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100 Jahre Lutherkirche: 1906 eingeweiht, unter Anwesenheit „vieler hoher Vertreter von Staat und Stadt“

Die evangelische Lutherkirche in der Südstadt wurde vor exakt 100 Jahren gebaut: Um die Jahrhundertwende 1899/1900 belief sich die Zahl der Evangelischen innerhalb der Stadtumwallung – trotz Ausgliederung der Vorortgemeinden – auf fast 50.000 Seelen. Das Presbyterium musste sich entschließen, neben Antoniterkirche, Trinitatiskirche und Christuskirche eine vierte Kirche im Süden des stadtkölnischen Gebietes zu errichten. Zu diesem Zweck schrieb es im Jahr 1902 einen Architektenwettbewerb aus. Gewählt und zur Ausführung kam der mit dem 1. Preis ausgezeichnete Entwurf von Professor J. Vollmer in Berlin. Mit den Fundamentierungsarbeiten wurde im Januar 1904 begonnen, und schon am 8. Mai desselben Jahres konnte die Feier der Grundsteinlegung stattfinden.



Am 20. Mai 1906
…. erfolgte unter großer Anteilnahme der Gemeinde und in Anwesenheit des rheinischen Präses D. Hackenberg und vieler hoher Vertreter von Staat und Stadt die Einweihung. Diese erste Kirche auf dem Martin-Luther-Platz war im Neo-Renaissancestil gebaut, die Sitzreihen konzentrisch um den Altar angeordnet. Etwa 800 Gemeindemitglieder fanden im Kirchenschiff und auf der Empore Platz. Die Mittelachse der Kirche war einerseits durch Kanzel und Altar, die organisch miteinander verbunden waren, und andererseits durch die Orgel, die sich auf der gegenüberliegenden Empore befand, wirkungsvoll zur Darstellung gebracht. Einen besonderen Schmuck der Kirche bildeten die beiden großen Fenster im Querschiff. Sie stellten – getreu dem Namen der Kirche – den „Reichstag zu Worms“ und die „Bibelübersetzung“ dar. Der monumentale Turm – 65 Meter hoch – war seitlich an der Kirche angebracht und bot für alle auf den Platz mündenden Straßen einen günstigen Blickfang. Das Material für die Außenflächen von Kirche und Turm bestand aus rheinischem Tuffstein und Pfälzer Sandstein. Die Baukosten beliefen sich auf  600.000 Reichsmark, Spenden flossen reichlich.

Am 15. Oktober 1944 …
…. wurde die alte Lutherkirche von mehreren Bomben getroffen. Der Kirchbau wurde bis auf die Grundmauern zerstört. Nur der Turm stand noch, allerdings stark mitgenommen und seines Turmhelmes beraubt, ein trauriges Wahrzeichen der zerstörerischen Macht des Krieges.

Wiederaufbau 1964
„Der Wiederaufbau der Lutherkirche konnte nicht mehr in der alten Größe und Pracht, ob Turm oder Kirchenschiff, erfolgen…. Es sind größere Aufgaben der Gemeinde gestellt worden, die der kleine Kirchplatz mit aufnehmen musste….“ Die Gemeinde hatte in ihrer allgemeinen Grundstücksnot im Inneren der Stadt ein Schwesternhaus auf dem alten Kirchplatz bauen müssen, das der Baumeister in seine Wiederaufbau-Planung aufnehmen musste. Der Baumeister, das war der Architekt und Baurat H.O. Vogel aus Trier, der 1964 mit diesen Sätzen seine Arbeit kommentierte. Er stand außerdem vor dem Aufgabe, „zu allem auch noch eine Pfarrwohnung und einen Konfirmandenraum einzuplanen“. So entstand in geschickter Ausnutzung der noch freien und der bebauten Flächen eine U-förmige Baugruppe, die einen kleinen Kirchplatz – ein Atrium – noch freigab. „Dies ist die Zielsetzung des Baumeisters im Wiederaufbau: in schlichtem, fast zurückhaltendem Gestaltungsausdruck, aber in stiller Würde die Glaubwürdigkeit der christlichen Mission auch baulich in einer rasanten Welt auszusprechen und keinen Tribut an das Wirtschaftswunder unserer Tage zu zahlen,“ schrieb Vogel. Als Baustoff wurde im Äußeren wie im Innern mit Bedacht der Handstrich-Ziegel verwendet, „ein Gleichnis einer klaren, alles Scheinhafte abstreifenden Haltung christlichen Denkens und Fühlens“, so Vogel.

Aus heutiger Sicht
urteilt Volker Langenbach, selbst Architekt, über die Arbeit seines Kollegen von 1964: „Mit dem Architekten Vogel setzt sich ein neuer, behutsamer Umgang mit alter Substanz durch. In dieser Hinsicht ist seine Architekturvorstellung richtungsweisend und modern.“ Der Turm, Eckstein des Ensembles, führt uns aus der Stadt in ein Atrium, gleich einem klösterlichen Kreuzgang, dem Symbol für das Paradies. Dort leitet uns ein Dach zur gläsernen Eingangstür während die Pflanzen auf diesem Weg alle Sinne anregen. Der gedrungene Vorraum steigert das anschließende Raumerlebnis. Doch, erst wenn die schwere Holztür des Kirchenraumes ins Schloss gefallen ist, merken wir, dass wir angekommen sind, in dem „Bergwerk unserer Seele“.

Zu diesem Raum hat sich anlässlich der Feier zu „100 Jahre Lutherkirche“ nicht nur Volker Langenbach weitere Gedanken gemacht, auch Kantor Thomas Frerichs und Pfarrer Hans Mörtter äußern sich assoziativ zu „ihrer“ Kirche – nachzulesen hier.

    

Text: Lutherkirche/AL
Foto(s): Lutherkirche