutes Konzept zu entwickeln, um Familien bei Konflikten, Krisen und Überforderung zu unterstützen“, erinnert sich Busch. Heute ist sie Leiterin der SPFH des Amtes für Diakonie, die 2000 in „Ambulante Hilfen zur Erziehung“ umbenannt wurde. Das derzeitige Team umfasst neben Busch acht SozialarbeiterInnen, SozialpädagogInnen und PädagogInnen sowie eine Hauswirtschafterin. Es ist aufgrund der vor vier Jahren erfolgten „Sozialraumorientierung“ für die rechtsrheinischen Stadtbezirke Mülheim, Kalk und Porz zuständig.

„Am Anfang war es eine Unterstützung, bei der überlegt wurde, wie können Familien, in denen es ´gebrannt´ hat, zusammen leben. Das hat sich verändert. Jetzt werden wir zumeist als letzte Möglichkeit für Familien angefragt, in denen schon viel schief gelaufen ist“, beschreibt Busch die Entwicklung. Unverändert sind die Zielgruppen Familien oder Lebensgemeinschaften mit Kindern und Jugendlichen in Krisensituationen. Familien, „deren Selbsthilfepotential aufgrund außer- und innerfamiliärer Faktoren zumindest in Teilbereichen belastet ist und die einen Bedarf an Hilfe zur Erziehung haben“.

Ihnen will die Diakonieeinrichtung mittels diverser Angebote Perspektiven eröffnen. Sie will helfen, Problemsituationen verschiedenster Art zu lösen, seien es Sucht, Überforderung, Trennung oder Scheidung, Arbeitslosigkeit, Schulden, Missbrauch, körperliche oder seelische Gewalt. „Wir beraten die Eltern bei den Erziehungsaufgaben, unterstützen die Kinder und Jugendlichen in Krisensituationen, indem wir ihre Fähigkeiten stärken und wenn notwendig ihre Verselbstständigung begleiten“, betont Busch. „Es geht darum, die Ressourcen jedes einzelnen Familienmitglieds zu stärken, und Hilfe zur Selbsthilfe zu geben.“ Es gehe darum, die Betreuten zu befähigen, Krisen und Probleme eigenständiger lösen und sich besser durch´s Leben kämpfen zu können.

Immer in Kooperation mit dem Jugendamt
„Wir dürfen nicht selbst tätig werden, sondern nur nach Beauftragung durch das Jugendamt und in Kooperation mit diesem“, erläutert Busch. Die SPFH ist eine im Jugend- und Kinderhilfegesetz verankerte Pflichtaufgabe der Kommune. Diese übernimmt daher auch die Kosten. Zunächst prüft das Jugendamt, ob eine längere Beratungszeit angeraten ist, bewilligt diese gegebenenfalls und fragt bei einem der sechs Träger von SPFH in Köln an. Gemeinsam mit dem Jugendamt und der betroffenen Familie werden dann der Betreuungsumfang, die Arbeitsaufträge und Ziele festgelegt.

Ein Ziel ist: Misstrauen abbauen
In der Regel suchen die pädagogischen Mitarbeitenden des Diakonie-Fachdienstes „Ambulante Hilfen zur Erziehung“ die Familien in deren Wohnungen auf. „Die Hilfe ist immer freiwillig. Zunächst gibt es eine dreimonatige Probezeit, in der wir uns kennenlernen und die Möglichkeit einer Zusammenarbeit prüfen“, so Vollrath. Im Normalfall begleite ein(e) Betreuer(in) eine Familie rund ein Jahr lang. Diese(r) bekomme deren Alltag mit, das Verhalten und Verhältnis von Eltern und Kindern und versuche entsprechend einzugreifen – bis hin zu hauswirtschaftlicher Unterstützung. „Viele Betroffene sind zunächst misstrauisch, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Denn sie erleben meist ihre gesamte Umwelt als nur feindlich: die Nachbarn, die Lehrer, die Behörden usw. Deshalb ist es wichtig, Vertrauen aufzubauen“, erläutert Vollrath. Auch dann, wenn beispielsweise Kinder (zeitweise) in Pflegefamilien oder Heimen untergebracht werden müssten. „In diesen extremen Situationen machen wir den Müttern klar, dass sie keine schlechten Mütter sind.“ Oft handele es sich um schwierige Aufträge, verdeutlicht Vollrath. Dabei gehe es auch konkret um Kontrollaufgaben, etwa wenn eine Gefährdung und Misshandlung von Kindern befürchtet werde.

„2004 wurden die Kontingente der Fachleistungsstunden aller Träger um zehn Prozent gekürzt“, bedauert Busch „Dies bedeutet, dass für jede Familie wöchentlich maximal nur noch sieben Stunden zur Verfügung stehen, die Fahrtzeiten unserer Mitarbeitenden eingerechnet.“ Dabei nehme die Problematik in den Familien aufgrund psychischer Erkrankungen, Suchterkrankungen, Trennungen usw. immer mehr zu. Angesichts dessen sei die wichtige präventive Arbeit kaum mehr möglich.

Angela Büsdorf mag Birgit Vollrath gar nicht mehr missen. „Unsere Jüngsten kommen immer sofort angelaufen und belagern sie.“ Es ist gar nicht so selten, dass der Kontakt zwischen den SozialarbeiterInnen und Familienmitgliedern auch nach Ablauf der Betreuungszeit bestehen bleibt, weiß Busch. Dieser Kontaktpflege dient auch die monatliche Frühstücksgruppe für ehemalige betreute Familien in der Fachdienststelle Brandenburger Straße 18.

Kontakt
Amt für Diakonie des Evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln, Ambulante Hilfen zur Erziehung, Brandenburger Straße 18, 50668 Köln, Telefon 0221-1603883, monika.busch@diakonie-koeln.de


Zahlen
In 20 Jahren hat die sozialpädagogische Familienhilfe des Amtes für Diakonie 274 Kölner Familien mit 680 Kindern unterstützen können. Allein 2003 betreute das Team 56 Familien mit 140 Kindern.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich