You are currently viewing 10 Jahre Café Bickolo: Die Positionierung von Kirche im sozialen Brennpunkt

10 Jahre Café Bickolo: Die Positionierung von Kirche im sozialen Brennpunkt

1994 hätte wahrscheinlich niemand seine Hand dafür in’s Feuer gelegt: Ein Kirchen-Café zwischen Friedhof und Gewerbegebiet, in einem „sozialen Brennpunkt“ – so etwas soll auf Dauer funktionieren? Es funktioniert. Und mittlerweile bereits seit zehn Jahren: Das Café Bickolo ist zu einem festen Bestandteil im Westend geworden, dem kleinen Stadtviertel der Evangelischen Gemeinde Bickendorf, am Westfriedhof, neben dem Gewerbegebiet.

Menschen, die sich einsetzen
Dass es so gut funktioniert, ist sicher nicht zuletzt das Verdienst der vielen ehrenamtlich Mitarbeitenden: Ein festes Team von 18 und eine „Notfallmannschaft“ aus weiteren Menschen, die jederzeit einzuspringen, sich aber auf kein regelmäßiges Engagement festlegen möchten, halten das Café offen. „Daraus ergeben sich viele verschiedene Angebote wie Abendessen von italienischen und türkischen Frauen, gemeinsame Unternehmungen, Aufräumarbeiten, eine Frauengruppe, kreative Ideen, die das Café verschönern, Computerkurse….“ fasst Pastorin Reinhild Widdig die Arbeit im Café zusammen. Durch die ehrenamtliche Mitarbeit konnten auch die Öffnungszeiten erweitert und der Umsatz gesteigert werden.

Darüber hinaus bietet das Begegnungscafé Ferienprogramme, Kinderbibelwochen, Familienwochenenden, vielfältige Hilfe zur Selbsthilfe und auch das Seelsorgegespräch mit der Pastorin/dem Pastor gehört zu den Möglichkeiten, „loszuwerden, was man sonst keinem erzählen möchte“. So versteht sich das Bickolo unter anderem als eine „Anlaufstelle in Notsituationen“. An großen kirchlichen Feiertagen werde zudem gemeinsam Gottesdienst gefeiert – „abwechslungsreich und für jedes Alter geeignet“, so die Pastorin.

Arbeitskreis Westend: Es gibt noch viel zu tun
Doch das Café leistet noch viel mehr. Echte Integration nämlich. Das zeigt die Arbeit des „AK Westend“, eines Arbeitskreises, der sich aus verschiedenen Kinder- und Jugendeinrichtungen zusammensetzt – unter anderem auch dem Bickolo. 2003 stand für den Arbeitskreis ein Projekt zur Gewaltverminderung in den Hochhäusern am Ossendorfer Weg im Vordergrund: 160 Mieterinnen und Mieter wurden befragt. Das Bickolo hat sich an dieser Umfrage intensiv beteiligt, die Ergebnisse zeigen deutlich die Notwendigkeit begleitender und präventiver Arbeit in diesem Stadtteil: Eine Bande junger Erwachsener zwischen 18 und 28 Jahren terrorisiert die befragten Mieterinnen und Mieter, sie werden – vor allem nachts – an der Heimkehr in ihre Wohnungen gehindert, Einbrüche, körperliche Gewalt und Pöbeleien sind an der Tagesordnung, die Polizei kann nicht rund um die Uhr präsent sein, viele Bewohner wagen aber auch gerade aus Angst vor neuerlichen Übergriffen nicht (mehr), die Polizei überhaupt zu rufen.

Die Positionierung von Kirche im sozialen Brennpunkt
Als Reaktion auf diese alarmierenden Umfrage-Ergebnisse wurde nun der Verein Outback gegründet, er soll die Bewohnerinnen und Bewohner begleiten und stärken, ein Begegnungszentrum soll gegründet und von einem Mieterrat begleitet werden. Im Bickolo brachte eine Vielzahl von Gesprächen einen genaueren Einblick in die Lebenssituation der betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner, als dies etwa bei gelegentlichen Hausbesuchen möglich gewesen wäre, das Café wurde und wird als Anlaufstelle in Notsituationen akzeptiert. Der kirchliche Kontext ist dabei den meisten Menschen sehr wohl bewußt. Kirche präsentiert sich so im Bewußtsein von NachbarInnen und AnwohnerInnen als Institution, die sich nicht mit bestehenden Verhältnissen abfindet, die Menschen wissen sich in ihr „im Horizont eines neuen Himmels und einer neuen Erde getragen“, so Widdig.

Kontakt
Café Bickolo, Clemens-Hastrich-Straße 11.
Pastorin Reinhild Widdig, Telefon 0221/279 13 53.
Im Internet hier.

Text: Widdig/Al-Mana
Foto(s): Evangelische Gemeinde Bickendorf